"Guten Tag. Sie sind Miss Wallstrom, richtig? Ich hoffe, ich spreche es nicht falsch aus."
"Wallström, mit zwei Punkten über dem o, aber nennen sie mich einfach Emily."
"In Ordnung, Emily. Setzen wir uns doch erst einmal."
"Kein besonders weicher Sessel, den sie da haben."
"Woher kommen sie?"
"Schweden.""Geboren und aufgewachsen?"
"Wieso ist die Wand rot?"
"Wie bitte?"
"Wieso ist die eine Wand rot, und die anderen weiß?""Ich befürchte, ich kann ihre Frage nicht ganz einordnen."
"In diesem Zimmer ist alles weiß, bis auf die schwarzen, viel zu unbequemen Ledersessel, die komischer Weise mitten im Raum stehen. Alles hier ist schlicht und farblos, bis auf diese eine Wand hinter mir. Die ist rot. Wieso?"
"Ich höre eine Vermutung heraus."
"Hat sich Jemand in diesem Stuhl in den Kopf geschossen? Wurde die Wand rot gestrichen, weil man die Blutflecken nicht übermalen konnte? Das wäre, ehrlich gesagt, ziemlich cool."
"In diesem Raum hat sich niemand erschossen. Und die Behauptung finde ich, muss ich zugeben, sehr geschmacklos."
"Schade. Die Geschichte hätte ich gerne gehört."
"Sie wissen ganz genau, was sie mir da grade erzählen, richtig? Sie versuchen mit Absicht einen schlechten, ersten Eindruck bei mir zu machen."
"Nein. Ich bin ein naturelles Arschloch."
"Eine ziemlich krasse Behauptung, für eine Frau wie sie."
"Eine Frau wie mich?"
"Wenn ich es ihnen offen sagen darf, sehen sie aus wie die Unschuld in Person. Solange bis sie anfangen, zu reden."
"Eine Minute sitzen wir jetzt hier und sie glauben bereits, mich zu kennen."
"Ach, das ist nur mein erster Eindruck. Also, Emily; Weshalb sind sie hier?"
"Mir wurde langweilig. Die Schule ist vorbei, das College abgebrochen und die Wohnung frisch geputzt. Ich habe nichts zu tun."
"Und sie nutzen eine Therapie, um ihrer Langeweile zu entfliegen?"
"Hauptsächlich. Und ich erhoffe, ein paar coole Geschichten von vorigen Patienten zu hören."
"Tut mir leid, aber solche Informationen sind streng vertraulich."
"Na dann werde ich wohl wieder gehen müssen."
"Geben sie mir, und vor allem sich, doch noch eine weitere Chance. Bleiben sie noch ein wenig und wir finden heraus, ob die Stunde ihre Langeweile besiegt."
"Sie sind der Doc."
"Fangen wir doch damit an, uns ein wenig besser kennen zu lernen. Wann sind sie nach England gekommen?"
"Vor ein paar Monaten. Ich wurde von meinem Ex-Lover entführt, der mich jetzt zwangsgeschwängert hat, weil er die unfassbare Idee hatte, aus seinen zukünftigen Kindern die Donald Trump's der neuen Generation zu machen."
"Ich möchte nicht unhöflich sein, falls ich mich irre, aber das klingt mehr als fatal und ausgedacht.""Sie sind anscheinend doch ganz gut in ihrem Job."
"Weshalb sind sie wirklich von Schweden hier her gekommen?"
"Ich habe die Schule dort beendet und wurde hier an der Oxford University angenommen."
"Tatsächlich?"
"So seh' ich nicht aus, hm?"
"Darauf kommt es nicht an."
"Wow, ihre erste Notiz über mich in ihrem Tagebuch! Darf ich es lesen?"
"Streng vertraulich."
"Schon klar."
"Also, Emily. Sie sind nach England gekommen, um zu Studieren, haben jedoch abgebrochen, wie sie vorhin erwähnten. Taten sie das, weil ihnen ihre Kurse nicht zusagten oder gab es zu jener Zeit einen bestimmten Vorfall?"
"Ach, beginnen wir jetzt schon mit der ganzen Lebensgeschichte? Ich dachte, wir lernen uns erst einmal kennen."
"Da haben sie wohl recht. Dann fahre ich mit einer anderen Frage fort: Haben sie Freunde? Familie?"
"Darf ich ihnen vielleicht einmal eine Frage stellen?"
"Ehm, natürlich."
"Und legen sie den Notizblock bitte weg."
"Ok ... Wie alt sind sie?"
"Wieso grade diese Frage?"
"Ich hätte ja zuerst nach ihrem Vornamen gefragt aber ich glaube, der interessiert mich nicht. Ihr Alter jedoch, tut's. Für einen Job wie diesen sehen sie wirklich sehr jung aus. Nicht wie ein stereotypischer Therapeut, wie man ihn sich nun mal vorstellt."
"Wie haben sie sich mich denn vorgestellt?"
"Nun ja ... Das Hemd tragen sie ja, wie erwartet, aber ich dachte da eher an eine Brille, graue Haare, einen runden Bauch und ein kantiges Gesicht."
"Ich habe ein kantiges Gesicht."
"Ja, aber komplett Faltenfrei! Benutzen sie eine Creme dafür?"
"Doch, da! Wenn sie lachen sind da dünne, kleine Falten an ihren Augen."
"Schön, dass ich ihren Erwartungen langsam anfange zu entsprechen."
"Ich gebe ihnen fünf Jahre in diesem Job, dann sehen sie so aus."
"Ich fürchte, ich muss ab hier das Gespräch beenden. Die Stunde ist grade rum."
"Wirklich? Jetzt schon? Das waren doch keine sechtzig Minuten!"
"Tatsächlich schon. Und ich erwarte auch schon den nächsten Patienten."
"Na gut, sie wollen mich los werden. Ich geh ja schon."
"Ich hoffe, ihre Langeweile gestillt zu haben und sie nächste Woche zur selben Zeit wieder zu sehen."
"Ja, mal schau'n."
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99 Problems
Storie brevi"Wissen sie; Mein Leben ist zerstört. Und ich bin hier, damit sie es wieder reparieren." ©Bree Worsnop 2016 Cover & Story Breesnop