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Violett's Sicht:
Langsam kam ich wieder zu Bewusstsein. Ich wollte meine Augen öffnen, doch meine Lieder waren schwer wie Blei. Minutenlang versuchte ich es immer wieder, bis es mir schließlich gelang. Für einen kurzen Moment war ich geblendet von dem grellen Licht des Raumes, in dem ich mich befand, doch meine Augen gewöhnten sich schnell daran. Meine Sicht begann sich langsam zu klären. Immer mehr Details meiner Umgebung offenbarten sich mir. Ich befand mich auf einem Bett. Das Zimmer schien mir zu einem Krankenhaus zu passen. Ich war an eine Infusion, sowie diverse andere Geräte angeschlossen. Was war passiert? Ich konnte mich nur noch an den plötzlich grundlosen Fluss erinnern in dessen Wassern ich immer tiefer hinab gesunken war.
Mühsam machte ich mich daran meinen kraftlosen Körper in eine aufrechtere Position zu bringen und mich der diversen Gerätschaften zu entledigen, an die ich angeschlossen war. Ich entfernte die klebrigen Sensoren von meiner Brust und zog mit einem Ruck die Nadel aus meinem Arm. Das Gerät, welches scheinbar meinen Kreislauf überwachen sollte, hatte einstweilen begonnen eine Art Alarm Signal von sich zu geben, was sich mit einem stechenden Schmerz in meinen Ohren bemerkbar machte. Träge sah ich auf meinen Arm hinab und beobachtete,  wie das Blut von meinem Handgelenk tropfte. Ich fühlte mich wie gefangen in einer nicht enden wollenden Trance, die mir keinen klaren Gedanken ermöglichte.
Gerade wollte ich mich aus meiner Starre lösen, als die Türe des kleinen Raumes aufschwang und eine Armee sich hektisch umsehender Ärzte und Krankenschwestern das Zimmer stürmte. Alles wirkte wie in Zeitlupe. Menschen liefen auf mich zu, drückten mich zurück in das Krankenbett. Ein junger Mann war damit beschäftigt, die Blutung an meinem Arm zu stillen, während ein anderer mir unablässig mit einer kleinen Taschenlampe in die Augen leuchtete. Am Rande nahm ich wahr, dass jemand angestrengt versuchte meine Aufmerksamkeit zu erlangen, doch ich konnte mich der Trance, die mich gefangen hielt, nicht erwehren. Wie hypnotisiert starrte ich einfach nur gerade aus und lies alles was man mit mir machte geduldig über mich ergehen.
Als die Ärzte mit dem was sie getan hatten zufrieden schienen und die Hoffnung ich würde irgendwann auf sie reagieren offenbar aufgegeben hatten, verließen sie allesamt den Raum. Nur ein einzelner Krankenpfleger verblieb in dem kleinen Zimmer. Er sollte wohl verhindern, dass ich mich erneut selbstständig machte, denn auch wenn mir kein neuer Venenzugang gelegt worden war und auch meine Organfunktionen nicht länger überwacht wurden, schien es für die Ärzte dennoch von großer Bedeutung zu sein, dass ich auf gar keinen Fall das Bett verließ.
Die Zeit verging und allmählich wurden weine Gedanken klarer. Mittlerweile fragte ich mich, warum meine Mutter noch nicht hier war, ich fragte mich in welchem Krankenhaus ich mich befand, doch was mich am meisten beschäftigte, war was überhaupt passiert war. Während ich über all das nachdachte, fiel mir plötzlich die Kette wieder ein. Ich tastete meinen Hals danach ab und tatsächlich ertastete ich das kühle Metall. War das unscheinbare Schmuckstück etwa der Grund für das was auch immer gestern geschah? Nein! Oder doch? Aber was sollte so ein Stein schon auslösen?
Ich wurde unsanft aus meinen Gedanken gerissen, als sich die Türe des kleinen Raumes abermals öffnete und eine junge Frau mit glänzend kastanienbraunem Haar das Zimmer betrat. Sie schickte den Krankenpfleger, der mittlerweile ziemlich gelangweilt in seinem Sessel gelehnt hatte, nach draußen und näherte sich mir. Ich schenkte ihr keine weitere Beachtung und versuchte mich wieder zu konzentrieren. Am Rande nahm ich wahr, dass sie einen Sessel neben das Kopfende meines Bettes stellte, sich langsam darauf niederließ und sich einem Klemmbrett widmete, dass sie sich auf den Schoß gelegt hatte. Ich versuchte sie weitgehend auszublenden, doch als sie sich vorstellte hatte sie meine volle Aufmerksamkeit.

"Mein Name ist Meredith Fell, ich bin Ärztin", sagte sie ruhig.

Ich wandte meinen Kopf ruckartig zu der jungen Ärztin. Das war jetzt ein interessanter Zufall, da hieß diese Frau doch tatsächlich genau so wie ein Charakter meiner Lieblingsserie. Interessiert musterte ich die Frau, doch als ich in ihr Gesicht blickte weiteten sich meine Augen vor Schreck. Sie sah auch genau so aus wie die Ärztin aus der Serie.

"Hab keine Angst, du bist hier in Sicherheit", sagte sie beruhigend.

Mir kam das alles vor wie ein schlechter Scherz. Ich sah mich hektisch um, wusste nicht was ich suchte. Vielleicht eine versteckte Kamera, oder ein anderes Indiz dafür, dass diese Situation nicht der Realität entstammte. Halluziniere ich?

"Weist du wo du hier bist?", versuchte sie meine Aufmerksamkeit wieder zurückzuerlangen.

Tatsächlich sah ich die Ärztin nun wieder direkt an. Ich suchte in ihren Augen nach Belustigung, Scherzhaftigkeit, doch alles was ich sah war blanke Sorge.

"Du bist in einem Krankenhaus", erklärte sie und wartete meine Reaktion ab bevor sie weiter sprach, "im Mystic Falls Hospital."

Das musste jetzt ein schlechter Scherz sein! Wie war ich nur hier gelandet? Ich war wortwörtlich im falschen Film. Das konnte nicht war sein! Es musste eine Erklärung dafür geben, man fällt doch nicht einfach so in eine Fernsehserie hinein! Mystic Falls existiert nicht und diese Ärztin war nicht Meredith Fell sondern Torrey DeVitto, eine Schauspielerin!
Langsam begann Panik in mir aufzusteigen. Wenn ich mich wirklich in The Vampire Diaries befand, dann halluziniere ich entweder, oder ich bin so gut wie tot. Ich muss hier raus, raus aus dem Krankenhaus. Ich muss herausfinden was passiert ist. Vor allem aber musste ich herausfinden an welcher Stelle der Geschichte ich mich befand.
Ich wunderte mich kurz darüber, wie schnell ich die Tatsache akzeptiert hatte mich in einer Fernsehserie zu befinden, versuchte dann aber einen Plan in meinem Kopf zurecht zu legen, als mein Blick auf eine Zeitung auf einem kleinen Tischchen neben meinem Bett fiel. Ich suchte nach dem Datum und tatsächlich stand da 31.8.2009. Eigentlich dachte ich, wir hätten das Jahr 2017. Ich war also nicht nur in ein parallel Universum, sondern auch in der Zeit zurück gerutscht, an den Anfang der Geschichte.
Ich war mir sicher, dass man Zeitreisende, die zufällig ins falsche Universum gestolpert waren, hier nicht gerade mit offenen Armen empfangen werden würde. Ich fasste also meinen Plan, ich musste hier raus und   ich musste mich vergewissern, dass ich mir nicht nur etwas einbildete.
Ich wandte mich wieder der jungen Ärztin zu, die mich mit einem mitleidigen Blick beäugte. Fieberhaft suchte ich nach einer Möglichkeit an ihr vorbeizukommen.

"Ich werde dir jetzt noch etwas spritzen, damit du dich besser entspannen kannst. Wir reden dann ein anderes Mal weiter", sagte sie plötzlich, stand auf und zog eine Spritze aus der Tasche ihres Kittels.

Das war meine Chance!
Ich sprang in einem akuten Adrenalinstoß aus dem Bett und entwendete der geschockten Ärztin mit einer schnellen Bewegung die Spritze, um sie ihr etwas unbeholfen aber effektiv in den Hals zu rammen. Sie wollte schreien, doch ich drückte ihr mit aller Kraft die Hand auf den Mund. Als ich den Inhalt der Spritze in ihren Blutkreislauf entleert hatte, dauerte es nur noch wenige Augenblicke bis die verzweifelte Frau in meine Arme zu sinken begann. Wie ich plötzlich die Kraft entwickelt hatte, die notwendig gewesen war um die junge Frau in Schach zu halten, wusste ich nicht, aber ich schob es auf den Überschuss an Adrenalin. Ich lies den bewusstlosen Körper vorsichtig auf den Boden gleiten. Hektisch sah ich mich um, niemand war im Raum, nur ich. Ich lief hastig auf einen schlichten Schrank am anderen Ende des Zimmers zu, ich hoffte Kleidung zu finden, denn in dem dünnen Krankenhaushemd, das ich trug , würde ich vermutlich nicht weit kommen. Ich riss die Schranktür auf, doch alles was ich fand war Staub. Verzweiflung stieg nun in mir hoch. Ich vergrub beide Hände in meinen taillenlangen, dunkelbraunen Locken und überlegte angestrengt, bis mein Blick auf die bewusstlose Ärztin fiel. Wir hatten eine ähnliche Statur, ich war vielleicht etwas kleiner und schlanker aber es könnte funktionieren.

Minuten später hatte ich den schlaffen Körper entkleidet und auf das Krankenbett gehievt. Die nur noch mit ihrer Unterwäsche bekleidete Frau hatte ich zugedeckt und ihre Kleidung hatte ich angezogen, sie passte fast perfekt. Auch den Kittel hatte ich angelegt. Nun stand ich vor einem kleinen Spiegel und Band meine Haare mit die dem Haarband der Ärztin zu einem strengen Knoten. Ich zupfte alles zurecht, als mein Blick wieder auf die Kette fiel. Ich wollte sie abnehmen, doch so oft ich auch danach suchte, ich fand den Verschluss nicht. Ich versuchte sie mir vom Hals zu reißen, doch vergebens. Ich beschloss mich später damit auseinanderzusetzen, ging schließlich zur Tür und atmete noch einmal tief durch.
Jetzt hieß es fliehen!

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