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Dumbledore hatte eine Notfallversorgung eingeleitet. Den Eltern wurde erlaubt ihre Kinder abzuholen und der Unterricht fiel für die nächste Zeit aus. Die Schüler wurden in der Großen Halle einquartiert, welche niemand verlassen durfte, ohne ausdrückliche Erlaubnis. Zu meinem Glück waren die Weasleys samt Harry in den Fuchsbau gegeangen. Nur Mine war geblieben. Täglich wurden Opfer in den Krankenflügel geliefert. Blutverschmiert und ein klaffendes Loch in der Brust. Es gab keinen Unterschied zwischen den Leichen. Gestern wurden mehrere Slytherin Zweit- und Drittklässler ermordet. Die Schülerzahl sank immer mehr. Viele wurden abgeholt, aber auch viele fanden den Tod. Draco und ich waren offiziell zusammen. Das war mit die einzig schöne Sache.
Angst. Angst war zum täglichen Equipment für die Schüler und Lehrer geworden. Jeder fürchtete sich, dass seine Freunde, vertraute Personen, oder gar man selber, ermordet wurde. Mir ging es ebenfalls so. Ich hatte um Hermine und Draco Angst. Es zerriss meine Nerven auf brutalster Weise. Selbst wenn einer von ihnen nur auf das von den Lehrern hergezauberte Klo ging, schlotterte ich vor Angst. Fürchterlich.
Ich saß grad dicht an Draco gekuschelt auf einem vorsorglichem Bett, welches aus einer Matte und Schlafsack bestand.
Die bedrückte Stimmung lastete schwer über dem Lager. Jeder versuchte sich selbst zu schützen und seine Freunde und Liebsten. Genauso wie Draco und ich.
Neben uns schnarchte ein Siebtklässler aus Slytherin unruhig. Immer wieder rutschte er auf der Matte hin und her. Gestern noch saß eine Drittklässlern aus Rawenclaw neben seiner Matte. Vor einigen Stunden habe ich ihren leblosen Körper auf einer der Tragen gesehen.
Ich schluckte einen dicken Klos in meinem Hals hinunter. Suchend tasteten Dracos Finger nach meiner Hand. Beruhigend löste er meinen Klammergriff aus dem Schlafsack. Ich hasste die Erinnerungen an die zugerichteten Opfer. Im Gegensatz zu meinem Verstand strahlten meine Emotionen dann ein abartig schönes Gefühl aus. Eine Gänsehaut kroch mir den Rücken hinab.Das schlimmste war jedoch, dass es nie Zeugen gab. Nie war ein Überlebender dabei.
»Ich bin da«, beruhigte mich Draco. Seine Worte milderten meine Todesangst. Müde schlug ich die Augen nieder. In den letzten Tagen hatte ich wenig geschlafen, weil ich mich immer vergewissern musste, dass Mine und Draco noch lebten. Dafür besaß ich viel Energie. Jeden Abend spürte ich sie. Nach jedem Kuss von Draco durchflutete sie mich, ließ mein Blut in den Adern schneller fließen.
Ich schwankte zwischen Erschöpfung und Kraft. Wie eine Waage, auf welcher andauernd die Gewichte neu verteilt wurden.
Die Fingerkuppen von Draco strichen in regelmäßigen Kreisen über meine Arme und Rücken, hinterließen eine dünne Spur aus Wärme. Ohne Draco hätte ich wohl nicht einmal den ersten Tag überstanden.
»Danke.«Brüchig hing das Wort in der Luft. Meine Stimme kam immer seltener zu Gebrauch. Meist schwiegen wir uns gegenseitig an und berührten uns immer wieder, als ob wir uns bestätigen müssten, dass wir noch da sind. Trotzdem sprach Draco mehr als ich. Zuhören war viel leichter, beruhigender. Es erstreckte sich wie eine Meditation über meine Muskeln und Sinne.
Sechs Glocken störten laut klingelnd den leisen Moment. Verteilt in der Großen Halle dienten sie als Warnung. Schon Sekunden darauf erschien vor jeder Matte ein Teller mit dem Abendessen. Hungrig wanderte mein Blick über die Bratkartoffeln und den Nudelsalat. Dazu lag ein Stück Fleisch am Rande des Tellers. Eines blieb jedoch erhalten. Das deliziöse Essen.
Mit einem Fingerschnipsen ließ ich mein Abendessen von meiner Matte herholen. Die zauberstablose Magie beherrschte ich immer besser.
Der Slytherin öffnete die Augen, erblickte den Teller und wand sich dann niedergeschlagen in die andere Richtung. Viele aßen kaum noch. Aus Trauer oder Angst meistens.
Hastig wandte ich mich dem reichlich gefüllten Teller hin. Mein Hunger kannte dafür keine Grenzen. Ich verschlang beinahe die köstlichen Bratkartoffeln mit dem Nudelsalat. Das Fleisch bewahrte ich mir fürs Ende auf. Draco aß langsamer als ich, wie beinahe alle anderen in der Halle.
Danach legte ich das Besteck zu Seite und lehnte mich zurück. Die Angst stand jedem einzelnen ins Gesicht geschrieben. Deutlich erkennbar waren die immer weniger werdende Anzahl der Schüler. Matten lagen leer oder wurden aus dem Verkehr gezogen.
Plötzlich stand Dumbledore im Getümmel der essenden Kinder. Mitten im Satz brachen welche ab, andere ließen ihr Besteck fallen. Dumbledore ließ sich nur blicken wenn eine neue Leiche vorgefunden wurde. Jedem stockte der Atem. Was wenn es diesmal der beste Freund oder Freundin war? Vielleicht ein Familienmitglied. Ich schluckte einen dicken Klos hinunter und hielt nach Hermine Ausschau. Wo war sie? Bitte, Merlin, ihr darf nichts passieren. Unruhig suchten meine Augen die Schar der Schüler ab. Sie muss leben. Während meiner wortlosen Panikattacke bemerkte ich gar nicht, dass Dumbledore vor mir stehen blieb. Erst als mein Blick über sein Profil huschte realisierte ich ihn. Mir stockte der Atem. Hermine! Der Schrei hallte laut in meinem leergefegten Kopf wider. Hermine!, wiederholte ich. Geh weg!, zischte ich mental daraufhin Dumbledore an. Verschwinde!
»Ich würde Sie mitnehmen, wenn Sie erlauben, Miss Riddle.«
Der Schulleiter lächelte nicht. Sein Blick war kalt, beinahe drohend. Ebenso seine sonst schwingende Stimme.
Steif stolperte ich dem schlaksigem Zauberer hinterher. In den Reihen neben mir konnte ich nirgendwo Mine sehen. Nein! Nein! Nein! Das schien mein neues Mantra, welches mich vor einer physischen Panikattacke schützte. Nein! Die Blicke der gesamten Großen Halle wandten sich auf mich. Bohrend verfolgten sie meine Schritte und tuschelten angeregt mit ihren Nachbarn. Keineswegs wurde vergessen, dass ich bisher jedes Opfer gesehen hatte. Blutverschmiert begegnete ich ihnen auf merkwürdigen Weisen. Auf dem Weg zum Klo, beim Essen oder einfach nur umher schlendern.
Schweigend steuerten wir die Kerker an. Die Kälte hing schneidend in der Luft und ich vermisste den gesprächigen Professor Dumbledore. Fröstelnd rieb ich mir über die Arme. Hier unten wurde seit Wochen nicht mehr geheizt. Dumbledore bog in mir unbekannte Gänge. Langsam wurde ich nervös. Ich glaube es ging gar nicht um einen Mord. Wieso führte er mich hier unten hin?
Auf einmal stoppte Dumbledore. Leise kramte er ein schwarzes Tuch aus seinem Umhang. Er wollte doch nicht etwa..?
Schon war alles schwarz. Orientierungslos irrte ich von Dumbledore geführt durch die Korridore. Meine Nervosität wuchs immer mehr. Wieso durfte ich nicht sehen wo es hingeht?
Sicherheitshalber merkte ich mir wie oft wir abbogen, doch bald verlor ich den Überblick. Wollte Dumbledore mir etwas wertvolles zeigen?
Dann blieben wir stehen. Mein Führer kramte nach einem Schlüssel und schon bald hörte ich das Schloss knacken. Sorgfältig verschloss er sie wieder. So ging es einige Türen weiter. Bis er eine aufschloss und mir dahinter die Augenbinde abnahm.
Ich glaubte meinen Augen kaum. Es sah hier aus wie in einer Gefängniszelle aus den Muggelkrimis. Die Wände aus massiven Stahl, keine Fenster. So langsam breite sich eine bittere Ahnung aus was das hier sollte.
»Wie Sie wahrscheinlich bemerkt haben ist dies hier eine Gefängniszelle«, Dumbledore setzte sich auf den einzigen Stuhl im Raum. Ich nahm Platz auf der Koje, welche von der Wand hing.
»Aber das ist nicht irgendeine Zelle, sondern die sicherste ganz Großbritanniens. Diese Wände sind mit allen Bekannten Zaubern vollgesogen. Einige mein Werk. Diese Zelle wurde erst gestern fertiggestellt. Sie ist für den Mörder der Schüler«,erklärte Dumbledore und faltete die Hände. Wieso erklärte er mir das? Ich blieb still und nickte abwägend. »Wie du weisst ist dein Vater nicht irgendwer. Er ist Lord Voldemord. Du musst wissen, dass Voldemord nicht irgendwie geschafft hat eine Auferstehung zu vollziehn. Sondern er hat Horcruxe gebildet. Horcruxe zu bilden ist wohl das schwarzmagischte der Welt. Der Zauberer spaltet seine Seele und überträgt sie auf einen Gegenstand. Das macht ihn solange unsterblich, bis dieser Gegenstand mit dem Horcrux zerstört ist. Aber das wichtigste ist, dass ein Mensch, welcher Horcruxe hat keine gesunden Kinder zur Welt bringen kann oder zeugen. Und du bist so eins. Das heisst du hast keine Seele.«
Mir blieb das Herz stehen. Keine Seele. Horcruxe. Voldemord.
Seele.
Die Seele fehlte mir, wie konnte das nur gutgehen?
Mir fiel nichts ein. Leer saß ich auf der Koje. Ich war wirklich leer.
Seele.
»Ohne einer Seele passieren komische Dinge. Zwar kannst du zum Beispiel wahrhaftig Lieben, aber um an diese seelische Energie zu kommen sucht deine Leere eine andere Seele. Saugt diese aus, reißt sie aus dem Herzen eines Menschen. Tötet ihn. Deswegen muss ich wegen der Sicherheit deiner Mitschüler dich vorläufig hier festhalten.«

***

Die Tür knallte auf. Dumbledore marschierte in die Halle. Mir stockte der Atem. Nervös hielt ich Ausschau nach Hell. Mir war Bange um sie. Viel zu lange war sie weg gewesen. Schon fiel die monströse Tür wieder zu. Der Schulleiter stolzierte allein durch die Reihen, direkt auf sein Redepodest zu. Vielleicht war sie ja noch auf dem Klo. Wegen meiner schrecklichen Panik sprach ich mir einfach eine Ausrede ein. Nur auf dem Klo.
»Hi, Malfoy! Wo ist Hell?«, Granger setzte sich neben mich. Ihre Augen sprühten vor Sorge. Sicherlich war auch ihr nicht entgangen, dass Hell mit Dumbledore gegangen war, nur nicht zurückgekommen. Bedrückt schüttelte ich meinen vor Sorge pochenden Schädel.
»Wehrte Schüler und Schülerinnen, ich werde Sie alle heute wieder in ihre Gemeinschaftsräume entlassen. Nach einer anstrengenden Suche konnten wir den grausam blutrünstigen Mörder vieler Schüler fassen. Sie befindet sich momentan in einer Hochsicherheitszelle in über zweihundert Meter Tiefe unter der Erde. Eure Eltern und Mitschüler wurden bereits benachrichtigt und der reguläre Unterricht geht in einer Woche wieder weiter.«
Ich konnte meinen Ohren nicht trauen. Wie ein Sack Mehl machte ich Bekanntschaft mit dem Boden. Tausende Gedanken wirbelten durch mein Bewusstsein. Unmöglich! Hell durfte keine Mörderin sein. Ich fühlte mich verraten und verlassen. Hätte sie auch irgendwann meine Freunde umgebracht? Vielleicht sogar mich? So blutrünstig wie ein Monster. Sie war ein Monster und ich Idiot liebte sie. Vermisste Hell sogar. Eine kalte erbarmungslose Mörderin.
Der kalte Boden beruhigte meinen pochenden Schädel einigermaßen. Jemand hievte mich vom Boden auf eine der Matten.
Mörderin.

***

Meine Schritte machten mich verrückt. Zwei hin zwei zurück. Und wieder von vorne. Ich konnte einfach keine Ruhe finden. Ob es Nacht oder Tag war wusste ich nicht. Unnachgiebig liefen mir Tränen über die Wangen. Ich war grausam. Ein Monster. Schlimmer als ein Monster. Ein seelenloses Monster.
In einem Ausbruch von Emotionen knallte meine Faust gegen die stählerne Wand. Schmerz durchfuhr mich. Ließ mich den schrecklicheren Schmerz vergessen. Eine Schwellung trat ein und meine Knöchel färbten sich violett. Die Hand war gebrochen.
Weiter gingen meine Schritte. Zwei hin zwei zurück. Jeder dachte ich sei ein Mörder. Kalt und gefühllos. Das war ich. Nie wieder könnte ich Draco oder Hermine gegenübertreten. Ich war so wie mein Vater. Eine Mörderin. Oh, Draco! Vermiss mich nicht! Das macht es nur noch schlimmer. Man vermisst Mörder nicht, dachte ich verbissen. Mein Körper spürte auf einmal tausende Emotionen. Wut, Trauer, Schadenfreude, Angst. Sie mischten sich wie ein Gift unter meine eigenen Gefühle. Von außen suchten sie nach einem Zugang in mein Bewusstsein. Verwirrt stolperte ich einige Schritte zurück. Mit aller Kraft versuchte ich diese Flut zu verbannen. Irgendwann verließ mich meine Kraft und ich glitt in einen unruhigen Schlaf.

Ich sah wie ein weiterer Beobachter meinen Körper fallen. Er fiel aus dem nichts ins nichts. Überall war es kalt und ich war vereist, von Frost überzogen. Schreiend suchte ich halt. Meine Finger rutschten an der glatten Wand ab. Krachend kam ich auf einem schwarzen Boden auf. Alles tat mir weh. Ich war tot, glaube ich, denn ich atmete nicht. Eine zweite Person kam ins Bild. Lautlos glitt sie auf meinen leblosen Körper zu. Plötzlich zuckte sie ein Messer und schlitze damit meine Brust auf. Es floss kein Blut. Man sah nur ein pechschwarzes klaffendes Loch. Erschrocken stellte ich fest, dass dort eigentlich meine Seele sitzen musste. Aus dem Loch kroch schwarzer Qualm. In der Luft formte er sich zu einer rauchigen Gestallt. Wie der Blitz flog sie den Schaft wieder hoch. Mein Blickfeld folgte ihr. Der Qualm umrandete ein Mädchen. Es kam mir bekannt vor, aber ich wusste nicht wer es war. Dann fiel es mir augenblicklich ein. Hermine.

Kreischend schreckte ich aus meinem Schlaf. Der Traum stand mir nich lebhaft vor Augen. Der Qualm, Der Fall, Das Loch. Impulsiv tastete ich meine Brust ab. Es war da. Das Loch. Panisch sprang ich auf. Trommelte wie wild gegen die Stahl Tür. Schrie nach Mine. Hermine! Ich musste sie vor mir selbst retten, bevor mein Qualm ihr die Seele aus dem Leib reißen würde. Ich schluchzte bitterlich auf. Ein Monster. Mehr war ich nicht. Selbst Mine würde ich töten.
Hermine.

No way to love Draco Malfoy! Or maybe yes?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt