"Oh Gott ... Oh Gott"

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Der Flughafen von Idaho Falls faszinierte mich und die Hallen kamen mir so riesig vor verglichen mit dem kleinen Haus, in dem ich aufgewachsen war.

Meine Schultasche hatte ich kurzerhand zu einem Koffer umfunktioniert.

Als wir im halb leeren Flugzeug saßen, bekam ich schon ein bisschen Herzrasen. Während die Stewardess gelangweilt die Sicherheitseinführung runter ratterte, bewunderte ich den kleinen Bildschirm, der am Rücken meines Vordermanns eingelassen war.

Ich kannte Fernsehre nur aus der Schule, wo wir gelegentlich Filme anschauten. Meiner Mutter waren diese Geräte jedoch äußerst suspekt und sie stresste rum, dass ich „dieses seltsame flache Ding" nicht anrühren solle.

Ich äffte sie leise nach und schaltete den Bildschirm an. Es gab eine Auswahl von ca. 10 Filmen. Ich entschied mich für Forrest Gump.

Irgendwie bewunderte ich ihn. Besonders die Stelle, als er durch Amerika joggte bewegte mich.

Sogar ein Zurückgebliebener Typ schaffte es alles zurück zu lassen und los zu laufen. Warum schaffte ich das nicht?

Ich wusste die Antwort bereits. Weil ich zu sehr fest hing.

Meine Mum würde es nicht ohne mich schaffen. Seelisch und Körperlich. Sie war eine recht schmächtige Frau. Ich dagegen war hochgewachsen und sportlich. Mein wachsamer Blick erkannte sofort, ob es etwas zu tun gab. Egal ob es körperliche Arbeit oder Seelsorge betraf.

Meine Lehrerin sagte einmal, dass meine Grün-blauen Augen einem Menschen in die Seele schauen könnten. (Mum sagte, dass ich die Augen meines Erzeugers hätte. Ich wusste nicht, ob das stimmte, aber ich hätte nichts dagegen.)

Was mich wundert ist, dass meine Mum ihm irgendwie gar nicht böse war.

Wäre ich mit einem Kind in meinem Uterus sitzen gelassen worden, würde ich diesen Scheißkerl suchen, finden und kastrieren. (Vermutlich zum Wohl mehrerer Frauen)

Der Flug war eigentlich ganz entspannt (bis auf meine weltfremde Mum hat keiner herum gepanikt: „Oh Gott, hilf mir! Oh Gott... Oh Gott... „ D.E.N   G.A.N.Z.E.N     F.L.U.G.).

Als wir landeten, freute ich mich als erstes darüber, dass ich mal nicht auf das W-Lan eines Fasses angewiesen war, welches sich nach zwanzig Uhr automatisch ausschaltet (also das W-Lan :) nicht das Fass, obwohl das auch schön gewesen wäre), sondern auch mal den Vertrag (15 Dollar 99 Cent im Monat = normalerweise verschleudertes Geld) nutzen konnte und zweitens, dass meine Mutter nicht den Boden geküsst und „Danke Herr" gesungen hatte. (Ein Fortschritt)
Es dämmerte bereits, als wir die große Halle des Flughafens verließen. Tante Emergine hatte wahrscheinlich schon vorher ein Taxi bestellt, da alle anderen noch auf ihres warten mussten, während wir bequem in das direkt vor der Flughafentür geparkte Auto einsteigen konnten, da der Fahrer alle anderen weg gescheucht hatte und nur uns heranwinkte.

Ich wusste leider nicht, wie der Flughafen hieß oder in welcher Stadt genau wir uns befanden, aber ich freute mich trotzdem, dass ich meiner kleinen Hölle entkommen war.

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