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Die Zahnräder in meinem Gehirn ratterten so schnell, dass ich glaubte ich würde sie Klacken hören. Die Räder rotierten unaufhaltsam. Bis sie sich plötzlich verhakten. Mein Verstand stand still. Ein schwindelerregender Gedankenstillstand.
Ein zusammengefalteter Zettel fiel aus der Luft herab.

Ich fing ihn nicht auf. Es war mir klar wer der Absender war. Und es machte mir Angst, dass er wusste wo ich war. Der Orden und der Dunkle Lord. Wer erwartete mich hier noch? Wusste Dumbledore davon?
Der Drang diese Nachricht zu zerstören war groß. Aber die Neugier nagte an mir. Vielleicht war es gar nicht Voldemord. Einfach ein Zufall. Eine Stimme flüsterte mir spöttisch das Gegenteil zu. Es gibt keine Zufälle.
Schließlich überwand ich mich.

Auf welcher Seite stehst du?

Diesmal sparte Voldemord sich die Unterschrift. Mein verdammter Vater wusste ganz genau wo ich war und was ich tat.
Hitze glühte in meinen Fingerspitzen. Er fragte es geradeherraus. Keine Rätsel. Wahrheit.
Auf welcher Seite stand ich?
Gut oder Böse. Dunkel oder Hell. Tag oder Nacht.
Ehrlich gesagt, ich wusste es nicht.
Für mich war nur eines klar. Ich war nicht Gut oder Böse, ich war ich. Eine Amina.

Hauchzarte Flammen versengten das Pergament. Schreiend ließ ich es fallen. Und eine Gewissheit schlich sich in mich.
Ich ließ Lord Voldemord fallen.

***

Das Handtuch schmiegte sich eng um meine Hüften. Wasser tropfte von mir herab und hinterließ eine Pfütze auf dem Boden. Ein befriedigendes Brennen kroch meinen Bizeps hinauf. Die Muggel wussten wirklich wie man richtig Muskelkarter bekam.
Ich durchforstete den Kleiderschrank nach einem Hemd.

Plötzlich pochte es am Fenster. Meine Hände suchten nach meinem Zauberstab. Vergeblich. Natürlich.
Und es war zur meiner Erleichterung nur eine Eule.
Neugierig ließ ich den braunen Vogel durchs Fenster hinein. Im Schnabel klemmte ein Brief.
Die Eule kam mir nicht bekannt vor. Ein Brief von Hell war es ganz sicher nicht. Der war schlecht. Aber wer sollte mir schreiben? Diese Schlappschwänze hatten ganz sicher dafür gesorgt, dass nichts zu uns durchdringt. Meine Hand glitt vorsichtig durch das Federkleid der Eule. Schnell schnappte ich mir den Brief.
Das Siegel meiner Familie war geöffnet. Noch nicht einmal magisch verschlossen hatten sie es. Eindeutig eine Warnung. Wir wissen alles.
Was mir meine Eltern wohl geschrieben hatten? Ich hatte mich nicht von ihnen verabschiedet. Ehrlich, es tat mir nur minimal leid.

Lieber Draco,

dein Vater und ich waren sehr enttäuscht darüber, dass du uns keine Nachricht hast zukommen lassen. Wir haben erst über Dumbledore davon erfahren. Glaube mir, dein Vater hatte einen Tobsuchtsanfall.
Ich vermisse dich sehr, Liebling. Aber ich bin dir über deine Entscheidung nicht böse, wenn ich jedoch mehr ver
Die Eule wurde erst vom Ministerium abgefangen. Anschließend wurde der Brief auf alle Arten von Magie und über den Inhalt überprüft, deshalb habe ich erst gar nicht versucht dir von deines Großvaters Leben zu berichten.
Wie geht es dir? Behandelt man dich deines Standes gemäß?
Ich hoffe der Brief erreicht dich.

In Liebe
Deine Mutter
und Vater

Oh, wie gut konnte ich mir vorstellen, dass Vater das halbe Manor demoliert hat. Insgeheim freute ich mich darüber mich ihm endlich widersetzt zu haben. Und das mit dem Leben meines Großvaters war nichts anderes als eine Umschreibung unseres Langzeitbesuchers Lord Voldemord.
Ich war unentschlossen zu antworten, aber meiner Mutter zu liebe, würde ich es wohl tuen. Dass Vater nicht einmal den kleinen Finger für diesen Brief gerührt hat, war klar. Gerne würde ich jetzt wie Hell das Papier einfach bloßen Händen in Feuer setzen. Aber das war nur Wunschdenken.
Sorgfältig faltete ich den Brief zusammen. Die Eule beobachtete mich mit ihren großen intelligenten Augen.
"Sorry", murmelte ich. "Heute gibt's leider nichts."
Ich stopfte den Brief in meine Hosentasche. Dann zog ich mich rasch an, bevor ich hinunter in die Küche ging.
Ich erstarrte.
Hell war in der Küche. Sie saß am Küchentisch und sah niedergeschlagen in ihre Teetasse rein. Ihre Haare waren leicht zerzaust, als ob sie mehrmals mit den Händen durchgegangen war.
Wie sie da so saß, verloren, allein mit ihren Gedanken, hätte ich sie zu gern in den Arm genommen und an mich gedrückt.
Stattdessen vergrub ich meine Finger in den Hosentaschen. Ehrlich gesagt, ich war nervös.
"Morgen", brummte ich sehr intelligent.
Erschrocken fuhr Hell zusammen. Dabei fiel ihre Tasse vom Tisch. Blitzschnell schnellte ihre Hand hervor. Zentimeter über den Boden fing sie es auf. Erstaunt kam ihm an den Tisch.
"Wie geht's dir?"
Kaum hatte ich die Worte ausgesprochen, wurde mir klar, wie bescheuert das klang. Sie war kurz davor in ihren Tee zu weinen. War doch klar wie es ihr ging.
Verlegen kratze ich mich am Hinterkopf.
Hell sah mich abwesend an.
Als sie immer noch nicht antwortete zog ihn mir einen Stuhl zurecht und nahm Platz.
Erst jetzt sah sie auf.
"Was?"Irritiert taxierte sie mich.
Ich wiederholte die Frage nicht. Natürlich ging es ihm nicht gut.
"Hast du Lust zu reden?"
Auch diese Frage war mehr als dumm. Warum konnte ich in ihrer Anwesenheit nicht wenigstens eine vernünftige Sache zustande bringen?!
Sie zögerte kurz. "Nein", antwortete Hell schließlich.
Ich hatte mich da reingeritten, also würde eich jetzt keinen Rückzieher machen. Langsam färbte Hells Gryffindorkram auf mich ab.
"Was haben sie mit dir gemacht?", fragte ich möglichst ungerührt. Wo ist deine Pokerface hin?
Hell schlürfte an ihrem Tee.
"Nichts."
Das Murmeln klang ganz und gar nicht nach nichts. Ich spürte kalte Wut in mir aufsteigen. Wenn sie ihr was antun oder schon getan haben...
Als ich sie weiterhin stumm musterte, wiederholte sie das Nichts. Diesmal etwas lauter und klarer.
Es schmerzte zu wissen, dass es einst eine Zeit gab, wo ich immer in ihr Vertrauen einbezogen wurde.
Aufrecht lehnte ich mich am Stuhl an. Dir Arme verschränkte ich vor der Brust.
"Wieso lügst du?" Meine Mimik war ausdruckslos.
Plötzlich war ihr Blick wahrhaftig auf mich gerichtet und ging nicht abwesend durch mich hindurch.
"Weil ich es selbst nicht weiss." Hell sprach leise. Es war wie ein zaghafteroter Windstoß. Sie wog ihre Worte sichtbar ab. Jede ihrer Emotionen stand offen in ihrem Gesicht. Und ich sah wie aufgewühlt sie war.
Stillschweigend wartete ich, dass sie weiter sprach. Wir Slytherins hatten durchaus eine gute Geduld.
"Auf welcher Seite stehst du." Es war keine Frage an mich. Hell schien sich selbst zu fragen. Mir lag schon des Ordens auf der Zunge. Stattdessen wartete ich weiter auf ihre Worte. Etwas ging in ihr vor.
Ich wunderte mich, wieso kein Rauch aus ihren Ohren stieg.
Dann stand Hell aufeinmal auf.
Ihre Augen durchbohren mich. Grün wie das Moos im Winter. Dunkel und statt.
Sie ging wortlos weg.

***

Auf welcher Seite stehst du?

Immer wieder stellte ich mir die Frage. Gut oder Böse? Hell oder dunkel?
Es ist doch klar, schallte ich mich.
Du bist gut.
Aber das hörte sich so falsch an. Wie konnte ich gut sein, wenn mich der Orden nicht akzeptierte? Wenn ich ein Monster war?
Mir schwirrte der Kopf. Ein langer Schwall heftiger Flüche verließ meinen Mund.  Wieso konnte man das Gehirn nicht einfach mal ausschalten...

Die Nachmittagssonne verschwand gerade hinter den Baumwipfeln, als ich die Tür zu meinem Zimmer aufstieß. Die Sonne ließ glitzernde Strahlen durch die Balkontür in mein Zimmer fallen. Der Weg führte mich immer wieder hierhin zurück. Andauernd landete ich in meinem Zimmer, bestenfalls auf dem Bett. Doch diesmal ging ich wie am ersten Morgen auf den Balkon. Ich betrachtete das undurchdringliche grün unter mir. Der Urwald sah unberührt aus. Seit Äonen bestehend und vom Menschen unangetastet. Es sah so friedlich aus und gleichzeitig wie ein wildes Chaos. Komischerweise erinnerte der Regenwald mich an mich selbst. Von außen mochte ich oftmals einen kontrolliert friedlichen Eindruck machen, doch wer mich genauer beobachtete sah den Wahnsinn in meinen Augen.                                                                                    Meine Fingerspitzen wanderten über das lackierte Geländer. Das Holz war noch aufgewärmt von der heißen Nachmittagssonne. Wenn es wirklich stimmte, war ich unsterblich. Ich würde sehen wie Leben vergeht und gedeiht. Wie Menschen gehen und kommen. Wie die Welt sich dreht. Nur ich würde bleiben. Allein. Noch nicht einmal Draco würde mir bleiben. Oder Hermine.

Eine Träne löste sich aus meinem Augenwinkel. Wo war mein Mut? Wo gehörte ich hin? Wer war ich?

Ab da sah und spürte ich die Welt nur durch einen faden Nebel. Wie als wenn man durch Milchglas schauen würde. Verschwommen und undeutlich. Irgendwie hatte ich das Zimmer verlassen. Schreiend. Meine Brust riss auf und die schwarze Wolke schoss raus. Immer lauter. Immer schneller. Immer weiter. Umhüllt von dunklen Rauch gelangte ich nach draußen. Schwüle Luft schwappte mir entgegen. Und Dunkelheit. Dann steige ich auf. Ich drehe mich wie eine Spirale in den Himmel. Mit der Geschwindigkeit eines Pfeils. Schneller und schneller. Ich spürte Hitze und Kälte. Sommer und Winter. Mein Schrei hallte wie eine Sirene über die Insel. Vögel stoben aus ihren Nestern. Die Energie durchflutete mich. Ich spürte Kraft und Schwäche gleichzeitig. Freude und Trauer.

Plötzlich fiel ich. Ich fiel aus hunderten Metern in der Höhe mit rasender Geschwindigkeit auf den Boden zu. Nichts würde mich noch retten. Würde ich sterben? War das möglich? War es jetzt Zeit?


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⏰ Letzte Aktualisierung: Apr 22, 2017 ⏰

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No way to love Draco Malfoy! Or maybe yes?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt