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„Alles Gute zum Geburtstag!", riefen meine Mutter, mein Vater und meine beste Freundin Valerie im Chor, während ich total übermüdet mit nur einem offenen Auge versuchte die Treppen runterzugehen ohne zu stolpern und mich vor allen zu blamieren, schon wieder. Ja, das ist schon mal passiert, darüber nachdenken wollte ich aber nicht, weil es einfach so peinlich war, dass ich es am liebsten komplett aus meinem Gedächtnis streichen würde.

„Hä, welcher Geburtstag?", war das einzige was ich rausbrachte mit einer sehr müden und verwirrten Stimme und blieb in der Mitte der Treppe stehen.

In meinen Ohren klang es so als würde Valerie schreien, weil sie einfach so übermotiviert war wegen irgendeinem Geburtstag: „Na dein Geburtstag, du bist jetzt offiziell achtzehn! Und das werden wir heute richtig feiern, also geh dir mal was Vernünftiges anziehen, du siehst gerade aus wie ein Penner und nicht wie das Geburtstagskind"

Oh nein, heute schon? Das letzte was ich gerade wollte war irgendeine Feier, nur weil sich mein Alter um eine Zahl erhöht hatte. Wer hat Geburtstage überhaupt erfunden? Ich muss zugeben, damals habe ich ganz anders darüber gedacht. Ich hatte mit sechzehn sogar einen Zähler, der auf die Sekunde genau angezeigt hat wie lange es noch bis zu meinem achtzehnten Geburtstag dauern würde. Heute war der Tag und ich hatte sowas von keine Lust drauf. Alkohol hatte ich schließlich schon vorher getrunken und in Discos war ich auch schon, böses Kind halt, passte ganz gut zu meinem Aussehen, grüne Haare, Piercings, alternativer Stil. Aber ja, gelegentlich sehe ich tatsächlich aus wie ein Penner, vor allem dann, wenn ich die Nacht davor spät schlafen gegangen bin ohne mich abzuschminken, als ob es mich dann interessiert was ich zum Schlafen trage. Ich schaute an mir runter und musste belustigt feststellen, dass meine Socken unterschiedliche Farben hatten, mein Oberteil mehrere Löcher und meine Jogginghose war pink mit Sternchen, denn das war eine, die ich mir mit zwölf gekauft hatte und zu meinem Erstaunen passte sie mir immer noch, nur etwas zu kurz.

„Wieso Penner? Ich sehe doch voll gut aus, so sollte ich bei den nächsten Misswahlen mitmachen ... für zwölfjährige Gangster", lachte ich müde. Valerie verdrehte nur die Augen und schickte mich nach oben, meine Eltern schauten die ganze Zeit nur amüsiert und sagten mir dann auch noch, dass ich meine Geburtstagsumarmung erst bekomme, wenn ich geduscht habe, denn scheinbar stinke ich. Na, vielen Dank. Aber gut, ich ging also in das Badezimmer oben, zog mich aus und blieb vor dem Waschbecken stehen. In den Spiegel schauen oder nicht schauen, das war hier die Frage. Denn ich war mir sehr sicher, dass ich ganz schön scheiße aussah. Wieso musste ich mir gestern auch die gesamte fünfte Staffel ‚Game of Thrones' anschauen? Andere Menschen schauten vielleicht zwei Folgen, ich hingegen neigte dazu eine Serie den ganzen Tag lang ohne Pause durchzusuchten, gelegentlich vergaß ich sogar zu essen.

Ich riskierte doch einen Blick in den Spiegel und meine Befürchtungen wurden wahr. Meine Haare hingen wie Spaghetti einfach nur runter und sahen dabei auch noch aus wie in Öl getaucht. Auf meiner Wange war ein fetter Pickel, mein Mascara war in alle Richtungen verschmiert, mein roter Lipliner umrandete meine Lippen, der Lippenstift war allerdings nicht mehr zu sehen. Kurz gesagt, ich sah scheiße aus. Aber so richtig. An mir riechen wollte ich gar nicht erst, ich stieg einfach nur in die Dusche und genoss das warme Wasser. Normalerweise hatte ich unter der Dusche die verrücktesten Gedanken und Ideen, manchmal war ich auch sehr nachdenklich und dachte mir entweder Gespräche im Kopf aus, die nie stattfinden würden oder dachte generell über das Leben nach. Aber nicht heute, ich war noch ziemlich müde und wollte einfach nur das Wasser spüren und an meinem Duschgel riechen, was stark nach Orangen roch und mir irgendwie gute Laune machte. Naja gut, wenn es nicht so wäre, würde ich mich bei der Firma beschweren, immerhin versprechen sie gute Laune auf der Verpackung.

Zwanzig Minuten später wickelte ich mir ein Handtuch um meinen Körper und schmierte mir eine Kur mit ein wenig grüner Tönung in die Haare um meine Haarfarbe aufzufrischen, ich meine Geburtstag und so, zum Feiern wollte ich dann schon gut aussehen. Während ich es einwirken ließ zog ich eine schwarze skinny Jeans an, dazu ein schwarzes lockeres schulterfreies Shirt mit einem Mond drauf. Das würde erstmal ausreichen hoffte ich, um zu funktionieren brauchte ich erstmal mein gesundes Frühstück, vorher hatte ich nicht vor mir mit meinem Outfit und meinem Make-up großartig Mühe zu geben. Ich spülte meine Haare aus, wickelte sie in meine Lockenwickler, trug Creme auf mein Gesicht auf, Teebaumöl auf den Pickel und ging dann runter zu meiner Familie.

„Schatz, wir haben dir ...", fing meine Mutter an „Pfannkuchen gemacht!" beendete ich ihren Satz. Es roch köstlich, damit verging meine Müdigkeit auch schon und ich gönnte mir einfach nur diese leckeren Blaubeeren Pfannkuchen. Was ich besonders süß fand war, dass meine Mama sie mir extra ohne Ei und mit pflanzlicher Milch zubereitet hat, weil sie wusste, dass ich keine tierischen Produkte essen wollte. Mein Vater schaute immer skeptisch, aber sagte nichts weiter dazu, denn wir nahmen aufeinander Rücksicht und er respektierte meine Entscheidung.

„Also, ich habe schon so einiges geplant für uns. Erst gehen wir shoppen, du brauchst ein heißes Outfit, denn wir gehen dir heute einen Typen suchen, du bist schon viel zu lange Single meine Liebe, wir treffen die anderen dann an der Disco. Ich freu mich schon voll, das wird soo cool!" Schon wieder dieser Enthusiasmus, das kann ja nur schön werden. Ich rollte mit den Augen.

„Val! Meine Eltern sitzen noch hier, außerdem weißt du doch, dass ich Discos nicht besonders gern mag. Eine Bar reicht doch auch", sagte ich leicht genervt. Immer musste sie mich in irgendwelche Discos schleppen, wo mich dann so eklige Typen antanzten und der Meinung waren ihr Geschlechtsteil an mir zu reiben. Ehrlich gesagt verstehe ich diese Generation sowieso nicht wirklich, ist das die neue Art sich an Frauen ranzumachen? Man kann ja auch einfach nur nett lächeln und auf Abstand tanzen und sich nachher in einer etwas ruhigeren Umgebung kennenlernen oder Nummern austauschen. Da sich dort meistens sowieso alles nur um Sex dreht, fragte ich mich wie Valerie auf die Idee kam mir dort einen Freund zu suchen. Alleine schon dieses Suchen hörte sich echt mies an, so verzweifelt war ich echt nicht. Meine letzte Beziehung war zwar schon zwei Jahre her, aber bisher war halt noch nicht der Richtige da. Ich träumte nicht von einem wunderschönen Prinzen auf dem Pferd, aber gemeinsame Interessen und ein gutes Herz sollten schon vorhanden sein, bisher waren die meisten Männer eher sehr unreif und wurden nach einiger Zeit ziemlich ungeduldig und unfreundlich, weil ich viel Wert auf Dates und das Kennenlernen legte.

"Ach komm schon Jade, das wird lustig. Außerdem hast du mich letztens gezwungen diesen Horror Film mit dir zu gucken und du weißt ich hasse das, aber am Ende war es sogar voll cool", versuchte Valerie mich zu überzeugen.

"Aber heute ist doch mein Geburtstag, also wäre es ja nur logisch das zu tun was ich möchte", warf ich ein. Aber so wie ich Val kannte war es sinnlos zu diskutieren, ich musste mich dann wohl mit der Idee anfreunden heute feiern zu gehen und so schlimm konnte es ja nicht werden, zur Not gab es ja noch den Alkohol, den ich jetzt auch ohne gefälschten Ausweis trinken durfte.

Nach dem Essen ging ich wieder nach oben um meine Haare und mein Make-up zu machen und mir was schönes anzuziehen, schnappte mir danach meine Tasche und schaute noch ein letztes Mal in den Spiegel. Meine jetzt leicht gewellten waldgrünen Haare gingen mir bis unter die Brust, was ich für die perfekte Länge hielt. Es war manchmal schon sehr anstrengend sie zu pflegen und für das Tönen brauchte ich ziemlich viel Farbe aber es sah gut aus. Mein Eyeliner und der rote Lippenstift gingen wieder in Richtung der fünfziger Jahre, aber mein Outfit war eher Richtung der neunziger. Ich trug ein gestreiftes Shirt und dazu eine helle kurze Latzhose mit grünen Doc Martens, passend zu meinen Haaren und übrigens meine Lieblingsschuhe.

"Na endlich, das hat eine gefühlte Ewigkeit gedauert", meckerte Valerie mal wieder und rollte mit den Augen. Ich wusste aber, dass es nur Spaß war, sie brauchte doppelt so lange zum Anziehen wie ich.

"Warte mal, wie wollen wir eigentlich shoppen gehen, wenn heute Sonntag ist?", fiel mir ein. Bei uns hatten die Läden sonntags immer geschlossen und am Hauptbahnhof gab es nichts besonderes.

"Wieso bist du eigentlich so verpeilt, Jade? Verkaufsoffener Sonntag, wir haben doch am Freitag erst darüber gesprochen, du solltest echt weniger träumen"

Oh verdammt, da war ja was. Ich erinnerte mich wieder, dass einige aus unserer Klasse darüber gesprochen hatten am Sonntag shoppen zu gehen, einige wollten sich neue Bikinis kaufen, weil wir am letzten Schultag zusammen schwimmen gehen wollten. Denn wir hatten jetzt Mitte Juni und es waren nur noch drei Tage bis zu den Sommerferien, außerdem war es sehr warm, weshalb wir auch schon gegen zehn Uhr früh zum Shoppen losgingen.




True Colors | girlxgirlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt