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"Du bist so wunderschön", sagte sie und strich mir eine Haarsträhne hinters Ohr. Mein Gesicht war nur noch wenige Zentimeter von ihrem entfernt. Ich schaute ihr tief in die Augen ehe meine Lippen sich auf ihre legten. Sie schlang ihre Arme um meine Taille und zog mich näher an sich. Ich spürte jede einzelne Berührung auf meiner Haut, atmete ihren femininen Duft ein, ließ mich fallen und blendete alles um mich herum aus. Nur sie und ich. Wir lösten uns voneinander und schauten uns einfach nur an. Ihre langen roten Haare waren in einen lockeren Dutt gebunden, den ich aber sanft öffnete und durch ihre welligen Haare strich.
"Ich liebe dich", es fiel mir so leicht diese Worte auszusprechen, denn sie war es, die ich schon immer wollte. Sie war die Frau, die mein Herz gestohlen hatte.
Doch die Wärme, die ich gerade eben noch verspürt hatte, war plötzlich verschwunden. Ich fing zu zittern an, denn es war eiskalt. Ich schaute mich um, doch ich sah nur Dunkelheit. Als ich mich zurückdrehte um nach ihr zu schauen, sah ich stattdessen Valerie vor mir stehen. Aber sie sah nicht aus wie die Valerie, die ich kannte. Ihre Augen waren komplett schwarz, wie die eines Dämons, die Schminke verlaufen und ihre Zähne spitz, wie die eines Monsters. Ich stand da wie gefesselt und konnte mich nicht rühren. Es tauchten immer mehr Personen auf, die genauso aussahen wie sie. Menschen, die ich kannte. Meine Eltern, meine Freundinnen, meine Klassenkameraden, sogar meine Lehrer. Sie starrten mich einfach nur an.
"Jade ... Jade ... Jade ...", flüsterten sie gemeinsam meinen Namen, als sie auf mich zugingen. Endlich schaffte ich es mich umzudrehen und ich rannte. Ich rannte auf das Licht zu, das ich sah. Dort stand mein Mädchen, ihre Haare leuchteten wie die untergehende Sonne und sie lächelte. Wie schön ihr Lächeln doch war ... ich lief ihr entgegen und streckte meine Hand nach ihr aus, doch ich stolperte und fiel. Die Dunkelheit ergriff mich und zog mich zu sich. Das letzte was ich sah waren schwarze Augen und Krallen, die sich in meine Haut bohrten und mir die Luft zum Atmen nahmen.

Schweißgebadet wachte ich auf. Mein Herz raste und ich schnappte nach Luft. Ich konnte nicht mehr klar denken, ich hatte einfach nur Angst und alles was ich wollte war jemand, der mich in den Arm nahm. Doch ich hatte niemanden.
Ich schaute auf mein Handy, es war drei Uhr morgens. Ich sah Nachrichten von Valerie, von Daria und auch Lucy schrieb mir, weil sie etwas wissen wollte. Doch ich wollte ihnen allen nicht antworten, niemand von denen würde mich verstehen. Doch dann sah ich diese eine Nachricht, sie war von Ash ...

"But I see your true colors
Shining through
I see your true colors
And that's why I love you
So don't be afraid to let them show
Your true colors
True colors are beautiful
Like a rainbow

Show me a smile then
Don't be unhappy, can't remember
When I last saw you laughing
If this world makes you crazy
And you've taken all you can bear
You call me up
Because you know I'll be there"
(Cyndi Lauper - True Colors)

Schon wieder diese verdammten Tränen. Ich habe ihn verletzt und trotzdem schickt er mir diesen wundervollen Text. Ich wusste nicht ob es Tränen der Freude oder der Trauer waren. Auch wenn er dieses Lied bewusst ausgewählt hatte, ignorierte ich die zweite Bedeutung davon und freute mich darüber, dass er so über mich dachte. Denn 'True Colors' bedeutete so viel wie 'wahres Gesicht'. Ich erinnerte mich an seine Worte von gestern: "Du bist so ein wundervoller Mensch, auch wenn du deine schöne Seite oft hinter deinem Sarkasmus versteckst, weil du denkst es ist nicht cool genug liebevoll und nett zu sein."

Das war genau das was ich brauchte nach so einem schlimmen Traum, jemand, der mich liebte so wie ich bin.

"Danke ... und es tut mir wirklich leid wegen dem, was ich zu dir gesagt habe. Das war nicht fair und ich meinte es nicht so. Ich habe es sofort bereut, aber ich konnte mich einfach nicht bewegen, obwohl ich mich sofort entschuldigen wollte. Es geht mir echt nicht gut. Ich habe gerade sehr schlecht geträumt und dann habe ich deine Nachricht gelesen und sie hat mich glücklich gemacht, denn du hast Gutes in mir gesehen, was nicht mal mehr ich in mir sehen kann. Ich danke dir dafür vom ganzen Herzen und ich bin froh, dass du für mich da bist und ich hoffe du kannst mir vergeben. Du bist der einzige, der noch wirklich für mich da ist. Sogar Val scheint sich nicht für mich zu interessieren, sie hat mich ernsthaft gefragt ob was zwischen uns gelaufen ist. In meinem Traum war sie ein Dämon mit schwarzen Augen und spitzen Zähnen, ob das wohl was zu bedeuten hat ... und bitte, rede nicht mehr über das ganze du-weißt-schon Thema, ich möchte es nicht hören. Sei einfach für mich da, bitte ...", schrieb ich ihm eine lange Nachricht.

Obwohl ich nichts mehr davon hören wollte, beschäftigte mich dieses Thema immer noch. Der erste Teil des Traums war eigentlich ganz schön, jedenfalls fühlte er sich gut an bevor die Dunkelheit kam. Aber es war falsch, ich war hin und her gerissen und wusste nicht, was ich denken sollte. Könnte ich wirklich lesbisch sein? Nein, oder? Ich hatte zwei Beziehungen mit Jungs und ich habe sie doch eigentlich geliebt, oder? Langsam fing ich an alles zu hinterfragen, ich war komplett verwirrt. Ich darf keine Lesbe sein, das ist unnatürlich und schlecht. Ich brauche einen Mann, ja genau, einen starken großen Mann, der mich beschützen kann. Aber dieser Gedanke hörte sich auch irgendwie falsch an, ich wusste nicht, ob es wirklich das war, was ich wollte.

Ich nahm meinen Laptop vom Tisch und öffne das Internet. Meine Finger zitterten, als ich "Bin ich lesbisch?" bei Google eingab. Es kamen viele Tests raus, natürlich war mir klar, dass es nicht wirklich was aussagen würde. Dennoch wollte ich einige machen, es konnte sowieso nichts anderes bei rauskommen außer Hetero.

Ha! Ich wusste es, da stehts doch, ich bin nicht lesbisch. Bei dem anderen Test kam dasselbe raus, kann ja kein Zufall sein, oder? Ich meine ich hatte noch nie was mit einem Mädchen, ich will es auch nicht, weil es eklig ist, es sollte verboten werden. Ich will mir auch keine Bilder von küssenden Frauen ansehen, obwohl es irgendwie süß ist, aber nein, nein das ist eklig. Okay, einige Fragen habe ich mit ja beantwortet, ich schaue manchmal Frauen hinterher oder schaue meinen Klassenkameradinnen beim Umziehen zu, aber das macht doch jeder, oder? Zum vergleichen, meine ich natürlich. Außerdem sind Frauen nun mal das schönere Geschlecht, das ist ein allgemeiner Fakt und hat mit meiner Sexualität nichts zu tun.

Eigentlich war damit doch alles geklärt, Ash hatte unrecht. Aber ich fühlte mich noch immer so leer und beunruhigt. Der Traum war immer noch im meinem Kopf und ich bekam kein Auge zu, weil ich die Dämonen dann wieder klar und deutlich vor mir sah. Was hatte der Traum zu bedeuten? Valerie war meine beste Freundin, auch wenn sie häufiger nur mit sich selbst beschäftigt war, meine Eltern waren sehr liebe Menschen. Und dieses Mädchen ... ich fasste mir an die Lippe und erinnerte mich an den Kuss im Traum. Es fühlte sich so real und so schön an.

Oh Gott, was mache ich da jetzt? Mein Unterbewusstsein spinnt komplett. Dieser Traum hat keine Bedeutung, Ash hat mich einfach nur verwirrt und Valerie hat nicht angerufen, ich bin ein bisschen sauer auf sie und deshalb ist sie der Hauptdämon in meinem Traum gewesen. Ja genau, so muss es gewesen sein.
Ich stellte den Laptop weg und legte mich wieder ins Bett und versuchte zu schlafen. Das ganze Nachdenken hatte mich müde gemacht und so schlief ich doch tatsächlich ein trotz der Erinnerung an den Albtraum.


True Colors | girlxgirlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt