Ich liebe euch, vergesst das nie
"Mommy?", flüsterte der kleine Junge seiner Mutter zu, als sie gerade die Kerze ausblasen und ihren Sohn schlafen lassen wollte. Sie drehte sich im Türrahmen um und blickte auf ihr Kind. "Ja Kleiner?", fragte sie.
"Ich vermisse Dad. Wo ist er gerade? Werde ich ihn je wieder sehen?" Der kleine Bub hatte Tränen in den Augen, und auch Mutters glitzerten verdächtig. Sie stieß sich von der Wand ab, an die sie sich angelehnt hatte und setzte sich an die niedrige Bettkante. "Ich will dir eine Geschichte erzählen, Kleiner. Hör gut zu, ja?" Der Junge nickte als Antwort, auch wenn er nicht wusste, ob er die Geschichte wirklich hören wollte. Auch seine Mutter war sich nicht sicher, er war doch erst 8 Jahre alt! Doch musste sie es ihm irgendwann erzählen, sie hatte es nun schon ein ganzes Jahr lang hinaus gezögert.
"Es war ein schöner Frühlingstag", begann sie "die Sonne schien und eine schwache Briese wehte. Ich war im Garten. Die Karotten wachsen schließlich nicht von selbst." Sie lächelte bei diesem Satz. Ihr Sohn hatte die orangenen Wurzeln schon immer gerne gehabt. "Es war der 3.April 1941. Der Krieg war bereits in vollem Gange. Dein Vater war bei der Arbeit. wir hatten Glück, er wurde noch nicht vom Militär eingezogen. Es ging uns Verhältnismäßig gut. Andere hatten zu diesem Zeitpunkt schon alles verloren, weißt du?" Die Mutter lächelte, aber es war ein trauriges Lächeln. Sie wünschte, es wäre alles nicht passiert.
"Als er von der Arbeit nach Hause kam schaute er ob neue Post gekommen war, so wie immer. Du warst in diesem Moment im Haus, Oma war zu Besuch. Als dein Vater zu mir kam um mich zu Begrüßen, wie er es jeden Tag machte, wusste ich sofort das etwas nicht stimmte. In seinem Blick lag Trauer, seine Schultern hingen schlaff hinunter. Er schaute mir in die Augen. Das tat er sonst auch, doch normalerweise umspielte dabei stets ein lächeln sein Lippen. Und dann sah ich den Brief in seiner Hand. Schon viele Männer in unserer Umgebung erhielten einen solchen Brief. Dann wusste ich, wieso er nicht so fröhlich wie gewöhnlich war. Der Brief ist schuld, an allem, weißt du?" Eine Träne rann über ihre Wange, wenn sie sich an diesen Tag erinnerte.
"Was stand in dem Brief Mommy?", wollte der kleine Bub wissen.
" Der Brief, der war vom Führer, verstehst du? Es war ein Einberufungsbefehl. Sie brauchten Soldaten, auch wenn es bis dahin noch gut für Deutschland stand."
"Was ist denn ein Einberufungsbefehl? Papi hatte doch einen Beruf, nicht wahr?", der kleine Junge war verwirrt, aber das konnte man ihm nicht verübeln, er wusste erst so wenig.
"Ja mein Schatz, er hatte einen Beruf. Aber nun sollte er Soldat werden. Er sollte in den Krieg ziehen. Erinnerst du dich? Als Ich deinem Vater half, ein paar Sachen zu packen? Ich war ganz aufgelöst, weißt du noch?"
"Ja Mommy, ich weiß es noch als wäre es erst Gestern gewesen! Du hast geweint, so schrecklich geweint und ich wusste nicht was los war. Oma hat gesagt, ich solle mit ihr mitkommen, wir würden ein Spiel spielen. Sie wollte euch alleine lassen. Ja, ich erinnere mich."
Auch jetzt rannen Tränen ihre Wangen hinunter und fielen auf die Wange des Kleinen. Er wischte sie mit seinem Handrücken ab. Er weinte nicht. Er konnte das alles noch nicht verstehen. Er fragte, was dann passiert war.
"Ich wusste, das auch einige Freunde von ihm in den Krieg ziehen mussten. Wir haben es erfahren, als wir ein letztes mal zusammen im Gasthof essen gingen. Und dann musste dein Vater gehen. Er sollte beim Unternehmen Barbarossa mitkämpfen. Das erfuhr ich in einem Brief, den er mir sandte, ein paar Wochen danach. Du weißt was das Unternehmen Barbarossa war, ja?", fragte sie sicherheitshalber.
"Ja. Der Krieg in der Sowjetunion, nicht wahr?"
"Ja, das stimmt. Es war ein Blitzkrieg geplant, weißt du? So wie der auf Polen. Die Armee war ausgerüstet für einige wenige Wochen, sie haben die Russen unterschätzt. So war es dann schon Winter, die Deutschen hatten nahe kein Essen mehr, viele Soldaten waren bereits verstorben, sie hatten auch keine Winterkleidung. Der russische Winter hat ihnen stark zu schaffen gemacht. Und sie wurden immer mehr von ihren Gegnern eingekesselt. Doch der Führer verbat ihnen aufzugeben. Sie müssten kämpfen bis zum Ende, doch haben sie schon so viele Soldaten verloren. Doch dann widersetzte sich der Leiter des Unternehmens, er gab auf. "
"Was hat das mit Papi zutun?"
"Warte noch, Kleiner. Die übriggebliebenen Männer, die überlebt hatten, wurden festgenommen. Sie sind dann aber trotzdem gestorben. Man hatte sie in der Gefangenschaft natürlich nicht ausreichend gepflegt, ihnen kein Essen gegeben. Nur ein Bruchteil der Männer konnte nach Hause zurückkehren, weißt du? Als die Soldaten heimkamen, war von deinem Vater keine Spur zu sehen, Ich ging zu unserem Nachbar. Er kam gerade zurück, und ich fragte ob er wusste was mit meinem Mann wäre. Ich wusste, sie waren gute Freunde, er müsste es doch wissen. Und dann sagte er mir, dass er da, wo er nun war, gut auf mich und dich aufpassen konnte. Er hatte keine Kraft mehr, weißt du? Sein Herz hat die Kälte nicht aushalten können, er wollte kämpfen, sagte mir unser Nachbar. Er wollte nur für uns kämpfen. Nicht für sich, nicht für den Führer, nur für uns. Als er Kurz vor seinem Tod war, hat er um Stift und Papier gebeten. Er hatte nicht viel Kraft, mehr als einen Satz konnte er nicht schreiben. "
Der Polster des Jungen war bereits Tränennass, die Geschichte von Schluchzern unterbrochen. Die Mutter hatte ihren Mann so geliebt. Er und ihr Sohn waren ihr ein und alles. "Er hat ihn unserem Nachbar gegeben, in der Hoffnung er würde es schaffen." Sie griff an ihren Hals wo ein kleines Amulett hang. Sie öffnete es mit ihren zittrigen Fingern und holte einen kleinen Zettel hervor. Sie entfaltete ihn und gab ihn ihrem Sohn. Die Schrift war schwer leserlich, er hatte schließlich keine Kraft mehr im Arm gehabt.
Der Kleine nahm den Zettel in die Hand um zu lesen was draufsteht. Eine Träne rann über seine Wange während er es leise flüsterte.
"Ich liebe euch, vergesst das nie."
"Papi ist im Himmel, nicht wahr? Er achtet auf uns. Ich werde ihn wiedersehen, wenn ich im Himmel bin, oder?", fragte der Junge hoffnungsvoll. Tränen rannen seitlich seine Augen hinunter.
"Ja Schatz, das wirst du. Vergiss nicht, er achtet auf uns, er will nicht, dass uns etwas passiert. Er ist jetzt ein Engel, beobachtet uns und passt auf uns auf! Vergiss nicht, er liebt uns, egal wo er grade sein mag. Er wird dich immer lieben."
"Ich vermisse Papi.", schluchzte der Bub.
"Ich auch, ich vermisse ihn so sehr."
"Denkst du, er wird mich mal im Traum besuchen?"
"Wenn du es dir wünscht, dann ganz bestimmt"
"Ich will es gleich versuchen!"
"Ja, du solltest sowieso schon lange schlafen mein Kleiner. Gute Nacht und träum was schönes." Die Mutter wischte ihrem Sohn die Tränen weg, ehe sie im einen Kuss auf die Stirn gibt und aufsteht. Sie hatte bereits die Kerze ausgeblasen und wollte gerade die Tür schließen, als der kleine Junge noch etwas sagte.
"Mommy?"
"Ja, Kleiner?"
"Ich habe dich unglaublich lieb."
"Ich dich auch Schatz, ich dich auch.", und mit diesen Worten schloss sie die Tür und legte sich selber schlafen.
Sie träumte von einem Picknick, mit ihrem Sohn und ihrem Mann. Sie träumte, das er sie beide in die Arme nehmen würde und sagen würde 'Ich hab euch lieb, vergesst das nicht' Sie träumte, wie er plötzlich weg sein würde.
Diesmal war folgende Aufgabenstellung:
Schreiben Sie über eine Geschichte.Es ist ein bisschen am Thema vorbei, aber egal.
ich hoffe es gefällt euch trotzdem:)
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145 Storys
Short StoryNaja, 145 Kurzgeschichten halt:) Mit Themenvorgaben die oft ganz schön schwer sind.... Eine genauere Erklärung gibts im 1 Kapitel:)