Briefe

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Als ich wieder nach unten lief, saß meine Mum auf einem Stuhl mit dem Rücken zu mir. Als ich mich näherte, zuckte sie leicht zusammen und wischte sich über die Augen.

Ich setzte mich auf den Stuhl gegenüber und sah sie an. Sie hatte geweint und schien sich zu schämen die Fassung verloren zu haben.

Als ich sie fragend ansah, schüttelte sie nur den Kopf, strich sich die strenge Frisur zurecht und stand auf, um Streichhölzer für die Geburtstagskerzen aus der Schublade zu kramen.

Ihre Finger zitterten als sie versuchte ein Hölzchen anzureißen. Ich kramte ein richtiges (gasbetriebenes) Feuerzeug heraus und hielt es an die beiden Kerzendochte. Diese zischten kurz und fingen dann jeweils Feuer.

Meine Mutter schien empört zu sein, da sie gerade die Absicht hatte die Kerzen anzuzünden, aber ich nahm ihr gefrustetes Schnauben so hin und pustete die krummen Kerzen mit einem Atemzug wieder aus. Ich wünschte mir, dass ich irgendwann aus dieser Hölle entkommen würde.

Ich hatte schon mehrmals den Gedanken gehabt von diesem trostlosen Ort wegzulaufen.

Ich könnte durch den Wald laufen und dann immer die Straße entlang mit einem Kompass in der Hand, der immer nach Kalifornien zeigten würde.

Obwohl ich diesen Ort nur von Fotos kannte, sehnte sich meine Seele so sehr danach den weichen Sand zwischen meinen Zehen zu spüren und die warme Luft in meine Lungen zu saugen.

Ich wünschte mir so sehr dort zu sein, dass mein Herz sich leer und meine Seele zerrissen anfühlte.

„Was stand auf dem Zettel? Was hat Tante Emergine geschrieben?" Meine Mum starrte auf den Tisch und sagte nichts. Ich nahm ihr den Zettel aus der Hand und überflog ihn kurz.

Tante Emergine hatte Mum zu ihr eingeladen. Ich war nicht sehr begeistert. Sie hatte, soweit ich weiß keinen Partner gefunden, wie meine Mutter sagte, lag das an ihrer herrischen Art lag und wie sie die Leute anfuhr, wenn diese einen Fehler machten.

„Was machen wir jetzt?", fragte ich meine Mutter. „ Wir werden zu ihr fahren. Sie hat ein großes Haus. Ich bin mir sicher, sie hat nichts dagegen, wenn ich dich mitbringe. Immerhin bist du ihre Nichte."

Ich machte große Augen. Meine Mutter zog es wirklich in Erwägung zu verreisen. Ich kam aus dem Staunen nicht mehr herraus.

„Wann fahren wir? Wo wohnt Die eigentlich?" Meine Mutter sah mich streng an.

„ >Die< hat auch einen Namen. Hab' mehr Respekt, Kind. Die Jugend von heute!" Den letzten Satz sagte sie mehr zu sich selber als zu mir.

Sie fasste sich an die Stirn und atmete einmal tief ein und aus und lief aus dem Raum. Kurz vor dem Türrahmen drehte sie sich nochmal kurz zu mir um.

"Colorado. Sie wohnt in Colorado." Dann verließ sei die Küche.

Na toll.

Colorado lag noch weiter von Kalifornien entfernt als Idaho, dachte ich bedrückt.

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