-2- [Seto's Sicht]

429 29 9
                                    

Ich brauchte dringend eine neue Sekretärin. Die letzte war ein solcher Reinfall gewesen. Nie machte sie was richtig und kostete außerdem auch noch das Geld meiner Firma. Unerhört! Hochkantig warf ich sie raus. Mir doch egal, was aus ihr, oder ihrer Familie wird. Ich bin nämlich nicht auf sie angewiesen, sondern sie auf mich. Mir wird ganz anders, wenn ich daran zurückdenke, wie sie einmal Kaffee über meinen teuren Mantel verschüttet hat. Natürlich aus Versehen, wie sie mir unter Tränen beteuerte. Den Mantel konnte ich trotzdem wegschmeißen. Die Reinigung konnte sie sowieso nicht bezahlen, also bekam sie auch weniger Lohn von mir. Ist doch wohl gerecht, oder?

Trotzdem brauche ich jetzt Ersatz. Wer sonst soll meine ganzen Meetings bewirtschaften? Für solchen Papierkram habe ich nämlich gar keine Zeit, denn Zeit ist Geld und ich verschwende nicht gerne etwas davon. Es sei denn, es geht um Mokuba. Für ihn würde ich alles tun. Ausser die Firma komplett sausen lassen, versteht sich.

Wörter, wie ,,Feierabend", oder ,,Pause" existieren in meinem Wortschatz nicht. Ich arbeite auch dann, wenn ich schlafe. Nun ja, da arbeitet mein Gehirn wenigstens und formt irgendwelche Bilder, die mir dann als Traum erscheinen. Den letzten Traum, den ich hatte, der ist ewig her. Es war zu der Zeit, als ich gegen Yugi verloren habe und meinen Titel als weltbester Duellant an ihn abgeben musste.

Pah, Herz der Karten und die Macht der Freundschaft. Diesen Quatsch kann Yugi von mir aus seinem Großvater verkaufen, aber nicht mir, dem grossen Seto Kaiba. Sowas gibt es nicht. Auf dieser Welt geht es allein darum, wer viel Geld besitzt, denn Geld bedeutet Macht. Jedenfalls hat mir das Gozubaru immer eingeredet. Mein Stiefvater musste es ja wohl am besten wissen, denn immerhin hat er dieses Imperium ja vor mir geleitet. Doch dies ist meine Vergangenheit, die gemeinsam in den Trümmern des ,, Duellturms" auf Alcatraz vergraben liegt.

Ein Stapel Bewerbungsunterlagen liegt auf meinem Bürotisch. Inzwischen habe ich ihn in zwei Hälften aufgeteilt.,, Unbrauchbar" der eine - ,, Vorstellbar" der andere. Wobei der erste viel grösser ist, als der andere, denn bisher haben nur sehe wenige meinem Kriterium entsprochen, welches unvorstellbar hoch gesetzt ist. Wer für mich arbeitet, ist gleichzeitig mit der Kaiba Corporation ,, verheiratet". Beides erwartet Treue und äusserste Diskretion ihrer Mitarbeiter. Sonst funktioniert sowas nicht. Die Hälfte der Unterlagen habe ich bereits aussortiert. Nichts brauchbares dabei. Bis mein Blick  auf eine Mappe fällt, die anders ist, als die der vielen Bewerber davor. Sie ist kreativ gestaltet und sticht sofort ins Auge.

Hmm, der Lebenslauf klingt auch  nicht schlecht und schon vom Optischem her würde sie perfekt in mein Büro passen. Das will bei mir schon  was heißen, denn normalerweise landen solche Akten ungelesen im Papierkorb. Wer bei mir arbeiten möchte, der sollte gewisses Potenzial mitbringen - von dem diese Frau scheinbar sehr viel übrig hat.

,,Jean White". Allein ihr Name hat eine geheimnisvolle Wirkung auf mich. Dahinter verbirgt sich sicher eine interessante Lebensgeschichte, die ich nur zugern erfahren würde. Moment mal, was ist auf einmal los mit mir? Seit wann interessiert mich das Leben anderer Leute? Daran ist bloß Yugi mit seinem ständigen Gequatsche von Gleichberechtigung schuld. Niemand sonst!

Gefühle bedeuten Schwäche und Schwäche lasse ich nicht zu. Wäre ja noch schöner! Soll sich Yugi und der Kindergarten um sowas kümmern, wie ich seine Freunde gerne bezeichne. Ich brauche sowas nämlich nicht - es steht sowieso nur nutzlos im Weg herum. Freunde sind doch nur Menschen, die Zeit vergeuden.

Ich fahre nun meinen Laptop hoch und nippe an meinem Kaffee, welcher bereits lauwarm ist. Als der Rechner hochgefahren ist, erscheinen nach wenigen Sekunden bereits unzählige Tabellen. Doch um diese werde ich mich erst später kümmern. Zuerst öffne ich ein Worddokument, um einen Vorstellungsgesprächbrief zu verfassen. Zum ersten Mal ist mein Kopf leer und schwer, wie Blei. Der Kaffee hilft da auch nicht mehr. Scheinbar ist mein Körper immun gegen Koffein geworden - so viel, wie ich von diesem Zeug in den letzten Jahren getrunken habe. Mein übertriebener Workaholicmus ist schuld daran. Ich tue das alles nur für Mokuba, denn er soll die Kindheit haben, die ich nie hatte. Seine Träume zu verwirklichen ist mein oberstes Ziel. Mit dem Bau von ,,Kaibaland" habe ich bereits ein Stück davon realisieren können. Egal, was sich Mokuba auch wünscht, ich werde es ihm ermöglichen.

Blaue SaphireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt