"Es freut mich, dich wieder zu sehen, Emily."
"Ja, tut mir leid das ich letzte Woche nicht erschienen bin. Mir war es, ehrlich gesagt, etwas peinlich hier zu erscheinen nach dem, was ich gemacht habe ..."
"Ist schon gut, Emily. Was zählt, ist, dass du wieder hier bist. Also, wie waren denn die letzten Tage? Ist etwas erwähnenswertes vorgefallen?"
"Ich hatte, wieder einmal, Streit mit Mason. Diesmal ging es um die Fernsehsendung auf Netflix, die wir uns vor dem schlafen gehen ansehen wollten."
"Und wie ist dieser Streit ausgegangen?"
"Ich habe mich angezogen und bin allein in eine Bar gegangen."
"Ich wusste nicht, dass du trinkst."
"Tu ich normaler Weise auch nicht. Nun ja, in Gesellschaft mit Freunden oder zu Feiertagen vielleicht. Aber ich brauchte das an diesem Abend einfach."
"Hat es dir geholfen?"
"Na ja, ich habe viel über mich nachgedacht."
"Das ist schön. Da können wir ansetz-"
"Und über dich."
"Über mich?"
"Ja, ich habe mich gefragt, wieso ich diesen Schritt gemacht habe. Wieso ich dich geküsst habe."
"Möchtest du wirklich darüber reden?"
"Ja, Eric. Das möchte ich."
"In Ordnung. Dann fahre fort."
"In dem Moment, bevor ich dich geküsst habe, schien es für mich so richtig. Du bist der einzige Mensch, dem ich alles anvertraut habe. Der einzige Mensch, der mich noch nicht hintergangen hat. Ich fühle mich jedes Mal so wohl, wenn ich bei dir bin."
"Emily, ich werde dir jetzt etwas erzählen."
"Ehm, ok."
"In der aller ersten Sitzung war das Erste, was du sagtest, eine Bemerkung über die Wand hinter dir."
"Ja, weil sie rot war. Das sie jetzt blau gestrichen ist, war mir noch gar nicht aufgefallen."
"Du hattest Recht mit dem, was du sagtest."
"Was sagte ich denn?"
"Ich hatte mal eine Patientin. Sie hieß Viola. Sie kam in diese Praxis, um sich Hilfe zu suchen wegen der Schwierigkeiten, die sie in ihrem Leben hatte. Sie durchlebte eine schwere Kindheit. Ihr Vater schlug sie, ihre Mutter ignorierte sie und sie fühlte sich nirgendwo willkommen, bis sie mich fand. Sie vertraute sich mir an und es verlief ähnlich wie bei dir. Sie fühlte sich in einer Weise zu mir und dem Vertrauen, was ich ihr schenkte, hingezogen. Und das Selbe empfand ich auch für sie. Ich verliebte mich in Viola, brach unsere Gespräche in der Praxis ab und begann mit ihr eine Beziehung. Doch das war nicht die richtige Entscheidung, denn ihre Probleme, welche sie dazu veranleiteten zu mir zu kommen, waren noch immer existent. Doch ich bemerkte es nicht. Ich war zu beschäftigt damit, mir ein Leben mit ihr aufzubauen. Wir zogen zusammen und bekamen ein wundervolles Kind. Alles lief soweit perfekt, doch ihr ging es noch immer nicht gut. Eines Tages, vor ungefähr einem Jahr, tauchte sie in meinem Sprechzimmer auf. Sie saß auf dem selben Platz, wo du gerade sitzt, Emily. Sie weinte. Sie kannte keinen Ausweg mehr. Sie zückte eine Waffe und schoss sich vor meinen Augen in den Kopf."
"Eric, ich ... Das ist furchtbar."
"Ich habe ein halbes Jahr lang kein Auge mehr zu getan. Die Renovierungen gingen vorran und irgendwann habe ich es geschafft, wieder diesen Raum zu betreten ohne diese Bilder zu sehen. Ich machte weiter wie bisher mit dem Schwur, mich nie wieder auf so etwas einzulassen. Und vor genau sieben Wochen kamst du hier rein."
"Eric..."
"Du trugst dieses geblumte Kleid und rochst nach Mentolzigarette und Kaffee. Du wirkest so taff und doch so hilflos. Mir war von Anfang an klar, dass unsere Geschichte kein gutes Ende nehmen würde, doch ich wollte dem eine Chance geben."
"Und jetzt möchtest du unsere Geschichte nicht mehr fortsetzen wegen der Angst, etwas ähnliches noch einmal durchmachen zu müssen."
"Emily, ich bin nicht dein Freund. Ich bin dein Therapeut. Ich werde dafür bezahlt dir zuzuhören und dir in gewisser Weise zu helfen. Doch ich kann dir nicht helfen wenn du mich als jemand Anderes wahr nimmst."
"Eric, ich verstehe nicht was du mir grade sagst ..."
"Du siehst in mir deinen Lebensretter, doch das kann ich für dich leider nicht sein. Deshalb werde ich unsere Gespräche ab hier beenden."
"Nein! Nein, ich kann das nicht so stehen lassen! Wieso sagst du mir soetwas, Eric!?"
"Du bist jetzt verwirrt aber hör mir einen weiteren Moment zu."
"Du hältst schon wieder meine Hand."
"Weil es dich beruhigt. Emily, ich kann es nicht anders sagen: Du hast dir aus mir einen Menschen geformt, der dir in deinem Leben fehlt. Jemand, dem du dich anvertrauen kannst. Bei dem du dich wohl fühlst und den du lieben kannst. Doch dieser Mensch kann ich für dich nicht sein. Es tut mir leid."
"Du hast versprochen, mich auf meinem Weg zu begleiten..."
"Und ich verabscheue mich zu tiefst, dieses Versprechen brechen zu müssen. Dennoch wirst du es ans Ziel schaffen."
"Ohne dich?"
"Versprich mir, dass du glücklich wirst, Emily."
"Ich kann das nicht, Eric!"
"Versprich es mir."
"Gut ... Ich verspreche es."
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99 Problems
Short Story"Wissen sie; Mein Leben ist zerstört. Und ich bin hier, damit sie es wieder reparieren." ©Bree Worsnop 2016 Cover & Story Breesnop