2. Sitzung

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"Sie sind zurück."

"Sehen sie ja."

"Es freut mich, sie wieder zu sehen, Emily. Setzen sie sich."

"Danke."

"Also, dann breche ich erst einmal das Eis und fange mit der simpelsten Frage an: Wie geht es ihnen?"

"Wie es mir geht? Ernsthaft?"

"Sie stört diese Frage."

"No shit, Sherlock!"

"Weshalb sind sie heute wieder hier, Emily?"

"Wissen sie; Mein Leben ist zerstört. Und ich bin hier, damit sie es reparieren!"

"Ich glaube nicht, dass ich das kann."

"Ich dachte sie sind verdammter Therapeut! Haben sie nicht zig Jahre studiert, um anderer Leute Probleme zu lösen?"

"Ich bin leider nicht allmächtig. Was ich kann, ist sie auf den richtigen Weg zur Lösung zu geleiten. Durch das Ziel werden sie jedoch allein schreiten müssen."

"Ach, poetisch sein lernt man in diesem Studium also auch!?"

"Wieso sind sie heute so sauer, Emily?"

"Ich bin immer sauer, nur heute bin ich so richtig pissed!"

"Gibt es etwas, was sie in diesem Augenblick beruhigen könnte?"

"Das Gesicht von Mason. Zermatscht und blutend auf dem Gehweg."

"Das sind ziemlich häftige Gedanken, die sie da aussprechen."

"Ich dachte in solchen Sitzungen macht man das so. Laut aussprechen, was man grade denkt und wie man fühlt."

"Und wie fühlen sie sich?"

"Wie ein benutzes Stück Klopapier. Voll mit Scheiße."

"Sie haben eine sehr bildhafte Fantasie. Darf ich an dieser Stelle schon fragen, wer dieser Mann ist, den sie eben erwähnt haben?"

"Mason? Er ist ein verlogener, egoistischer Psychopath!"

"In welcher Beziehung stehen sie zu ihm?"

"Haben sie eine Freundin, Doctor?"

"Ich glaube nicht, dass ich diese Frage beantworten möchte."

"Wie ist ihr Name?"

"Ich dachte, dieser interessiert sie nicht."

"Jetzt interessiert er mich."

"Whitman."

"Nein, ich will ihren ganzen Namen wissen."

"Eric. Eric Whitman."

"Ich hatte für sie etwas exotischeres im Kopf. Sowas wie Clyde, Cobey oder Lester."

"Sie finden meinen Namen nicht exotisch genug, Emily?"

"Wow, sie sprechen sogar Ironie. Ich bin beeindruckt."

"Und bereits viel ruhiger in der Stimme. Das freut mich."

"Hm, ja. Scheint so."

"Möchten sie mir erzählen, was sie eben so zur Weißglut gebracht hat?"

"Lieber nicht."

"Das ist völlig ok. Dann reden wir über etwas anderes. Sie haben sich entschieden, noch einmal zu kommen. Und das nicht etwa, weil sich ihre Probleme in Luft aufgelöst haben."

"Bis die weg sind, braucht es wohl mehrere Therapeuten und millionen Jahre dazu."

"Was das angeht bin ich eher ein optimist."

"Sie wissen ja auch noch gar nicht, wie viele Probleme ich eigentlich habe."

"Dann sagen sie es mir."

"Soll ich ihnen jetzt eine Zahl nennen?"

"Ja, warum nicht."

"Hm ... Neunundneunzig."

"Das ist eine sehr hohe Zahl."

"Und nur ein weiteres Problem fehlt, bis ich mich komplett zurück ziehe."

"Wie meinen sie das?"

"Meistens, wenn es mir schlecht geht, verkrieche ich mich für ein paar Tage im Bett, bis alle, einschließlich mir, wieder vergessen haben. Doch es sind zu viele Dinge passiert. Zu viele Dinge, vor denen man sich bald nicht mehr nur unter der Decke verstecken kann. Wenn es mehr werden, brauche ich schutz."

"Ich verstehe noch immer nicht, was genau sie damit meinen."

"Was ist dicker als Baumwolle und Schafsfell?"

"Ich glaube, sie müssen mir da ein wenig auf die Sprünge helfen."

"Erde."

"Sie meinen, wenn es ihnen zu viel wird, bringen sie sich um?"

"Von Selbstmord habe ich nie gesprochen. Ich spreche von dem Tod. Den Frieden unter der Erde. Bis auf Würmer gibt es nichts, was einen dort Probleme machen könnte."

"Zwar ist die Stunde schon um, jedoch würde ich gerne noch zu verstehen versuchen, was sie mir hier grade erzählen."

"Entschuldige, Eric. Auch ich muss meine Termine einhalten. Wir sehen und nächste Woche um die selbe Uhrzeit."

99 ProblemsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt