Emma
„Der Bundesstaat New York verurteilt Sie im Namen des Volkes, wegen Unterlassung der Aufsichtspflicht und Misshandlung von Schutzbefohlenen, zu fünf Jahren bedingter Haft."
Der Richter erzählt noch etwas von rechtskräftig und Bewährung, doch über das Rauschen in meinen Ohren gehen seine Worte unter. Die ganze Zeit über versuche in den Blick meines Dads aufzufangen, doch er weigert sich immer noch mich anzusehen. Das geht jetzt so, seit er in das Polizeiauto verfrachtet und mich blutend im Rettungswagen zurückgelassen hat. Ich wollte mich entschuldigen, ihm erklären, dass ich nicht wütend auf ihn bin und mit ihm über Mom sprechen. Er ist doch alles, was ich jetzt noch habe, doch er sieht mich nicht einmal an! Der Staatsanwalt hat bei der Befragung wirklich ganze Arbeit geleistet und ihn innerhalb von zwei Fragen auf ein Geständnis festgenagelt, das er sichtlich bereut. Fünf Jahre soll er jetzt im Gefängnis verbringen? Was wird denn dann aus mir? Als hätte der Richter meine Frage gespürt, richtet er seinen strengen Blick auf mich.
„Emma Emilia Andersen wird aufgrund fehlender Angehöriger in die Obhut des Jugendamtes übergeben."
Er sagt noch etwas über eine staatliche Einrichtung, doch auch das geht in dem zunehmend lauter werdenden Rauschen unter. Mir fällt es immer schwerer, richtig Luft zu bekommen. Meine Finger fühlen sich taub und eiskalt an. Alles was ich will, ist mit meinem Dad reden. Er muss mir nur fünf Minuten lang zuhören, damit ich ihm alles erklären kann.
Als sich im nächsten Moment die Anwälte erheben und der Richter den Raum verlässt, atme ich erleichtert auf. Jetzt kann ich mit meinem Dad sprechen. Doch als ich aufstehe und in seine Richtung gehe, werde ich von meiner Sozialarbeiterin sanft am Arm zurückgehalten. Sie ist so vorsichtig mit mir, das macht mich jedes Mal total sauer. Am liebsten würde ich ihr meine Wut ins Gesicht schreien, doch als ich das beim letzten Mal tat, wurde ich von drei Krankenschwestern niedergerungen und mit Beruhigungsmitteln vollgepumpt. Auf eine Wiederholung kann ich echt verzichten.
„Ich will mit ihm sprechen", sage ich deshalb ruhig und sehe der jungen Frau ins Gesicht, damit sie sieht wie ernst es mir ist.
„Das ist leider nicht möglich, Liebes." Es klingt tatsächlich so als würde es ihr leidtun. „Sie bringen ihn gerade hinaus."
Ein Polizist führt meinen Dad in Handschellen ab. Als sie an uns vorbeikommen, rufe ich nach ihm, doch er macht sich nicht einmal die Mühe, in meine Richtung zu sehen.
„Daddy!" In diesen einem Wort steckt so viel Schmerz, dass ich mich kaum noch auf den Beinen halten kann als es meinen Mund verlässt.
Ich bekomme keine Luft mehr. Als ich meinem Dad hinterherlaufen möchte, werde ich vom Klang meines Namens aufgehalten. Ich erstarre als ich die Stimme erkenne und habe Mühe, mich nicht auf ihn zu stürzen. Es ist seine Schuld!
„Emma, bitte sieh mich an", fleht mein ehemals bester Freund hinter mir.
Ich weiß, dass er dort mit seinen Eltern steht, die mich ebenfalls flehend betrachten. Ich kann die mitleidvollen Blicke in meinem Rücken spüren.
„Emma ..."
Ich wende mich der leidvollen Stimme zu und sehe in die tieftraurigen Augen von Mason Jones, dem Jungen, dem wir diesen Gerichtstermin zu verdanken haben. Meine Hände ballen sich zu festen Fäusten und ich zucke zusammen als die Verbände an den Schnittwunden reiben. Als ich hinuntersehe, bemerke ich wie Blut durch den Verband sickert. Ich zupfe die Ärmel meiner Jacke weiter hinunter, damit sie die restlichen Schnittwunden an meinem Armen und Händen verbergen. Ich wünschte, dass könnte ich auch bei meinem Gesicht machen. Doch die Schnittwunden dort lassen sich nicht so einfach verstecken.
Die Geschworenen schnappten laut nach Luft, als man ihnen das Ausmaß meiner Verletzungen zeigte, die mein Vater zu verantworten hatte. Ich erklärte ihnen, dass es genauso meine Schuld war, doch sie hörten mir gar nicht richtig zu. Der Staatsanwalt spielte meine Verteidigung als fehlgeleitetes Pflichtgefühl hinunter und stellte mich als misshandeltes Kind dar. Ich hatte keine Chance, richtig zu Wort zu kommen.
„Verschwinde", bringe ich irgendwann wütend heraus, als Mason sich mir zu nähern versucht.
„Emma, bitte lass mich doch – "
„Ich sagte, du sollst verschwinden!" fauche ich so laut, dass er zusammenzuckt.
Die Sozialarbeiterin legt mir beruhigend die Hand auf die Schulter, doch es liegt auch eine Warnung in dieser Geste. Sie wird mich wieder mit Beruhigungsmitteln ruhigstellen, wenn ich eine Szene mache. Im Moment ist mir das jedoch egal. Mir ist alles egal. Denn als Mason noch näherkommt und seine Hände nach mir ausstreckt, verliere ich das letzte bisschen Selbstbeherrschung und raste aus.
„Ich hasse dich!", schreie ich laut und schlage seine Hände von mir weg. Das Geräusch dröhnt als Klatschen durch das Gerichtsgebäude und zieht die Aufmerksamkeit aller Anwesenden auf uns. Sie alle wollen sehen, wie das misshandelte Mädchen den Verstand verliert. Ich würde ihnen eine passende Show liefern. „Du hast mein Leben zerstört! Wie konntest du das tun? Das ist alles deine schuld! Deine schuld!"
„Emma, beruhige dich!" Die Sozialarbeiterin hält mich zurück als ich kurz davor bin, mich auf Mason zu stürzen. An seine Eltern gewandt, rät sie: „Sie sollten jetzt gehen. Das regt sie zu sehr auf."
Doch Mason denkt nicht daran, zu verschwinden. Er bittet und brüllt, ich solle ihn doch wenigstens anhören und ihn erklären lassen. Doch ich höre gar nicht richtig zu. Ich fauche und schlage nur immer weiter um mich wie ein verwundetes Tier. Ich will, dass er endlich verschwindet.
Ich ignoriere die Verzweiflung in seiner Stimme, ignoriere die Panik in seinen grauen Augen und die Tränen, die ihm über die blassen Wangen laufen. Ignoriere das zerzauste sandfarbene Haar, das er normalerweise penibel gestylt trägt. Ich bin so gefangen in meiner Wut, dass alles andere an mir abperlt. Als Masons Dad ihn schließlich aus dem Gebäude zerrt, breche ich zusammen. Meine Welt besteht nur noch aus Schmerz. Irgendwann verlasse auch ich das Gebäude. Aber anstatt eines besorgten Elternteils, stehen mir zwei Wachmänner und ein Arzt mit Beruhigungsspritze zur Seite. Ich genieße die Stille als schließlich alles schwarz wird.
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Da bin ich wieder ^^
Falls ihr mich bereits vergessen habt, ich bin Allie, ungefähr 163 cm groß und ganz offiziell die langsamste Verfasserin von wissenschaftlichen Arbeiten aller Zeiten. Meine Schreibpause kann ich auch nur auf meinen Abschluss an der Uni schieben (den ich jetzt endlich im Juni mache). Meine Masterarbeit ist beendet und ich bin wieder motiviert, über etwas anderes zu schreiben als moderne Antihelden und aktuelle Männlichkeitsbilder ^^
Da ich bei den Dream-Awards im Bereich Romantik mit "Stuck In Your Head" den ersten Platz gemacht habe, wollte ich die Geschichte rund um Emma, Mase und Co einfach noch einmal überarbeiten. Ich hoffe, dass ihr immer noch wissen wollt, ob Mase und Emma am Ende eine Chance haben und freue mich auf eure Kommentare und/oder Votes.
Eure Allie
PS.: Die Kapitel sind nun etwas anders aufgebaut und die Handlung hat sich etwas verändert. Ich werde bei jedem Kapitel den Vermerk *überarbeitet* angeben, damit ihr auch wisst, wo die neuen sind.
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Stuck In Your Head! *pausiert*
Romance„Sie hatte kein Recht, dich zu küssen." „Wieso nicht?", fragt er. „Das weißt du ganz genau." Er grinst zufrieden. „Weil ich zu dir gehöre?" *********** Emma und Mason sind seit ihrer Kindheit die besten Freunde, bis irgendwann einmal mehr dar...