An den weißen Spitzen der Rocky Mountains hing schon das erste Licht, doch zu Füßen des Daches der Welt war noch alles in Nebel gehüllt. Raureif bedeckte das schon spärlicher werdende Gras und hing im Fell der Pferde. Die Tiere waren nicht mehr als helle und dunkle Schemen im Grau des anbrechenden Herbstmorgens. Still standen sie. Ihr Atem hing in trägen Wolken vor ihren Nüstern, vermischte sich mit dem Nebel. Sie waren auf dem Weg in die tiefer gelegenen Wälder um dort im Schutz der Bäume den Winter zu verbringen. Sobald die ersten Sonnenstrahlen auch die Tau bedeckten Wimpern des kleinsten Jährlings in Licht tauchten und die Farben des erwachenden Tages den letzten grauen Grashalm mit frostigem grün bemalt haben, werden sie aufbrechen, den Weg gehen, den schon ihre Vorfahren gingen. Woher wissen sie, wohin sie sich wenden müssen? Sie wissen es eben. So sich wie sie wissen, dass auch ihre Fohlen den Weg finden werden und so sicher wie sie wissen, dass die Sonne aufgehen und ein neuer Tag anbrechen wird. Die Sonne streichelt nun schon über die Rücken der Pferde. Einige schnauben und schütteln den Frost aus den Mähnen, dann beginnen sie zu grasen. Ein paar der dunkelbraunen Tiere beginnen mit spielerischen Rangeleien, es sind die Jährlinge, die noch nicht das helle Fell der älteren Stuten haben. Sie sind es, die die Herde bald verlassen werden. Die Leitstute schlägt mit dem Schweif und macht sich auf den Weg talab. Die Herde folgt ihr, dazwischen die übermütigen Junghengste, die sich immer noch balgen. Eines der Tiere bleibt noch eine ganze Weile stehen und grast, als wolle es noch hastig das letzte Gras kosten, ehe es der Herde folgt. Es ist eine knochige alte Stute, sie scheint zu wissen, dass dieser Winter ihr letzter sein wird. Ihr Blick gleitet noch einmal zurück ehe sie sich in Bewegung setzt. Die Herde ist schon beinahe aus ihrem Blickfeld verschwunden. Sie hatte Fohlen aufwachsen, aber auch viele sterben sehen. Nun würde sie selbst sterben, nach so vielen Sommern. Sie schnaubte und machte sich auf, den anderen Tieren zu folgen, die bereits hinter einer Anhöhe verschwunden waren. Nein, sie selbst würde nicht zurückkehren, wohl aber ihre Fohlen. So war es immer gewesen und so würde es immer sein. Die Stute schnaubte und viel in einen steifen Trab, um noch vor Mittag die Wasserstelle zu erreichen, an der die Herde rasten würde.
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Najaaaa, ich bin nicht so ganz zufrieden, aber was soll's.
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Das Lied der welken Kirschblüte
Short StoryEine Sammlung von Kurzgeschichten. Fantasie, die Beschreibung von Augenblicken und Gedanken. Ich sage es so: Geschichten über ziemlich alles, was mich am Schlafittchen aus der Realität schleift. *hilfe!*