Jahson der jähzornige Zauberer - Teil 4

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„Ich wünsche mir, vor dem Schloss von Ludwigius dem Waldschrat zu stehen." Der Glitzer, der auf ihn zu strömte, quoll aus dem kleinen, rosa Zauberstab, den die Fee in ihren Rockbund gesteckt hatte. Mehr konnte Jahson nicht mehr sehen, da die Staubwolke ihn komplett eingehüllt hatte.
Eine Sekunde später spürte er einen weichen Untergrund unter seinen Füßen und Wasser, das in seine Schuhe drang.
Über sich erblickte er die Mauern und Türme des zerfallenen Schlosses. Er musste grinsen. Was für ein Geniestreich. Der Wunsch der Fee hatte ihm den weiten Weg erspart. Außerdem hatte keiner etwas bemerkt und er war das Flattervieh fürs erste los.
Kurz kam ihm der Gedanke, ob es nicht schlauer gewesen wäre, sich direkt ins Innere des Schlosses zu wünschen. Aber dafür kannte er sich nicht gut genug darin aus. Wer weiß, wo er gelandet wäre. Vermutlich im Kerker.

Fae griff nach dem Zauberstab, der aus ihrem Rock zu fallen drohte. Er vibrierte und bebte beim Hervorbringen der riesigen Glitzerwolke. So ein Vollidiot, dachte sie bei sich.
Als der rosa Dunst sich verzogen hatte, stand der große Schreibtischstuhl des Zauberers verlassen da. Missmutig ließ sich Fae darauf nieder und schaute aus dem Fenster. Am Horizont konnte jetzt auch sie das Schloss von Ludwigius erkennen. Na toll, jetzt darf ich ihm den ganzen weiten Weg hinterher fliegen. Die Alternative wäre, hier zu warten bis er von seinem Ausflug zurückkam. Aber die Wahrscheinlichkeit war größer, dass er ihre Hilfe brauchte, während er unterwegs war. Und dann war da ja noch die Feenregel, dass gute Feen ihre Schützlinge bis zur Erfüllung der drei Wünsche eigentlich nicht aus den Augen lassen sollten. Sie hoffte, dass für diesen Extremfall mildernde Umstände galten. Ansonsten hätte sie jetzt bereits versagt.
Wenigstens hatte sie in Zauberkunde gut aufgepasst. Nur mit der Kraft ihrer Flügel hätte sie wohl weder die schwere Holztür zum Turmzimmer, noch die Dachluke zur Aussichtsplattform aufbekommen. Doch wenige Minuten später saß sie erschöpft, aber auch erleichtert auf den Zinnen des Turmes und betrachtete den Weg, der vor ihr lag.

Fae flatterte die große Hauptstraße entlang. Ihre Wut über den dummen Zauberer wuchs mit jeder Minute. Sie war seit dem Morgengrauen bereits einige Stunden wieder unterwegs. In der späten Nacht hatte sie ein kleines Gasthaus gefunden, das von einem Gnom betrieben wurde. Er war so freundlich, ihr das letzte freie Zimmer zu geben. Natürlich mit der Bedingung, dass sie sofort gehen musste, wenn ein Gnom kam. Aber sie hatte Glück gehabt und konnte wenigstens ein paar Stunden schlafen. Die Nacht war allerdings nicht allzu erholsam gewesen. Immer wieder hatte sie sich überlegt, was sie dem Zauberer an den Kopf knallen könnte. Als Wunschfee hätte sie ihm bei seiner Angelegenheit vermutlich besser helfen können, wenn sie ihn hätte beraten können. Aber das hatte der feine Herr Zauberer ja nicht nötig.
Gute zwei Stunden später flog sie durch ein kleines Waldstück. Als sich die Bäume vor ihr auftaten, sah sie das Schloss von Ludwigius dem Waldschrat majestätisch vor sich aufragen. Und wenige Meter vor ihr lag der Zauberer im Matsch und schien zu schlafen. Fae raste auf ihn zu, wutentbrannt und prügelte auf seine Schulter ein.

Jahson erwachte von einem sanften Tippen auf seiner Schulter. Seine Haut war mit Feuchtigkeit überzogen und nasse Grashalme piekten ihn in die Nase. Völlig gerädert von der letzten Nacht richtete er sich auf. Gestern Abend hatte er zunächst das Schloss umrundet, um nach potenziellen Schwachstellen zu suchen. Das Gemäuer war von einem Burggraben umgeben. Da Jahson in der Lage war, ein paar Meter weit zu schweben, stellte der für ihn jedoch kein Problem dar. Auf der Rückseite des Anwesens hatte er dann tatsächlich ein kleineres Tor gefunden und wollte sein Glück versuchen. Doch bereits beim Überqueren des Burggrabens hatte er feststellen müssen, das Ludwigius besser vorbereitet war, als gedacht. Er hatte gerade die Mitte des Burggrabens erreicht, als sich unter ihm das Wasser zu kräuseln begann. Dann waren Algenarme emporgeschossen und hatten sich um seine Knöchel gelegt. Es hatte ihn einiges an Kraft gekostet, nicht von den Algen hinab ins Wasser gezogen zu werden. Glücklicherweise hatte er sein Runenmesser dabei, welches er normalerweise nutzte, um magische Pflanzen zu ernten. Damit hätte er sogar die Wurzeln des zermalmenden Mammutbaumes durchtrennen können, die als die härtesten der Welt galten. Auch wenn er solche abenteuerlustigen Ernten lieber anderen überließ und solche Zutaten auf dem Basar kaufte, benutzte er das Messer gerne beim Rinde oder Weidenäste sammeln. Auch gegen die Algen erwies es ihm gute Dienste. Mit wenigen Hieben hatte er die dicken, glibberigen Stränge durchtrennt. Danach hatte er alle Kraft aufgewandt, um höher zu fliegen, so dass die Algen ihn nicht mehr erreichen konnten. Als er dann das andere Ufer erreicht hatte, war er erstmal komplett erschöpft gewesen. Glücklicherweise hatte er ein paar Mammutkugeln dabei. Kleine Kügelchen, die zum Teil aus dem Pulver des zermalmenden Mammutbaumes bestanden. Äußerst wichtig für Zauberer, da jede Art der Magie viel Kraft kostete, die durch diese Kügelchen wieder hergestellt wurde. Ähnlich wie Kaffee, der Müdigkeit vertreibt. Jahson hatte daraufhin mit allen Möglichkeiten versucht, die Hintertüre, die er gefunden hat, zu öffnen. Mit Feuerbällen, Schlossöffnungszaubern und materialisierten Rammböcken. Nichts half. Seine Mammutbaumkugeln gingen langsam zur Neige. Das Schloss war perfekt gegen magische Angriffe gesichert. Somit hatte er beschlossen, seinen Weg rund um das Schloss weiter zu verfolgen. Vielleicht bot sich ja noch an anderer Stelle eine gute Einstiegsmöglichkeit. Doch außer dem kleinen Tor hatte er keinen weiteren Zugang gefunden. Mit seinen erweiterten Sinnen hatte er nach unterirdischen Tunneln oder magisch verborgenen Türen gesucht. Doch er hatte nur das Abflussrohr gefunden, das bis zum Rand voll mit Abwasser stand. So war er in den frühen Morgenstunden wieder an der Stelle angekommen, an der er losgegangen war. Er hatte sich vor Erschöpfung hingesetzt und war kurz darauf eingeschlafen.

Das Sonnenlicht blendete den Magier und ein kleiner Schemen schwirrte vor der grellen Sonne umher. Erst auf den zweiten Blick erkannte er die Fee. Als er sah, wie das kleine, zierliche Wesen die Fäuste in die Hüften gestemmt hatte und ihn böse anblickte, musste er trotz seiner Verfassung schmunzeln. „Na du bist aber ganz schön hartnäckig." Die gute Fee zeigte keine Reaktion, flatterte nur weiter um ihn herum.
„Was sollte denn das? Wenn es dein Ziel war, hier im Dreck zu liegen, dann herzlichen Glückwunsch. Wenn nicht, dann frag mich das nächste Mal, bevor du dir wieder so eine Dummheit wünschst. Und wünsch mich das nächste Mal mit, das erspart uns beiden eventuell eine Menge Ärger." Eigentlich ersparte es nur ihr eine Menge Ärger. Sie war es schließlich, die ihn nicht aus den Augen lassen durfte. Aber sie hoffte, dass seine anscheinend hilflose Situation ihr zugutekam.
„Gut. Dann wünsche ich ab jetzt vernünftiger. Ich wünsche mich in das Schloss von Ludwigius dem Waldschrat." 

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⏰ Letzte Aktualisierung: Apr 23, 2017 ⏰

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