"Ich freue mich, dass du auch so denkst." lächelte er.
Wie kann er denn jetzt nur lächeln?
Er stellt sich aufrecht hin und sein Lächeln verschwindet.
"Doch ich muss nach Hause."
Verzweifelt blicke ich zu ihm hoch.
"Aber das kann doch jetzt dein Zuhause sein! Hier hast du doch dasselbe wie in Irland!"
Hätte ich das nicht sagen sollen? Eijun schaut mich nämlich ganz schön enttäuscht an.
"Das denkst du wohl, hm? Dann reise du doch in ein anderes Land und lasse alles zurück. Auch, wenn es temporär ist. Mach es doch. Jetzt. Wie immer. Geh einfach, so wie du es magst."
Ich starre ihn an. Wie schafft er es mit so wenigen Worten mich zu Boden zu reißen?
Mit bebender Stimme frage ich: "Du... willst mich loshaben?"
Er weitet für einen Moment seine Augen und sieht dann zur Seite.
"Ajou, ich-"
"Nein, ich mache so, wie du willst. Ich wollte dich nie belästigen. Tut mir leid."
Die Tränen brennen mir in den Augen. Und wie vorhergesehen gehe ich niedergeschlagen aus dem Zimmer und stolpere fast runter.
Kurz bevor ich an der Haustür bin, höre ich, wie sich wieder Eijuns Zimmertür öffnet.
"Auf Wiedersehen oder so, Frau Whelan."
Mit diesen Worten verlasse ich das Haus.
Hiermit habe ich meinen wahren Freund verloren. Und zudem auch meinen einzigen.
Wieso spielt er so mit meinen Gefühlen?! Es freut ihn, dass ich ihn bei mir haben will, aber möchte mich loshaben? Wie grausam!
"Du hast eine furchtbare Art, Menschen zu beschützen."
Ich zucke zusammen und drehe meinem Kopf zum Küchenfenster. Dort sehe ich Eijun und seine Tante. Die Worte waren ganz klar an ihn gerichtet.
Er schaut mit grauen Emotionen in die kalte Welt hinaus, in die er mich verbannt hat.
Er kann mich aus diesem Winkel nicht sehen. Und bevor er das doch noch schafft, renne ich. Nach Hause."Ajou? Ajou, was ist los? Steh auf, du kommst zu spät!"
Ich verkrieche mich unter der Bettdecke. Ich will nicht wieder in die kalte Welt geschubst werden.
"Kann ich heute daheim bleiben? Mir geht es echt nicht gut."
Vorsichtig schaue ich hervor.
"War was in der Schule?"
Mutters bekannter prüfender Blick.
Aber ich schweige. So kommt sie selber darauf, dass sie ins Schwarze getroffen hat.
"Und du willst nicht darüber reden?"
Langsam schüttle ich den Kopf.
"Nun gut. Du bist alt genug."
Ich murmle ein leises Danke und hoffe, dass sie aus dem Zimmer geht. Ich möchte einfach nur alleine sein.
Und das lange.
So lange, bis der nächste Tag anbricht.
"Ajou?"
Ich gebe bloß ein Grummeln von mir.
"Es ist gleich 7 Uhr. Steh auf, du kommst zu spät zur Schule!"
Meine Mutter geht zu meinem Fenster und zieht eiskalt die Jalousien hoch.
Es ist in meinen Augen unfair, aber es bringt etwas. Ich setze mich langsam auf.
Sie dreht sich zu mir und zuckt zusammen.
"Du sollest lüften.... Und duschen. Und was essen. Das Abendessen hast du ja gar nicht angerührt!"
Enttäuscht schaut sie auf das Tablett mit dem Essen vom gestrigen Abend, das neben meinem Bett auf dem Nachttisch steht.
Ich nuschle: "Ich will nicht in die Schule..."
Heute verlässt uns Eijun. Zu seinem richtigen Zuhause.
Meine Mutter schüttelt langsam den Kopf und seufzt meinen Namen.
"Du hast Post bekommen. Alle Schüler aus deiner Stufe. Ihr könnt euch für ein Auslandsjahr an einer Partnerschule bewerben und Finanzierung durch ein Stipendium erlangen."
Sofort erscheint ein Name in meinem Kopf. Und dazu eine Idee. Doch die lösche ich schnell wieder. Er will von mir in Ruhe gelassen werden.
"Und... ich habe einen Anruf erhalten."
Ich hebe den Kopf und schaue meine Mutter fragend an.
"Von einer Frau Whelan."
Da kommt er wieder. Der Kloß im Hals. Ich habe keinen Schimmer, was jetzt auf mich zukommt.
"Sie hat mir die Reisedaten von Eijun, deinem Freund aus der Schule, mitgeteilt."
Mein Mund ist so trocken.
Mein Herz schlägt zu schnell.
Meine Gedanken kreisen.
"Willst du Löcher in die Luft starren?", meint sie und holt aus ihrer Hosentasche den Autoschlüssel und klimpert damit "Oder mit mir zum Flughafen fahren und Eijun verabschieden?"
Ich starre sie an.
"A-Aber er will doch-"
"Dich sehen, genau! Also beweg dich!"
Endlich findet sich wieder ein strahlendes Lächeln auf meinen Lippen, mit dem ich das Bett in einem Sprung verlasse.
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Der Austauschschüler
Short StoryEijun ist als Austauschschüler der Neue in Ajous Klasse. Er scheint desinteressiert in allem und nimmt auch kein Blatt vor den Mund. War es richtig so, dass er sich neben Ajou gesetzt hat?