3.

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Markus

Ich sah, wie sie auf dem steinharten Boden lag. Wie sie da lag, schien es fast so, als würde sie tief und fest schlafen. Der Eimer in meiner Hand war vollgefüllt mit Wasser. Hinter mir waren die zwei anderen, die nichts von ihrem Glück mitbekamen, bald sterben zu müssen. Bis sie das bekamen, was sie verdient hatten. Ich brauchte sie nicht mehr, sie würden mir nur im Wege stehen. Ich musste mich gedulden bis der Augenblick kam an dem ich die Erlaubnis dafür bekam sie um zu bringen. Dann würde sie endlich mir gehören, mir allein. Keiner stünde uns mehr im Wege unseres Glücks. Sie wäre endlich frei.
Behutsam stellte ich den Eimer neben dem Mädchen und mit dem Wasser reinigte ich die Wunden, die ihr bereits zugefügt worden waren.
Ich bemerkte, wie sie anfing zu zucken. Ein Anzeichen dafür, dass sie wach wurde oder das sie an großen Schmerzen litt.
Ich machte unberirrt weiter. "Wann kriegen wir das, was uns versprochen wurde?", fragte Andy. Andy, der es gewagt hatte sie anzufassen. Der, der als erster sterben wird. Der, der es am meisten verdient hatte.
Meine volle Konzentration lag bei der Säuberung und Verarztung der Wunden.
"Geduld." Ich merkte, wie meine Stimme das wiederspiegelte, was ich fühlte. Pure Wut.
Ich spürte, wie ihr Herz ungleichmäßig pumpte, hörte, wie sie kurz vor Schmerz aufstöhnte.
Die Wut hatte sich also nicht nur an meiner Klangstimme bemerkbar gemacht, sondern auch in meinen Händen, die nun zu fäusten geballt waren. Jeder weiterer Handgriff wurde zu einer Tortur. Ich hätte ihm am liebsten eine rein gehauen, ihn zu Boden geschmissen und ihn in den Tod geschickt, aber das konnte ich noch nicht. Ich brauchte ihn und das ließ meine Wut nur noch größer werden.
Das Mädchen zuckte. "Ist das Alles, was du zu sagen hast? Geduld? Und wie lange soll die Geduld noch auf sich warten lassen? Auf was wartest du denn überhaupt?" Ich hasste diese Ungeduld. Schnellen Schrittes trat ich neben ihn. Meine Hände noch immer zu fäusten geballt und mein Gesicht voller Rage. "Wenn du jetzt nicht sofort die Klappe hältst, dann wirst du niemals das bekommen, was du willst." Mein Blick wanderte von seinem Gesicht zu dem was hinter ihm stand. Ich wendete mich zurück zu ihr, wollte ihre Wunden verarzten, doch da packte mich Andy an der Schulter. Jetzt hatte ich eindeutig genug gehabt. Endlich konnte ich meine ganze aufgestaute Wut auslassen und er hatte es mir ganz leicht gemacht. Er gab mir einen Grund ihm den Rest zu geben. Ich drehte mich um und schlug ihm direkt ins Gesicht, so stark, dass er sofort zu Boden ging. Ich nahm mein Taschenmesser aus meiner Hosentasche und setzte mich auf ihn. Mein Messer auf seiner Kehle gerichtet, kam ich seinem Gesicht näher und flüsterte: "Das ist die Strafe für deine Ungeduld." Ich stach ihm in die rechte Bauchhälfte, hörte wie er direkt neben meinem Ohr Schrie. Ich genoß diesen viel zu kurzen Moment zwischen Leben und Tod. Ein Moment, an dem sich entschied, was für ein Mensch du wirklich warst. An dem alle Erinnerung des Lebens wieder hoch kamen, doch er hatte nicht die Erlaubnis diesen Moment so lange zu genießen, hatte es nicht verdient sich nochmal an die schönen Dinge des Lebens zu erinnern, durfte nicht einen Augenblick etwas wertschätzen, sollte unglücklich sterben. Und genau so war es. Er konnte mich noch nicht mal anbetteln, ihn am Leben zu lassen, bevor er seinen letzten Atemzug genommen hatte. Ich atmete einmal genüßlich ein. Es gab mir das Gefühl, ich wäre derjenige, der ihm das letzte Stückchen Leben aus der Lunge hauchte und ich würde alle seine Erinnerungen und Gedanken in mich aufnehmen. Der Moment war vielleicht sehr kurz, aber ich erschöpfte daraus mehr Kraft und es gab mir das Gefühl näher an meiner Frau zu sein, wie schon seit langem nicht mehr. Ich wusste auch, dass dieser Moment nicht in allzu weiter Ferne lag, da es ja auch noch den anderen Typen gab, der auch sterben musste. Auch bei ihm würde es schnell gehen. Er war nutzlos. Er war nicht wichtig, dennoch ein Teil des Ganzen. Er war nur ein Beweis, dass vernichtet werden musste. Da sein Leben mich auch nicht interessierte, wollte ich mich auch nicht zu lange mit ihm beschäftigen. Er war es schlichtweg nicht wert. Ich nahm den Kübel voll Wasser und ging hinaus. Für ihre Wunden hatte ich später auch noch genug Zeit. Ich gab ihr einen kleinen Kuss auf die Stirn und blickte in ihre Augen. "Keine Sorge. Du wirst nicht so sterben, wie er. Ich werde mich um dich kümmern, werde dich beschützen, werde dich so lange behüten bis deine Zeit gekommen ist. Für dich werde ich mir Zeit lassen. Du wirst voller Erinnerungen sterben. Du wirst aus einem guten Grund sterben. Nicht wie er." Ich blickte auf Andy und er widerte mich noch immer an, obwohl er nichts sagte, aber allein sein Anblick genügte, um ihn zu hassen. Ich spuckte auf ihn. Noch nicht mal etwas wie der Tod hatte er verdient. Da er dann nichts mehr spürte. Er hatte es nicht verdient, sogar für einen kurzen Augenblick das Schöne in seinem Leben zu erkennen. Er hätte leiden sollen. Jeden Tag hätte er seine Familie sterben sehen sollen. Immer wieder aufs neue. Immer auf eine Andere Art und Weise. Aber so eine große Macht hatte ich leider nicht. Diese Macht war mir nicht gewehrt.

Plötzlich Entführt: überarbeitete VersionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt