-05- KAPITEL

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"Ich verstehe nicht,...", verwirrt und fragend sah ich den Mann an, "wer will mir eine Chance geben? Und was soll daran Schlecht sein, wenn ich deswegen aus der Falle befreit wurde?" Ich nickte Richtung Drachenfalle, die in der untergehenden Sonne rot glänzte. Ich hoffte inständig, dass es nicht mein Blut war. 

"Du hättest niemals auf dieser Insel landen sollen Hicks der Hüne.", der Mann seufzte und fuhr bereits fort, als er meinen verblüfften Blick bemerkte, "es ist kein Geheimnis, das der Häuptlingssohn von Berk ausgerechnet von dem gefährlichsten aller Drachen verschleppt wurde. Und allzu viele Nachtschatten in Begleitung eines Menschen sind uns nicht bekannt." Er schenkte mir ein schiefes Lächeln, was ich mit einem eisigen Blick quittierte. "Also weiß Berk jetzt, das ich noch lebe?", fragte ich spottend, aber innerlich zog sich alles zusammen. Lieber blieb ich tot in den Köpfen derer zurück, die mir nur Verachtung gebracht hatten und werde als erstes Opfer des legendären Nachtschatten in Erinnerung bleiben, als dass man sich weiter über den missratenen Häuptlingssohn das Maul zerriss, der dann elendig in einer Drachenfalle zugrunde gegangen war. Wobei ich Letzteres ja jetzt streichen konnte.

"Nein.", sagte der Mann schlicht und riss mich somit aus meinen trübseligen Gedanken. "Oh", murmelte ich halbherzig, fragte aber nicht weiter nach. Wenn der Mann etwas zu sagen hatte, sagte er es auch, aber wenn nicht, dann brachte wahrscheinlich auch stundenlange Fragerei nicht viel. "Talyn", sagte er plötzlich, als hätte er meine Gedanken gelesen und war es leid immer nur der Mann zu sein, "Mein Name ist Talyn, Sohn von Tygo."

"Aha", sagte ich gespielt desisinteressiert, aber innerlich prägte ich mir den Namen genau ein. Talyn, der mich in die Falle gelockt hat. Talyn, Sohn von Tygo. "Waren das deine Töchter?"

Er nickte. Talyn, mit seinen blöden Kindern, von denen Eine mich genauso angegiftet hatte, wie Astrid es immer tat. Kaya. Kaya, mit ihrem blöden Schrecken.

"Und der Nadder? Seit wann reitet ihr Drachen?" 

"Um ehrlich zu sein", Talyn schwieg kurz nachdenklich, "seit du auf der Insel aufgetaucht bist."

"Wie meinst du das?", fragte ich jetzt ehrlich verwirrt, "der Nadder sah so aus, als würdet ihr euch schon jahrelang kennen, wie also,...-", ließ ich meine Frage unausgesprochen in der Luft hängen.

Verdammt, mir brummte der Schädel, als hätte sich dort ein Feuerwurm eingenistet, ich konnte nicht klar denken und der Hunger nagte wie eine hungrige Ratte in meinem Magen. Meine Kehle war rau und kratzte.

"Nun ja, die Nadder waren einfach schon immer da, wir haben sie nicht bekämpft, aber auch nicht gezähmt.", er zuckte die Schultern, "wir dachten, wenn wir, wohlgemerkt einen gesunden,  Nachtschatten haben wollten, mussten wir doch irgendwie eure Aufmerksamkeit bekommen und der Nadder kannte uns ja schon. Den Rest kannst du dir denken."

"Ihr seit ein verachtenswertes Volk", zischte ich wütend, als ratternd alle Zahnrädern in meinem Kopf einrasteten, "wir haben Hilfe gebraucht!"

Talyn kniff die Augen zusammen, "und doch habt ihrs geschafft."

"Geschafft?!", schrie ich heiser und plötzlich war da wieder der ganze Schmerz, das Blut und das verzweifelte Brüllen von Ohnezahn. Ich befreie dich Kumpel, ich versprechs.

"Ihr habt Fleddr ausgenutzt, ihr hättet mich sterben lassen,... um euch damit zu rühmen, einen Nachtschatten gefangen zu haben. Daran ist nichts Glorreiches und du und dein Stamm tätet gut daran dies zu verstehen."

"Vielleicht wird sich mein Stamm einmal ändern, aber ich schätze, das liegt nicht in deiner Hand. Hicks der Hüne, Sturheit ist keine Tugend, für die man geschätzt werden kann, es ist ein Fluch und lässt jeden einen Kopf kürzer zurück." Talyns Augen schweiften hinter mich und fixierten einen Punkt am Horizont. Kurz vergaß ich meinen Zorn und drehte mich ebenfalls. Die Sonne hing schwerfällig am Rand der Welt und tauchte alles in diese wundervolle Mischung aus violett und hellrot. "Wer sind sie?"

"Drachenjäger", flüsterte Talyn ehrfürchtig. Meine Augen weiteten sich erschrocken, als ich einen Bruchteil der Sekunde später den grausigen Sinn und die Warnung in den Worten des Wikingers bemerkte und realisierte was geschah. Aber da hatte mich die Hand schon gepackt und zu Boden gerissen.

Bei denen gab es keinen dramatischen Auftritt; im Rücken die sterbende Sonne und unzählige Krieger, die schwerbewaffnet den ganzen Wald ausfüllen. Nichts was den Gegner vorwarnte und ihm Zeit gab. Leise, dachte ich, es war leise. Es müssten Menschen schreien, es müsste nach Blut schmecken, es müsste nach Waffen klingen. Bei Angriffen schrie ja schließlich alles. Sie können den Bengel jetzt holen. Ich versuchte mich aufzurappeln, aber ein Stoß ließ mich wieder nach unten kippen. Aber das war ja auch kein Angriff, das war etwas viel Schlimmeres.

Ich kann nichts sehen, dachte ich plötzlich panisch, bis ich bemerkte, dass mein Gesicht auf den kalten Waldboden lag und meine Augen nicht mehr als einzelne Konturen erkennen konnten. In meinem Mund spürte ich Erde und wenn ich könnte, würde ich spucken und würgen, aber das Gewicht drückte mich weiterhin auf den Boden. Wer sind sie? Drachenjäger.

Niemand sprach mit mir, als man mich grob nach oben zerrte. Ich wurde nach vorne geschubst, wagte nicht mich umzudrehen. Auf meinen Fuß achtete niemand. Ich spürte Talyns Blick in meinem Rücken, als ich mich humpelnd vorwärtsbewegte. Aus dem Augenwinkel erkannte ich noch mindestens zwei Personen, die mir, falls ich ihrer Meinung nach zu langsam ging, einen Stoß in den Rücken verpassten.

Ich hatte gerade erst die halbe Lichtung überquert, mein Gesicht zu einer schmerzverzerrten Grimasse verzogen, als neben mir gelassen ein kräftig gebauter Mann auftauchte.

"Und du bist der Kleine, der es doch tatsächlich geschafft hat, einen Nachtschatten zu zähmen. Meinen Respekt. Es wäre verschwendetes Potenzial gewesen, dich in der Falle verbluten zu lassen."

Ich erwiderte nichts, sondern blickte nur trotzig gerade aus, als mir Talyns Worte wieder in den Sinn kamen. Sturheit ist ein Fluch und lässt jeden einen Kopf kürzer zurück. Schließlich rang ich mich dazu durch, dem Mann wenigstens in die Augen blicken. Die Farbe konnte ich nicht mehr erkennen, sah aber deutlich das ehrliche Lächeln mit einer Spur Verwunderung. Er hatte seine Haare nach hinten zu einem Zopf gebunden und ich schätzte ihn auf circa 20 Jahre. Dann gebot er der Truppe stehenzubleiben indem er die Hand hob und aus dem Wald ertönte ein unheilvolles Grollen. "Dein Drache", lächelte der Drachenjäger. Und obwohl er es wahrscheinlich gut meinte, verabscheute ich dieses Lächeln von tiefstem Herzen. Aber im Moment dachte ich nicht daran. Ich biss noch einmal die Zähne zusammen und humpelte dann mit letzter Kraft zum Wald. Ich stützte mich erleichtert am nächsten Baumstamm ab und sah dann in die tiefschlingenden Schatten des Waldes. Ein letzter Sonnenstrahl schnitt eine glühende Schneise in die Dunkelheit und als hätte Ohnezahn nur darauf gewartet trat er in das Licht und breitete ganz langsam seine Flügel aus, als demonstrierte er mir, wie gut seine Schulter verheilt war. Die schwarzen Schuppen glänzten rötlich und er brüllte in das Licht und mir entgegen und trat mit wackligen Schritten auf mich zu. Seine Augen waren fröhlich geweitet und da wusste ich weshalb sie mich leben lassen wollten. Ohnezahn musste fliegen können und genauso mächtig und furchteinflössend wie jetzt wirken. Dann hatten die Drachenjäger eine Waffe auf ihrer Seite, lohnender, als alle Nachtschattenflügel zusammen, eine Waffe, die unzählige Drachen fangen und Wikinger auf Abstand halten konnte.

Eiskalte Splitter bohrten sich in meinen Körper, die von einer unglaublichen Wärme abgelöst wurden, als ich Ohnezahn erleichtert um den Hals fiel.

Schatten der NachtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt