Kapitel 13

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Aiden schlug die Augen auf und blickte geradewegs in das blutverschmierte Gesicht seines Bruders. Er hatte schlecht geträumt und war erfreut, Lucien zu sehen, auch wenn die Lage misslich war.
„Lucien, was ist das?" In seiner Stimme lag ein ernster Unterton.
„Keine Sorge, Bruder, das war nur ein Tier aus dem Wald. Ich war heute nicht im Stande einen Menschen zu töten."
Ein Stein fiel von Aidens Herz. Sein Bruder würde sich wenigstens einen Tag zurückhalten.
„Was war mit dir los?" Lucien klang besorgt. „Ich hab dich schreien hören."
Aiden grummelte nur. „Nur schlecht geträumt."
‚Nur' war in diesem Falle maßlos untertrieben. Er hatte es vorausgesehen, das Ende seiner Spezies. Klar und deutlich wurde jeder Dämon in seinem Albtraum auf brutalste Weise ermordet, es tat weh daran denken zu müssen. Die einzige Hoffnung, dem fatalen Schicksal zu entrinnen war die Hexe aus der Prophezeiung. Wie konnte sie gefunden werden? Irgendeinen Hinweis musste es doch geben! Langsam richtete er sich auf und stieg aus seinem Bett. Riesengroß und kunstvoll geschnitzt prangte es mitten im Raum, dessen Decken so hoch wie Drachen groß waren, vor der riesigen Fensterfront, welche direkt auf den Garten blicken ließ.
Aiden schlich vorbei an den bestickten Vorhängen aus Seide, schob sie vorsichtig beiseite und betrachtete die Blumenpracht, die seit Jahren schon hier erblühte. Welch Ironie des Schicksals, dass eine der schrecklichsten Kreaturen ein solches Auge für Schönheit hatte. Sorgsam und ordentlich blühte jede Blume an ihrem vorgeschrieben Platz, das Bild reiner Perfektion. Aiden schmunzelte bei dem Gedanken, ein menschenfreundlicher, perfektionistischer Dämon zu sein. Die meisten der Dämonen waren bloß intolerant und auf ihren eigenen Vorteil bedacht. So zumindest war das Leben als Dämon einfach. Ein einfaches Leben zu führen schien Aiden suspekt. Dafür war er nun viel zu lange Jahre schon ein Dämon. In den Anfängen seines Lebens hatten ihm einige Gräueltaten Spaß bereitet, bis er sich schließlich dazu entschied Verantwortung zu übernehmen. Der Platz als ignoranter und selbstsüchtiger Prinz galt nun seinem Bruder, auch wenn dieser tief in seinem Inneren diese Eigenschaften nicht besaß. Viel mehr wurden sie ihm zugeschrieben und er hatte sie angenommen. Lucien war schon immer das schwarze Schaf der Familie gewesen, durch seine Arroganz baute er eine Art Mauer zum Schutz auf.


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