Der falsche Ort zur falschen Zeit

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Ich wusste nicht wie lange ich schon hier gesessen hatte, als sich plötzlich zwei Arme von hinten um mich Schlangen und mir ein sanfter Kuss auf die Wange gedrückt wurde.
Überrascht zuckte ich zusammen und wollte schon aufspringen, als mich der süße Duft von Vanille umhüllte. Automatisch musste ich lächeln und lehnte mich etwas weiter in die Umarmung.
„Guten Morgen, Frau Roth", murmelte ich mit rauer Stimme, während ich meinen Kopf ein wenig drehte und einen raschen Kuss auf Ihren Mundwinkel hauchte.
Doch lang konnte ich unsere Position nicht genießen, denn viel zu schnell wurde mir bewusst, wo wir eigentlich waren.
Auch wenn ich mir einen ziemlich abgeschiedenen Platz ausgesucht hatte, konnte hier trotzdem immer jemand aufkreuzen.
Also stand ich entschlossen auf und drückte Antonia bestimmt von mir.
Dieses Mal schien Sie zu verstehen, wieso.
Doch Ihre einzige Reaktion war ein grinsen und ein rasches Kopfschütteln.
„Es ist unglaublich", meinte Sie liebevoll und ließ sich von mir nicht abhalten, mir sanft durchs Haar zu streichen.
„Ist dir eigentlich bewusst wie spät es ist? Und wo genau wir uns gerade befinden? Es ist nahezu unmöglich, hier gesehen zu werden."
Aus Ihrer Stimme konnte ich deutlich Belustigung hören und verwirrt runzelte ich die Stirn.
„Wir haben 06:30 Uhr. Die meisten Schüler welche in Berchtesgaden leben und hier zur Schule gehen, stellen jetzt gerade Ihren ersten Wecker aus. Wenn überhaupt. Und außerdem... was machst du eigentlich schon so früh hier?"
Mir war nicht bewusst gewesen, dass gerade einmal so wenig Zeit vergangen war. Und trotzdem steckte mir die Kälte schon tief in den Knochen.
„Nun ich glaube, das erkläre ich dir lieber einmal in Ruhe. Ungestört."
Ich ließ Ihr nun nicht einmal den Hauch einer Chance sich über mein gesagtes den Kopf zu zerbrechen, sondern zog Sie augenblicklich zu mir und presste meine Lippen auf Ihre.
Und auch wenn wir immer noch am frühen Morgen in Berchtesgaden waren und es, trotz allen Argumenten seitens Toni, angeblich nicht halb so unsicher wäre wie ich dachte, hatte ich Sie trotzdem vermisst.
Den Geschmack Ihrer Lippen auf meiner, Ihr Körper an meinen gepresst und Ihr leises aufstöhnen, wenn ich etwas tat was Sie nicht erwartete.
„Wow... Das... kam jetzt unerwartet."
Grinsend blickte ich Sie an und leckte mir noch einmal über die Lippen. Trotz der Beendung unseres Kusses blieb Sie in meinen Armen stehen und lehnte sich nur zu gern gegen mich.
„Du hättest schon früher kommen sollen, dann wäre die Zeit eindeutig schneller herumgegangen."
Mit etwas bedauern schob ich Sie erneut von mir und lächelte schief.
Doch es musste jetzt sein. Es war bereits 06:50 Uhr.
Toni hatte anscheinend ebenfalls auf die Uhrzeit meines Handys geachtet und lächelte nun traurig.
„Vielleicht brauche ich dich ja heute in Sport für ein paar Aufräumaufgaben", meinte Sie schließlich mit einem kecken Zwinkern.
Sie hatte sich schnell wieder gefangen.
„Wir bekommen das hin."
Trotz Ihres guten Schauspiels konnte ich nur zu gut erahnen, was in Ihr vorgehen musste.
Aufmunternd sah ich Sie an und griff noch einmal nach Ihren Händen.
„Ja... Wir bekommen das hin."
Kurz sahen wir uns noch gegenseitig in die Augen, bevor Sie meine Hände noch einmal drückte, diese dann losließ und sich zurück durch das leichte Gebüsch kämpfte.
Ich verfolgte Sie nur mit einem nachdenklichen Blick.
War es wirklich zu schaffen?

Die ersten Stunden zogen sich wie Kaugummi. Clara war, nach kurzer Verspätung schließlich auch zu mir gestoßen, jedoch hatten wir die ersten Doppelstunden nicht wirklich Zeit um miteinander zu reden.
Nun war Pause und wir saßen, entgegen unserer Gewohnheit, auf einer Bank relativ abseits, jedoch mit guter Sicht auf den gesamten Schulhof.
Ich war Ihr gestern Abend, dank der Aktion seitens Toni noch eine Erklärung schuldig gewesen, weshalb ich Ihr nach anfänglichem Zögern alles erzählte.
Wir hatten keine Geheimnisse voreinander.
„So, und wie willst du jetzt weitermachen?"
Leicht verwirrt sah ich zu meiner besten Freundin hinüber, bevor ich meinen Blick wieder über die Schüler schweifen ließ.
„Ich weiß nicht. Es erst einmal auf mich zukommen lassen... glaube ich. Schließlich habe ich nicht mehr so viel Schulzeit. Unmöglich ist es nicht."
„Das meinte ich nicht..."
Ich schluckte. Natürlich hatte ich Ihr auch von der Aktion meiner Mutter erzählt. Vor der ersten Stunde hatte ich den Lehrern bereits mitgeteilt das es mir besser ging und ich die Woche weiterhin zur Schule kommen würde. Doch danach...? Schließlich hatte ich keine Ahnung ob meine Mum bereits dabei war mich von der Schule abzumelden.
Also zuckte ich nur hilflos mit den Schultern und fuhr mir durch die Haare.
„Ganz ehrlich? Ich habe keine Ahnung. Die letzten Wochen habe ich bereits angefangen nach verschiedenen Ausbildungsplätzen zu suchen, die möglichst weit weg von hier sind. Eine Bewerbung hab' ich schon nach Köln und Dresden geschickt. Aber ob was draus wird..."
Empört richtete sich Clara neben mir auf.
„Und da sagst du mir nichts? Schon vergessen das wir zusammenbleiben wollten?"
„Ich dachte du wolltest eh erst einmal dein Abi machen. Und bei deinen Noten wirst du fast überall genommen."
Verschmitzt grinste ich Sie an und strich Ihr entschuldigend über den Unterarm.
Eine Geste, die Sie nur zu gut verstand.
„Ok... aber nur, weil du es bist! Und was ist mit deinem Vater?"
Sofort spannte ich mich an.
„Was soll mit Ihm sein. Du weißt genau was passiert ist, Clara."
„Ja, aber wolltest du in all den Jahren nicht doch wissen wer er ist? Und wieso er euch allein gelassen hat? Vielleicht ist alles ja ganz anders als du denkst... Und er könnte dir bei dem Problem behilflich sein. Schließlich hast du noch nie erwähnt, dass deine Mutter auch wirklich das alleinige Sorgerecht für dich hat."
Aufmunternd zwinkerte Sie mir zu, bevor Sie sich erhob und Richtung Eingang steuerte.
„Wir sehen uns nachher in Sport!"
Und mit diesen Worten war Sie verschwunden.
Für einen Moment blieb ich noch auf unserer Bank sitzen und ließ den Großteil des Schülerstroms in das Gebäude, bevor ich mich ebenfalls erhob, mir meinen Rucksack auf den Rücken warf und langsam Richtung Tür ging.
Dadurch dass Clara Geografie statt Geschichte gewählt hatte, hatte Sie einen weiteren Weg zu Ihrem Raum als ich. Hieß für mich, mit deutlich mehr Ruhe zur vorletzten Doppelstunde aufzubrechen, bevor wir schließlich Sport hatten.
„Zoe, warte doch einmal kurz!"
Überrascht blieb ich stehen und sah mich nach der Person um welche nach mir gerufen hatte.
Sie entpuppte sich als Frau Ritter, welche gerade von der Hofaufsicht ins Innere gestürmt kam und neben mir stehen blieb.
Mit einem breiten Grinsen legte Sie mir Ihre Hand auf die Schulter.
„Ich bin froh dass es dir wieder besser geht! Es ist doch immer wieder schön engagierte Schüler zu sehen."
Gequält lächelte ich, bevor ich einen auffälligen Blick auf die Uhr hinter mir warf.
„Ich würde gerne noch ein wenig mit Ihnen plaudern, wirklich! Aber meine Stunde fängt gleich an und ich möchte ungern zu spät kommen."
Unauffällig versuchte ich mich aus Ihrem Griff zu befreien. Mit wenig Erfolg.
„Ach stimmt. Bei Frau Roth, hab' ich Recht? Aber keine Sorge, wegen Ihr bin ich ja hier. Sie braucht noch ein paar helfende Hände um ein paar Bücher aus dem Keller in euren Unterrichtsraum zu bringen, also verspätet Sie sich wohl selbst ein wenig. Könntest du Ihr vielleicht ein wenig helfen? Außerdem kannst du Ihr dann gleich das richtige Zimmer zeigen. Schließlich kennt Sie sich hier noch nicht richtig aus. Wir wollen ja nicht, dass Sie sich hier verläuft."
Kurz lachte Frau Richter auf, bevor Sie abwinkte und sich mit einem „Ich muss jetzt aber auch in den Unterricht!", verabschiedete.
Erleichtert blickte ich Ihr nach. So nett diese Frau auch war, manchmal war Sie mir ein wenig zu aufdringlich.
Mit einem Grinsen wandte ich mich nun in die Entgegengesetzte Richtung und steuerte den Keller an.
Mit dem Stichwort ‚Verlaufen' kannte ich mich hier schließlich gut genug aus. Nicht selten war ich zu meiner Anfangszeit zu spät gekommen, da ich entweder das falsche Zimmer, die falsche Etage oder gleich den komplett falschen Gebäudeabschnitt erwischt hatte.
Die Orientierung einer Bratwurst.

„Frau Roth?"
Meine Stimme hallte durch den leeren Gang und mit zusammengekniffenen Augen schritt ich durch die karge Beleuchtung.
Inzwischen war ich mehr als nur ein wenig zu spät und ich hoffte einfach nur, dass die Informationen von Frau Ritter auch stimmte.
Doch als ich ein Rumpeln sowie darauffolgendes Fluchen vernahm, grinste ich.
Zielstrebig durchquerte ich eine offene Tür, den dahinterliegenden Raum ebenso und lehnte mich dann entspannt gegen einen Türrahmen, welcher in ein kleines Vorbereitungszimmer führte.
Vor mir versuchte nun Toni gerade einen Stapel schwer aussehender Bücher mit einmal hochzuheben und dabei noch Ihre schwarze Ledermappe nicht fallen zu lassen. Alles in allem sah es ziemlich... gewagt aus.
„Kann man Ihnen vielleicht helfen?"
Durch meine Stimme zuckte Toni merklich zusammen, verlor so Ihr Gleichgewicht und drohte unter den Berg von Büchern zu Boden zu gehen.
Rasch sprang ich vor und hielt Sie auf den Beinen, während das Poltern der herunterfallenden Gegenstände die Stille zerbrach.
„...Zoe!"
Ihr Gesichtsausdruck schwankte zwischen Überraschung und entsetzen, jedoch blieb Sie weiterhin in meinen Armen.
„Mh, ja?"
Mit leicht verschleiertem Blick schaute ich zu Ihr hinunter und strich Ihr sanft eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
„Wieso bist du hier unten? Und nicht brav... brav im Klassenzimmer?"
Meine Berührung brachte Sie ein wenig aus dem Konzept, weshalb Sie sich nun wieder ganz aufrichtete und einen Schritt von mir zurücktrat.
Grinsend beobachtete ich diese kleine Geste, bevor mein Blick hinunter zu den Büchern glitt.
„Nun, ich wollte gerade eigentlich brav zum Klassenzimmer gehen, als mich Frau Richter abgefangen hat und meinte, ich solle dir hier unten bei den Büchern helfen. Ich hatte wirklich keine Wahl!"
Grinsend sah ich zu Ihr zurück, bevor ich meinen Rucksack schließlich neben der Tür fallen ließ.
„Frau Richter...?"
„Ja."
„Ok... und ist dir jemand gefolgt?"
Verwirrt runzelte ich die Stirn und schüttelte den Kopf.
„Nein, wies..."
Überrascht stolperte ich zurück und knallte ein wenig unsanft gegen einen Tisch, als sich Toni mir schon entgegenwarf und mich stürmisch küsste.
Zu Anfang war ich viel zu baff um zu reagieren, doch dann stahl sich ein Grinsen auf meine Lippen und mit geschlossenen Augen erwiderte ich den Kuss.
Genüsslich knabberte ich an Ihrer Unterlippe und schlang währenddessen meine Arme um Sie, um uns geschickt zu drehen und Sie mit einem Ruck auf den Tisch zu heben.
Ein stöhnen verließ daraufhin Antonias Lippen und mit wohltuen spürte ich, wie Sie ihre Beine um mich schlang und somit den Abstand zwischen uns deutlich verringerte.
Unsere Küssen wurden ungestümer und ich wusste, wenn ich jetzt nicht die Reisleine ziehen würde, könnte das hier gewaltig schiefgehen.
Also trat ich, soweit es Tonis Beine zuließen, zurück und atmete tief ein und aus.
„Wir suchen uns dafür definitiv immer die falschen Orte heraus."
Kurz herrschte Stille, bevor Frau Roth auflachte, Ihre Beine von mir löste und sich nun leicht an mich lehnte.
„Du hast Recht."
Ich konnte Ihr lächeln an meiner Schulter spüren und langsam fuhr ich Ihr durch das, dieses mal offene, Haar.
„Du solltest jetzt langsam wirklich in den Unterricht. Nicht das Frau Richter noch nach uns sucht. Steffi könnte ich so etwas durchaus zutrauen."
Bedächtig löste ich mich von der Frau vor mir und begann rasch die herumliegenden Bücher hinter uns zusammen zu räumen.
Mein schwarzes Shirt spannte mir über den Rücken und ich konnte Tonis Blicke deutlich auf mir spüren.
Als ich kurz zu Ihr sah, biss Sie sich auf die Unterlippe und zog provokant eine Augenbraue nach oben.
„Alles den Schülern überlassen, schon klar", zog ich Sie auf und hob mit einem Ruck den Stapel Bücher hoch, nur um ihn dann mit einem leisem Keuchen neben Toni auf den Tisch zu stellen.
Mit konzentrierter Miene teilte ich diesen auf, bevor ich mir meinen Rucksack aus der Ecke schnappte und den etwas größeren Haufen hochhob.
„Na komm. Ich meine das ernst."
Streng sah ich Sie an. So einen Lehrerblick hatte ich auch drauf.
Zuerst grinste Sie nur stumm, bevor Sie sich schließlich mit Schwung von dem Tisch erhob, Ihre Mappe auf die Bücher legte und diese schließlich nahm.
„Ich mag deine herrische Ader", waren Ihre letzten Worte, bevor Sie mit einem Augenzwinkern aus der Tür hinaus auf den Flur verschwand.
Für einen kurzen Moment war ich baff und schüttelte mit einem leisen Lachen den Kopf.
„Sie wissen doch eh nicht, wo unser Zimmer ist!"
Automatisch war ich wieder in die Standartumgangsformel gefallen und lief Toni nun rasch hinterher.

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Jaja, in den Schulen verlaufen.. Mir damals oft genug passiert :'D

Heute von meiner Jobstelle aus 12 Bücher geschenkt bekommen, darunter auch Erstausgaben und Leseproben für einige, die zum Teil erst im Mai oder Juni erscheinen.
Da hat sich mein kleines Leserherz gefreut :'3

Euch wünsche ich eine gute Restwoche, und danke für eure Treue :)
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Mienu

My Life, of curse (girlxgirl)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt