Verflixt, da habe ich mir ja was ganz schönes eingebrockt. Wieso musste ich auch mit meinem Wissen über ,,Duel Monsters" vor der Nase meines Chefs bloß herum prallen? Sicher hält dieser mich jetzt für eine Spitzenduellantin. Hast du echt super hinbekommen Jean - Respekt!
Ich scheine das Unglück echt magisch anzuziehen. Erst die Trennung meiner Eltern direkt nach meiner Geburt, dann das Mobbing in der Schule und jetzt auch noch Setos Duellvorschlag. Schlimmer kann es nun wirklich nicht mehr für mich kommen, oder? Ich hätte mit meinem Deck sowieso keine reale Chance gegen ihn - dafür sind seine Drachen eh viel zu mächtig. Da helfen die guten Tipps nichts, die mir Yugis Großvater mit auf den Weg mitgab. Yugi hat mir danach auch nicht erzählt, dass Seto den vierten Drachen mit eiskaltem Blick einfach vor seinen Augen zerrissen hat, was ich nun wirklich nicht fassen konnte. Wieso sollte Seto zu so einer Schandtat fähig sein? Sowas verletzte doch wohl die Ehre jedes Duellanten? Diese Geschichte fand ich mehr, als nur verrückt. Doch ich hatte jetzt gar keine Zeit, um weiter über die Vergangenheit nachzudenken - immerhin war ich meinem Vorgesetztem ja noch eine klare Antwort schuldig. Er würde es sowieso merken, wenn ich mir irgendwelche Ausreden einfallen ließe, aber einen Versuch war es auf alle Fälle trotzdem wert.
,,Ich habe leider keine eigene Duel Disc." Das entsprach immerhin der Wahrheit, denn mit dem Geld, das ich für meine Bücher bekam konnte ich mir so ein modisches Teil niemals im Leben leisten. Zu kostenpflichtig der ganze Apparat. Qualität hatte halt ihren Preis.
,,Das ist doch überhaupt kein grosses Problem, Jean. Wir haben unzählige davon, nicht wahr Seto?", mischte sich auch noch Mokuba in dieses Desaster ein, worauf der ältere Kaiba stumm nickte. Ich hätte mir echt was viel besseres einfallen lassen sollen, aber selbst dafür hätte Seto sicher eine konkrete Lösung parat - so schätzte ich ihn jedenfalls ein. Und was nun? Würde ich mich duellieren, dann würde mich Seto zu Kleinholz verarbeiten. Täte ich das widerum nicht, dann wäre ich meinen liebgewonnenen Job wohl los, denn Seto war ein Mensch, der einfach kein Nein akzeptierte und duldete. Schweißperlen bildeten sich nun auf meiner Stirn. Seit wann versagte die Klimaanlage in diesem Büro? Oder war mir nur so fürchterlich heiß, weil ich mir ernsthafte Sorgen um meine berufliche Zukunft machte?
Ich wollte die beiden Kaibabrüder um nichts auf dieser Welt verlieren. Selbst, wenn ich dafür absichtlich gegen Seto verlieren müsste - die Stelle als persönliche Sekretärin war es mir auf alle Fälle wert. Doch dazu würde es mein Boss niemals kommen lassen. Nicht umsonst hatte er sich vorhin mein Deck angeschaut, welches aus Monster, Zauber und Fallenkarten bestand. Ein guter Mix erhörte schließlich die Gewinnchance - nach ja, laut Yugis Worten jedenfalls. Doch jene halfen nicht besonders viel, wenn man einem Kaiba als Gegner hatte. Da half selbst die beste Strategie nichts.
Mit jeder weiteren Minute, die verstrich wich auch meine Gesichtsfarbe. Ich ähnelte jetzt sicher einer Mumie aus Ägypten. Wieso half mir bloß niemand?
Ich bemerkte noch nicht mal, wie Mokuba mit einer Duel Disc zurückkam. Erst, als er damit wie wild vor meiner Nase herum fuchtelte, kehrte ich in die Wirklichkeit zurück. Konnte er nicht besser darauf aufpassen? Wenn dieses Teil kaputt gehen würde, dann würde Seto mir sicherlich die Schuld in die Schuhe schieben. Da ging ich gerne jede Wette ein. Ich saß verdammt nochmal in der Klemme. Trotzdem kreisten meine Gedanken wie ein Karussell wild umher. Würde ich eine Niederlage überhaupt verkraften? Wenn mein Gegner nicht Seto wäre, dann wäre das vorstellbar, aber so - NO WAY! In meinem Bauch kribbelte es nämlich jedes Mal aufs neue ganz hälftig, wenn ich meinen Chef nur ansah. Dazu kamen noch diese unbeschreiblich schönen Glücksgefühle. Hatte ich mich etwa in Seto Kaiba verliebt? Was war Liebe denn überhaupt? Gab es sowas auf dieser Welt? Jedenfalls wurde mein Herzklopfen in seiner Nähe immer stärker und ich fühlte mich so, als wäre der Fußboden aus Watte, dabei war er mit einem teuren blauen Teppich ausgelegt worden. War das normal, wenn eine Frau verliebt war?
Ich sah alles irgendwie durch eine rosarote Brille, bekam nichts richtig mit. Das würde bestimmt Mahnungen hageln.
,,Also was ist denn nun mit dem Duell?" Mokuba wurde langsam, aber sicher ungeduldig und das übertrug sich leider auch auf seinen Bruder.
,,Ähm..." Ich suchte nach passenden Worten, als Seto meine Gedankengang folgendermaßen abschnitt :,, Du wirst doch nicht etwa kneifen, oder Jean?" Ich und kneifen? NIEMALS! Ein wahrer Duellant stellte sich jeder Herausforderung - selbst, wenn er so drittklassig war, wie Joey Wheeler. Wow, jetzt war es also soweit - ich verglich mich schon mit Joey. Gegen ihn persönlich hatte ich ja nicht das geringste, nur war er in meinen Augen ein echt miserabler Duellant. Der dritte Platz war also genau massgeschneidert für ihn.
,,Niemals! Ich bin doch nicht von schlechten Eltern!" Diese Worte würde ich noch später bitter bereuen. Wieso konnte ich nicht einfach im Erdboden versinken und die Sache wäre erledigt. Ich und mein verdammt grosses Mundwerk. Gab es jetzt wirklich nichts auf dieser Welt was mich vor dieser Blamage hätte retten können? Ich würde hochkantig verlieren und Seto würde es mir noch sehr lange unter meine Nase reiben, denn ich wusste ganz genau, wie er mit Verlierern umging. Nicht grade sanft, dass musste man ihm echt lassen.
Jetzt führte wohl kein Weg mehr dran vorbei. Hier würde mir nur ein echtes Wunder helfen, doch diese passierten nur, wenn man sie sich nicht grade sehnlichst wünschte. Ich sah mich schon durch die Pforten der Kaiba Corporation gehen.
