Abschied

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Wird er sich freuen, dass ich mich von ihm verabschieden werde?
Wie wird er reagieren?
Wird er vielleicht sogar bleiben?
Was soll ich dann überhaupt sagen?
Diese und noch viele mehr Fragen schwirren in meinem Kopf umher.
Das scheint meine Mutter bemerkt zu haben, denn sie fragt mich, ob ich okay wäre.
Ich schaue auf die Autobahn, die vor uns liegt.
Gute Frage. Bin ich okay? Ich werde Eijun wahrscheinlich nie mehr sehen. Und ich habe mich dumm benommen. Ich glabe, ich bin alles andere als okay. Und trotzdem befinde ich mich auf dem Weg zu ihm.
Ohne die Frage meiner Mutter beantwortet zu haben, parkt sie und erinnert mich daran, dass ich wirklich nicht viel Zeit mehr habe.
"Geh du schon mal vor und such das Terminal. Ich hole ein Parkticket."
"Danke, Mama, wirklich."
Sie lächelt und scheucht mich aus dem Auto.
Langsam gehe ich zum Eingang des Flughafens. Ich will nur einmal noch die Arme von Eijun um mich gelegt spüren. Und wenn ich das erreichen will, muss ich mich sputen. Also fange ich an zu rennen und betrete das Gebäude, dass eine eigene Stadt bilden könnte, so riesig wie es ist.
Verloren schaue ich mich um renne zum erstbesten Inforamtionsschalter.
Die Dame an der Theke schaut mich an und fragt: "Guten Tag. Kann ich Ihnen helfen?"
Ich verschnaufe und nicke.
"Der Flug nach Irland... Ich weiß, aber nicht welcher..."
Sie schaut mich fragend an, tippt etwas in ihren Computer ein.
"Es gibt heute nur einen Flug nach Irland. Und zwar nach Dublin. Der nächste lässt die Passagiere in 15 Minuten vom 3. Terminal an Bord." Brauchen Sie ein Ticket? Das schaffen wir leider nicht mehr."
Ich schüttel wild meinen Kopf.
"Nein! Aber vielen Dank, Sie haben mir sehr geholfen!"
Mit diesen paar Worten renne ich los und folge den Schildern, die mich zum dritten Terminal lotsen.
Ich schwitze.
Der kalte Schweiß fließt meinem Rücken herunter.
15 Minuten? Schaffe ich das?
Schaffe ich. Schaffe, schaffe, schaffe ich. Das rede ich mir auf meinem Sprint ein.
Am dritten Terminal angekommen schaue ich auf die Uhr. Noch 7 Minuten. Aber wo ist Eijun?
Ich bin viel zu nervös, um richtig sehen zu können. Meine Augen wirbeln um her und suchen nur ein einziges vetrautes Gesicht.
Ich sehe keine andere Möglichkeit.
"EIJUN?" rufe ich durch den Bereich und werde von allen erstmal schräg angesehen.
Aber das ist mir egal. Ich will Eijun.
Ein Angstellter des Flughafens kommt auf mich zu.
"Entschuldigung, können wir helfen?"
Ich wirble meinen Kopf zu ihm.
"Ein Junge. Blond. Graue Augem. Etwa so groß." Ich zeige mit meiner Hand eine halbe Kopfhöhe über meine Haare.
Der Mann schmunzelt.
"So sehen die Hälfte der Jungs aus."
"Er ist ist aber besonders!"
Der Mann schaut etwas verwirrt.
"Haben Sie einen Nachnamen? Dann lasse ich ihn ausrufen."
"Er fliegt in 5 Minuten! Und ich muss ihn unbedingt noch sehen!"
"5 Minuten? Wie können wir denn da noch helfen?" überlegt der Mann laut.
Ich schaue ihn verzweifelt an und bemerke, dass das das Ende ist.
Eijun und ich werden getrennte Wege gehen. Und das im Streit.
"Ich glaube, helfen kann ich jetzt am besten."
Gänsehaut über meinen gesamten Körper.
Als ich meinen Kopf zu der tiefen, butterweichen, aber trotzdem leicht vibrierenden Stimme drehe, sehe ich genau das Gesicht, was mich glücklich macht.
Ich rase auf Eijun zu, umarme ihn und lasse ihn so nach hinten stolpern. Doch bevor wir beide auf den Boden fallen, schlingt er seine Arme um mich und fängt und beide ab.
"Eijun! Eijun, es tut mir so leid! So unglaublich leid! Ich war so egoistisch und wollte dich nur für mich. Denn ich brauche dich doch."
Eijun lässt mich los und streicht mir über den Kopf.
"Es ist alles gut" lächelt er, aber ich sehe, wie seine Augen glasig werden.
Ich komme ihm zuvor und lasse meinen Tränen freien Lauf.
Er nimmt mich wieder in den Arm und streicht mir über den Rücken.
"Dass du hier bist.... Es bedeutet mir alles."
Ich schaue durch die Tränenmauer zu ihm hoch und schniefe. Und trotzdem strahle ich. Dieser Junge macht mich so unbeschreiblich glücklich.
"Es gibt e-ein Stipendium! Dass ich nach Irland kann!"
Eijun lächelt noch mehr und streicht mit seinem Daumen meine Tränen vom Gesicht.
"In einem Jahr habe ich mein Abitur. Dann komme ich wieder hier her. Und bleibe auch. Und zwar bei dir."
Das Wegwischen der Tränen hat absolut nichts gebracht, denn mein Körper produziert sofort neue.
"Ich warte sehensüchtig auf dich."
Nachdem er erneut meine Tränen und ein paar Haarsträhnen aus meinem Gesicht gestrichen hat, wurden wir darauf aufmerksam gemacht, dass die Passagiere eingelassen werden.
Was? Die 5 Minuten vergingen so schnell? Das darf nicht wahr sein!
"B-Bis bald, Eijun... Und einen guten Flug... Bitte schreib mir, wenn du daheim bist." schniefe ich und wische mir um meine schon roten Augen herum.
"Bis bald, Ajou." sagt er nur.
Ich lächle, denn ich weiß endlich, dass das kein Abschied für immer ist.
Eijun nimmt die Halterung seines Koffers in eine Hand und beugt sich zu mir. Ich liebe es, wenn er mich umarm- stop, was.
Seine Lippen finden sich auf meinen wieder.
Ganz kurz.
Aber so zärtlich.
Und so liebevoll.
Bevor ich richtig reagieren kann, starre ich ihn einfach nur an und bemerke, wie mein Kopf knallrot wird.
Er richtet sich wieder auf und grinst.
Aber ich kann nichts von mir geben.
So entfernt er sich also von mir und wird als letzter Passagier in den Transportbus zum Flugzeug eingelassen.
Ich schaue ihn weiterhin an und bemerke seine stechenden Augen, wie sie mich ansehen.
Ein Strahlen. Von beiden Seiten.

Eijun.
Eine Person, so viele Facetten.
Und ich werde noch viele weitere kennenlernen können.

Der AustauschschülerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt