Kapitel 10 - Das Mädchen mit dem Blumenkranz

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Armerias Strassen waren voll von geschäftigen Händlern, staunenden Touristen und allerlei Strassenkünstlern.

Julius hatte Galloppa in die Unapila gerufen, und wir gingen langsam an den umliegenden Marktständen vorbei. Der Duft von frischem Brot stieg mir in die Nase und sofort knurrte mein Magen, ich hatte seit Ewigkeiten nichts mehr richtiges gegessen. Was ich nur für ein warmes Brötchen gegeben hätte... Aber wir hatten nur wenig Geld und mussten dieses sparen. Denn was wir tun würden, wenn wir das Piscis gefunden hätten, wussten wir nicht. Irgendwie waren wir total planlos und unorganisiert, so wie wir dreckig und in Begleitung schlammverkrusteter Pokémon die belebte Strasse hinunter tappten.

"Zieh nicht so ein Gesicht", meinte Julius aufmunternd. "Du siehst aus, als wärst du Arceus persönlich über den Weg gelaufen."
"Ich überleg mir nur, wie das alles nach dieser Sache weitergehen wird. Wahrscheinlich werden wir verhungern..."
"Mach dir nicht zu viele Gedanken über die Zukunft. Das ist Irrsinn. Du musst im Moment leben, im Jetzt."
"Aber die Zukunft wird irgendwann auch zur Gegenwart!"
"Ja. Aber wenn du dir jetzt, wo es dir prima geht, Sorgen um die Zukunft machst und dann später, wenn es dir dreckig geht, Sorgen über das Jetzt machst, dann machst du dir doppelt Sorgen und das bringt's nicht."
Ich hob bloss die Augenbrauen und fragte: "Was?" Ich verstand rein gar nichts.
"Anders gesagt: Wer sich sorgt, der leidet zwei Mal."
"Du bist bescheuert", zischte ich genervt.
"Danke."
Irgendwie hatten wir unsere Fähigkeiten überschätzt, als wir dachten, wir wären in der Lage, in einer mittelgrosser Stadt voller Menschen, den Weg zu einem bestimmten Lokal zu finden. Wann immer wir jemanden nach Piscis fragten, wurden wir in eine andere Richtung geschickt.
"Oh, das ist doch dieser neue Karpadorzirkus!" Nö, weit daneben.
"Einfach immer nach Westen!" Äh, warum sagte dann der Nächste, wir sollten nach Südosten?
"Ich weiss es nicht, aber fragt doch ein wenig herum!" Ach, und was taten wir grade?
Kurz gefasst: Wir irrten beinahe den ganzen Morgen von Strasse zu Strasse. Die Leute waren alle so zerstreut und hektisch, einmal wäre Kan fast von einer Kutsche überfahren worden.
Zur Mittagszeit setzten wir uns auf eine Bank in einem grün blühenden Park und knabberten an unserem Proviant. Wilde Sonnkern hüpften über die Wiesen, Vivillons flatterten durch die Blumenfelder und Vegimaks prügelten sich im Schatten der Bäume. Der Ort hatte etwas Beruhigendes.
Und dann war da dieses Mädchen, das barfuss über das Gras lief und dabei leise vor sich hersang. Sie hatte eine liebliche Stimme, so hell und warm wie ein kleines Flämmchen. Ich beobachtete sie genauer.
Ihr langes schwarzes Haar wippte mit ihren Schritt, sie trug ein buntes Kleid und auf dem Kopf einen prächtigen Kranz aus vielerlei Blumen.
Und als sie sich umdrehte und uns bemerkte, lächelte sie und winkte uns zu. In der einen Hand hielt sie einen Korb voller Rosen und ihre Haut war von der Sonne gebräunt, was ihren golden funkelnden Augen eine ganz besondere Erscheinung verlieh.
"Mann, sie ist wunderschön", raunte mir Julius zu.
Ja. Ja, das war sie.
Julius winkte ihr ebenfalls, ich war allerdings zu idiotisch um irgendetwas anderes zu tun als sie anzustarren. Und zu meinem Pech kam sie gradewegs auf uns zu.
"Guten Morgen!", sagte sie freundlich, auch wenn es bereits fast Nachmittag war.
"Hey." Julius schenkte ihr sein selbstbewusstestes Grinsen und fuhr sich durch die Haare. "Für wen sind die Blumen?"
"Ich verkaufe sie. Möchtet Ihr welche? Sie sind doch wunderschön."
"Nicht annähernd so schön wie Ihr", erwiderte Julius und ich verdrehte die Augen. Zu meinem Erstaunen lief das Mädchen nicht einmal rot an.
Ihre Mundwinkel zuckten bloss kurz nach oben und sie sagte: "Dankesehr."
Ich musterte ihr Gesicht genauer, die dunklen Augenbrauen und schwach sichtbaren Wangenknochen. Ich kam zum Schluss, dass sie etwa so alt war wie wir beide.
"Öhm, eine Frage. Kennt Ihr zufälligerweise einen Ort, der sich das Piscis nennt?"
Sie blinzelte kurz. "Ja. Ich glaube, das ist ein überteuertes Restaurant am Meer. Wieso?"
"Könntet Ihr uns hinführen?" Julius zeigte sein unwiderstehliches Lächeln.
Du schummelst, dachte ich genervt.
"Selbstverständlich", antwortete sie entzückt, "aber lasst uns mit dieser Höflichtuerei aufhören. Das erinnert mich an diese arroganten Geschäftsmänner aus Kerbeo."
"In Ordnung. Mein Name ist Julius, das hier ist Jack."
Zum ersten Mal fiel ihr Blick auf mich. Ihre goldenen Augen schienen mich regelrecht zu durchbohren, ich fühlte mich richtig unbehaglich und stammelte einfach "Hi", was in meinen Ohren ziemlich bescheuert klang.
Aber Arceus sei Dank kicherte sie leise.
"Na dann, ich zeig euch das Piscis. Oh, und ich heisse übrigens Maya. Maya Merano."

31.12.16
(Bin auch mal wieder dazu gekommen, was zu schreiben ^^")

Golden Fire - Eine Pokémon FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt