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Der Rauch beißt sich in meine Lungen. Atmen ist plötzlich unheimlich schwierig. Dabei brauche ich so viel Luft. Zudem kann ich kaum erkennen, wo ich überhaupt hinrenne. In jeder anderen Situation hätte ich diesen Anblick wunderschön gefunden. Doch jetzt wirkt das Lichtspiel des Sonnenuntergangs nur bedrohlich. Wie die glühenden Augen eines Drachen, der auf mich herabstürzt.
Der Boden unter mir ist genauso heiß wie der Himmel.
Vor mir sind Menschen. Wahrscheinlich Feuerwehrleute. Aber keiner von ihnen bemerkt mich.
Ist es ihnen egal? Werden sie mich aufhalten?
Als sie aus meinem Sichtfeld geraten, kann ich endlich das Feuer sehen.
Alles überschlägt sich. Unerträgliche Hitze, gleißende Helligkeit, rußgefärbte Nebel und grausamer Gestank erdrücken mich auf einmal. Ich will sterben.
So denke ich oft, aber jetzt würde ich es sogar ernst meinen wollen. Das Gefühl auf meiner Haut kann man mit 'Schmerzen' schon gar nicht mehr beschreiben. Trotzdem gehe ich auf das lichterloh brennende Haus zu. Denn es gibt noch einen Grund.
Wenn es noch etwas gibt, wofür ich leben will, dann ist es der Mensch in diesem Haus, den bisher niemand bemerkt und gerettet hat.
Wenn mein Leben schon enden soll, dann will ich es dafür geben.
Flammen schlagen mir züngelnd entgegen, als ich die metallene Tür öffne. Jetzt kann ich überhaupt nicht mehr atmen und überhaupt nichts mehr sehen. Und es gibt kein Zurück mehr.
Entschlossen halte ich die Luft an, sprinte durch den Flur, bete still und öffne jede Tür, die noch zu öffnen ist. In keinem der Räume kann ich mehr sehen, als lodernde Möbel. Mein Kopf beginnt schon, heftig zu drücken.
Wann wird es zu Ende sein? Werde ich es schaffen? Hoffentlich.
Die Kräfte, die ich am Eingang mühsam zusammengekratzt habe, drohen bereits vollends nachzugeben, als ich die letzte Tür in der Etage erreiche.
Wie befürchtet ist sie abgeschlossen. Aber ich kenne diese Tür. Mit meinem ganzen Körpergewicht werfe ich mich dagegen, wobei meine Hose an einem Nagel hängen bleibt und im knisternden Gewinsel des Feuers lautlos zerreißt.
Vielleicht blute ich, jedoch ist mein Schmerzempfinden so überstrapaziert, dass ich es nicht feststellen kann, wozu ich auch gar keine Zeit habe. Das alte Holz gibt nach und lässt mich nach Luft schnappend in das dahinterliegende Zimmer stolpern. Verbrauchter Sauerstoff füllt meine ausgelaugten Lungenflügel und mich packt urplötzlich ein so starker Überlebenswille, dass ich kurz taumeln muss.
Endlich gewöhnen sich meine Augen an das schummrige Licht, das vom einschlagenden Glutschein aus dem Flur in graurotes Gelb getaucht wird.
Wieso brennt es hier nicht?
Mein Glück. Es erleichtert die Suche und verschafft mir einen winzigen, hoffnungsgeladenen Zeitvorsprung.
Hektisch schiebe ich den Schrank zur Seite, den ich selbst erst vor wenigen Wochen zu einer Geheimtür umfunktioniert habe.
Mir wäre auch kein besseres Versteck in diesem Haus eingefallen.
Ich weiß, dass mir die Zeit davonrennt und dass sich jemand auf meine Rettung verlässt. Wenn es nicht so ist, dann will ich wirklich sterben.
Aber das muss ich nicht. Ich entdecke sie sofort in der hintersten Ecke, mit ängstlich gekrümmtem Körper voller Tränen.
Meine Anwesenheit ändert das schlagartig. Sie springt auf und fällt mir in die Arme. Wir wissen beide, dass sie unter anderen Umständen nicht so reagiert hätte.
Ich halte sie fest und spüre, was es bedeutet, zu leben. Ob wir hier rauskommen werden? Diese Frage stelle ich mir gar nicht erst, weil ich mir sicher bin. Ohne Worte sage ich ihr, wie sehr ich sie liebe und dass ich alles dafür tun würde, ihr Leben zu retten, weil es das wertvollste von allen ist.
Das weiß sie hoffentlich.


Bildergeschichten - Teil 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt