Als Fae wieder erwachte, war das erste, das sie wahrnahm, der harte Untergrund, auf dem sie lag. Ihre Glieder schmerzten. Langsam öffnete sie die Augen. Sie erblickte ein Zimmer. Vermutlich ein Arbeitszimmer. Unterhalb von ihr stand ein großer Schreibtisch aus Holz und an den Wänden waren mehrere Bücherregale befestigt. Außerdem gab es eine Werkbank auf der allerlei seltsame Apparaturen standen. Alles befand sich geordnet an seinem Platz. Vorsichtig richtete sie sich auf. Da hörte sie Schritte vom Gang. Hastig blickte sie sich nach einem Versteck um. Sie stand auf einem Regalboard, ziemlich weit oben und weitestgehend leer. Hier gab es nichts, das als Versteck dienen konnte. Die Türe ging auf und das erste, was Fae erblickte, waren eine weite, dunkelblaue Robe und der passende, spitz zulaufende Hut dazu. Ach neee, dachte sie bei sich. Kein Zauberer! Zauberer waren so ziemlich die einzigen Kreaturen, die sich nicht freuten, einer guten Fee über den Weg zu laufen. Es galt unter ihnen als verpönt, die Wunschkraft einer Fee in Anspruch zu nehmen. Viele sahen es als Eingeständnis der eigenen Machtlosigkeit an.
Erst auf den zweiten Blick fielen Fae der Teller mit dem selbstgemachten Sandwich und die Tasse Tee in die Augen, die dem Zauberer durch die Tür folgten. Er ging hinüber zum Fenster und setzte sich in den großen Stuhl. Sandwich und Tee landeten auf seiner Armlehne. Dann ließ der Magier seinen Blick über die Landschaft schweifen. „Es muss doch irgendeinen Weg geben...", hörte sie ihn vor sich hin murmeln. „Ich wünschte...".
„Halt, nein, nicht wünschen!" Fae sprang auf und flatterte auf ihn zu. Sie war nur ungefähr so groß wie seine Handfläche, so dass er sie erst entdeckte, als sie direkt auf ihn zukam.
Zwar waren Fee und Wünschender normalerweise erst verbunden, wenn beide sich zur selben Zeit erblickt hatten, so dass sein unüberlegt ausgesprochener Wunsch vermutlich keine Wirkung gehabt hätte. Aber Fae war sich nicht sicher, ob in diesem Fall nicht bereits Frau Machmichfroh die beiden mittels eines Zaubers aneinander gebunden hatte.
„Was machst du denn hier?" Für Jahson, den mächtigen Zauberer, waren Feen nichts als überflüssige Insekten. Leider waren sie als intelligente Rasse anerkannt. Somit konnte er sie nicht einfach zerquetschen.
„Ich bin deine Wunschfee, herzlichen Glückwunsch!", sie zwang sich zu einem Lächeln. Der Zauberer blickte sie teils amüsiert, teils angeekelt an. „Na dann viel Glück. Ich werde mir bestimmt nichts wünschen."
„Ach komm. Drei Wünsche und ich bin gleich wieder weg."
„Nee." Er wandte den Blick ab, aber Fae flog einfach um ihn herum, bis sie ihm wieder in die Augen blicken konnte.
„Komm schon! Du wirst mich vorher eh nicht wieder los." Viel Hoffnung hatte sie nicht, mit dem Argument weiterzukommen. Sie hatte schon oft genug von Feen gehört, die verdammt waren, ihrem Wünscher jahrelang zu folgen, bis dieser aus Versehen drei Mal einen Wunsch geäußert hatte. Gerade Zauberer konnten ausdauernd sein und achteten genau auf ihre Formulierungen. Manche Fee war Gerüchten zufolge auch einfach erschlagen worden, damit ihr Wünscher sich nicht die Blöße geben musste, indem er Hilfe von einer Fee annahm.
„Warum hast du überhaupt was gesagt?", fragte er. „Wenn du einfach still gewesen wärst, gäbs kein Problem. Ich hätte dich vermutlich nie gesehen." Wenigstens kannte er sich aus.
„Ja, aber ich schätze, das hätte nichts gebracht. Ich bin zur Strafe hier."
„Zur Strafe?"
„Ja. Weil ich mir die Haare geschnitten hab."
Ein Grinsen erschien auf dem Gesicht des Magiers. „Ernsthaft?" So langsam fand er Gefallen an dem winzigen Geschöpf.
„Ja. Dürfen wir Feen nicht. Und jetzt muss ich dir drei Wünsche erfüllen."
„Na dann viel Glück." Damit wandte er sich wieder dem Fenster zu und starrte hinaus.
„Und was heißt das jetzt?"
Das wüsste Jahson auch nur zu gerne. Er musste hinüber zu Ludwigius. Dann musste er in das Schloss eindringen und ihm das Weltenauge entreißen. Das alles war kompliziert genug. Die Kräfte der Glücksfee einzusetzen schien da verlockend. Aber das ging nicht. Er war ein ehrenhafter Zauberer. Und wenn ... Ja, wenn ... dann durfte es zumindest niemand mitbekommen.
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Kurzgeschichten - schräg und kurz
Historia CortaGeschichten, die kurz sind. Verrückt bis fantastisch. Eine Frau hört ein Pfeiffen aus einer Wand. Der Nachbar hat etwas komisches im Keller. Ein Spaziergang durch den nächtlichen Dschungel. Traumlose Nächte. Ein Flug durch die Sterne und vieles meh...