Chapter 8
Später saßen wir auf meinem Bett, mümmelten unser Abendbrot und unterhielten uns.
„Meinst du nicht, dass es für manche Leute vielleicht ein bisschen verdächtig aussehen könnte, wenn zwei Leute, die wegen demselben Verbrechen angeklagt sind, ständig zusammenhängen?“, fragte ich Lee gerade, als er sich einen riesigen Bissen in den Mund schob. „Ach ja, kannst du mir einen Gefallen tun?“
„Hmpf?“
„Antworte erst, wenn du den Bissen runtergeschluckt hast.“ Dafür kassierte ich zwar einen bösen Blick, aber der war es mir wert. Grinsend verschlang ich meinen Rest Brot und wartete mampfend, bis er geschluckt hatte.
„Klar kann es sein, dass das verdächtig wirkt. Aber wen kümmert’s? Solange niemand Beweisstücke findet, sind wir aus dem Schneider. Da fällt mir ein, was ich dich schon gestern mal fragen wollte: Wen hältst du eigentlich für den Täter?“
„Was denkst du denn, wer es war?“
„Ich hab zuerst gefragt.“
„Ich will aber erst deine Vermutung hören“, verteidigte ich mich.
„Na gut. Ich bin mir nicht sicher, deshalb frage ich. Aber ich glaube, dass es einer der Erwachsenen war. Denen würde ich’s jedenfalls zutrauen. Leuten mit solchen Jobs geht es oft ums Geld.“ Lee sah mich schräg an, seine Augen blitzen neugierig. „Aber jetzt du!“
„Hmpf. Ich glaube“, sagte ich zögerlich, „es war Ivon.“ Als ich sah, wie Lee erstaunt und vielleicht sogar leicht erschrocken die Augen aufriss, wurde ich nur noch nervöser, und bekam keinen Ton mehr heraus.
„Wie kannst du dir so sicher sein?“, wollte Lee wissen, und fügte noch hinzu: „Und wer ist dieser Ivon überhaupt?“
„Naja, ich habe Beweise. Zumindest … so halbwegs“, gluckste ich herum. Da ständig jeder in Zweifel zog, dass Ivon der Täter war, brachte ich meine Argumente von Mal zu Mal unsicherer vor. „Es passt halt alles … äh, irgendwie zusammen, ich meine, er war in den entscheidenden Momenten am richtigen – oder besser gesagt: falschen Moment am falschen Ort, und … Er würde eben alles dafür geben, mir zu schaden, deshalb.“
„Erzähl.“ Lee sah mich gespannt an, und langsam beruhigte ich mich wieder. Vielleicht würde er mir ja doch glauben.
Als ich meine Geschichte fertig erzählt hatte, sah ich ihn gespannt an, musste jedoch feststellen, dass Lee eher nachdenklich als Feuer und Flamme wirkte. Ganz überzeugt hatte ich ihn wohl doch nicht.
„Aber ich dachte, Ivon hatte Nachsitzen. Wie soll er das dann bewerkstelligt haben?“, bohrte er nach.
„Ganz einfach: Er hatte bestimmt noch einen Komplizen!“ Zufrieden, auch dieses Argument beiseite gewischt zu haben, lehnte ich mich zurück und ließ den Blick durch das Zimmer schweifen, während Lee immer noch grübelte.
„Nicht schlecht, aber rein theoretisch hätte jeder an dein Brot gekonnt.“
„Das haben die anderen auch schon gesagt.“ Ich seufzte. „Aber die einfachste Möglichkeit, das herauszufinden, ist, Ivon hinterherzuspionieren, herauszufinden, wo er wohnt, und dann das gesamte Haus durchsuchen, sowie seine Tätigkeiten zu überwachen.“
„Wohl war. Aber wehe du gehst alleine. Das ist viel zu gefährlich. Vor allem, wenn Ivon es wirklich auf dich abgesehen hat. Ich komme mit!“
„Klar, was hast du denn gedacht?“, grinste ich voller Vorfreude und wollte schon aufstehen, als Lee mich zurückzog.
„Es ist schon spät, willst du etwa jetzt schon los? Wie willst du denn sein Haus finden?“
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Königreiche - Das verlorene Schwert
FantasyNur allzugerne hätte ich gesagt, ich sei bloß eine unschuldige Musterschülerin. Aber leider war ich das nicht. Ich kam fast ausnahmslos zu spät zur Schule, prügelte mich mit meinem Erzfeind Ivon und unschuldig war ich auch nicht. Zumindest behauptet...