Blood Sucker

one

~ Erste Begegnungen...

"Ich weine nicht, weil ich traurig bin. Ich weine, weil ich zu lange stark war."

▪️HEATHER▪️

Das eigentliche Mysterium der Welt ist unser Leben.

Früher, bevor Vampire die Erde einnahmen, lebten über sieben Milliarden Menschen auf dem Planeten.

Heute sind es höchstens noch eine Millionen.

Wir sterben aus.

Und das ist auch gut so, finde ich.

Besser kein Leben als ein kurzes und qualvolles.

Das ist genauso wie bei Schokolade.

Besser Abstand davon halten als nur daran riechen zu dürfen. Das macht nur Sehnsucht.

Nicht das ich schon mal Schokolade gegessen hätte. Das ist uns Menschen untersagt.

Mein Vater hat mir mal den Geschmack davon "erklärt". Er sagte damals, es schmecke wundervoll.

Vielleicht werde ich ja mal Schokolade essen. Wenn ich im Himmel oder im Paradis bin oder so.

Ich sollte aufhören zu träumen...

▪️▪️▪️

"Nummer siebenunddreißig?"

Das bin ich. Ich bin Nummer siebenunddreißig.

"Ja, Miss Adler?"

Nur die "hohen Tiere" dürfen echte Namen tragen. Und ich bin kein hohes Tier. Ich heiße aber dennoch Heather.

Ich muss mich an diesen Namen Klammern und auf ein besseres Leben hoffen, um nicht zu vergessen, wer ich wirklich bin.

Und ich bin ganz sicher nicht Nummer siebenunddreißig.

"Der Herr hat sich eine Schokoladentorte gewünscht. Machen sie sich an
die Arbeit."

Der Herr.

"Natürlich, Miss Adler.
Kann ich sonst noch etwas tun?"

Ich will nichts mehr tun.
Meine Knochen tun weh und ich habe Kopfschmerzen.

Ich will einfach nur schlafen!

"Nein, das war's auch schon, Nummer siebenunddreißig. Achten sie gefälligst darauf, dass nicht zu viel Zucker in der Torte ist. Das mag der Herr nicht."

Ich nicke nur und lasse den Blick auf die Fliesen vor mir denken, um nicht in das strenge Gesicht meiner Aufpasserin zu sehen. Dann drehe ich mich um und mache mich an die Arbeit.

"Hey, siebenunddreißig!"

"Hi, achtzehn!"

Kurz lächele ich meine "Freundin" an und greife dann nach dem Zucker. Ihr weißer Kittel und ihre weiße Bluse sind verdreckt und sie sieht aus, als hätte sie sich im Dreck gewälzt.

"Was hast du denn gemacht?", lache ich leicht und kippe die Milch in einen Messbecher.

"Ich musste die Erdbeeren für den Herrn pflücken. Das Gewächshaus ist im Moment echt voll, da muss man ja halb über den Boden krabbeln."

Ich lächele, als ich die kindliche Stimme Achtzehn's höre und schaue mich nach dem Mehl um.

Sie drückt es mir in die Hand. "Danke", sage ich und hole das Backpulver aus einer der Schubladen.

Die Küche ist blitzeblank, offenbar hat das Putzpersonal glänzende Arbeit geleistet.

Ich reiche Achtzehn den Salat. "Bringe den bitte zu Nummer vierundzwanzig, ja? Das ist einer der Tafeldiener, der Prinz hat einen Snack bestellt."

Zaghaft nickt meine junge Freundin, lächelt ein letztes Mal und macht sich dann auf den Weg.

Kurz sehe ich ihr hinterher.

Sie ist erst fünfzehn Jahre alt und trotzdem so reif.

Ich mag sie.
Sie ist nett und fröhlich.

Ich verstehe manchmal nicht, wie sie so fröhlich sein kann.

Wir haben alle keinen Grund, fröhlich zu sein.

Ich beneide sie um ihre Unbeschwertheit.

▪️▪️▪️

"Nummer siebenunddreißig, ist die Torte fertig? Gleich wird das Dessert reserviert!"

Eifrig lege ich die letzte Kirsche in die Sahne, nicke dann und reiche ihn an einen der Tafeldiener weiter.

"Nicht fallen lassen!", rufe ich ihm hinterher und wische mir die Hände an einem Küchentuch ab.

Das wäre dann erledigt.

"Miss Adler? Habe ich noch etwas zu tun?"

Dem kühlen Blick meiner Aufpasserin entgehend und mit müden Augen streiche ich mir eine Strähne aus dem Gesicht.

"Bringen sie den neuen Wein in den Keller. Dann müssen Sie noch die restlichen Töpfe abputzen."

Müde nicke ich, drehe mich um und gehe zurück in die Küche. Dann in den Flur und in den Lagerraum.

Dort schnappe ich mir die zwei Weinflaschen und gehe damit in den Keller.

Ich ekele mich.

Ich sehe nämlich ganz genau, dass in den Flaschen kein Wein ist, sondern etwas ganz anderes.

Seufzend schlängele ich mich durch die Regale. Vor einem der Ultra alten Jahrgänge bleibe ich stehen und sortiere die "Weinflaschen" ein.

"Mögen sie Blumen?"

Ich zucke heftig zusammen.

Diese tiefe, männliche Stimme kommt mir verdammt bekannt vor...

▪️▪️▪️