Kapitel 8

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Juliana brachte die Möbel aus ihrem Haus mit in unser neues Zuhause, das wir zusammen nach unseren Wünschen und Vorstellungen gestalteten. Jede von uns bekam ihr eigenes Zimmer, in dem wir unsere ganz persönlichen Dinge unterbrachten, aber wir schliefen zusammen in einem Bett und teilten uns auch sonst jeden Raum. Die ganze Wohnung wurde in Julianas Lieblingsfarbe eingerichtet – Rot. Mir gefiel diese Farbe auch sehr gut, weil sie mich an Juliana erinnerte, und so saßen wir täglich nach unserem Arbeitstag abends auf unserem kirschroten Sofa und ließen den Abend gemütlich ausklingen.
Emma besuchte uns regelmäßig einmal unter der Woche, und ich fuhr jedes zweite Wochenende zu ihr. Wir erzählten uns gegenseitig das Neueste aus unserem Leben und Emma hielt mich mit Informationen über meine Eltern auf dem Laufenden. Sie waren mittlerweile in eine Entzugsklinik eingeliefert worden. Vielleicht konnte ich irgendwann einmal mit meinen Eltern reden und würde ich ihnen verzeihen. Vielleicht. Aber das Leben, das ich mit ihnen geführt hatte, war nicht gerade schön gewesen und deswegen fiel es mir schwer zu glauben, dass ich ihnen vergeben konnte.
Zweimal in der Woche fuhren wir zu Constanze auf den Hof. Als sie davon erfahren hatte, dass Juliana und ich zusammen waren, hatte sie uns erst mal auf eine Tasse Tee eingeladen und wir hatten ihr in groben Zügen erzählen müssen, wie es dazu kam. Danach hatte sie uns beglückwünscht und gesagt, dass sie mich noch nie so glücklich gesehen hatte. Tja, damit lag sie vollkommen richtig – die schönste Zeit meines Lebens hatte gerade erst begonnen.
In unserer Freizeit, wenn wir nicht bei Constanze waren, arbeiteten Juliana und ich gemeinsam an unserem Roman, den wir beschlossen hatten zu schreiben. Er trug den Titel »Rot wie die Liebe«. Die Geschichte war unsere eigene, nur die Namen änderten wir in Katelyn und Julia um. Wir schrieben die sehr persönliche Geschichte aus zwei verschiedenen Perspektiven – aus Julianas und aus meiner. So erfuhren wir dann auch von der jeweils anderen, wie diejenige sich verliebt und mit welchen Gefühlen sie zu kämpfen gehabt hatte. Der Roman sollte auch gleichzeitig dazu führen, dass die Menschen einen Einblick in die Gefühle von Homosexuellen bekamen und so merken sollten, dass es nichts Schlimmes war, dasselbe Geschlecht zu lieben, sondern dass diese Liebe genauso schön war wie jede andere auch, mit all ihren Höhen und Tiefen. Dieser Roman schweißte uns so sehr zusammen, dass wir uns auch noch Jahre später genauso sehr liebten wie zuvor.

An einem Samstagabend Ende Oktober des Jahres, in dem ich mein Abitur gemacht hatte, saßen wir gemeinsam auf unserem Balkon und genossen die Strahlen der untergehenden Sonne. Bald würde der Herbst kommen, also verbrachten wir jede warme Minute im Freien.
»Juliana?«, flüsterte ich und drehte meinen Kopf zu ihr. Sie sah mich lächelnd an.
»Ich habe dir noch gar nicht gesagt, was heute Schönes passiert ist«, sagte ich und spannte sie absichtlich ein wenig auf die Folter. Sie lachte und flehte mich übertrieben theatralisch an, es ihr zu verraten. Ich fiel in ihr Lachen mit ein, bevor ich es ihr erzählte.
»Ich habe meinem Chef vor Kurzem erzählt, dass wir an einem Buch arbeiten«, erklärte ich, während sie gespannt lauschte. »Und rate mal, was er mir heute angeboten hat! Sein Bruder arbeitet in einem der bekanntesten Verlage Deutschlands und er will unseren Roman verlegen, wenn er fertig ist! Unsere Geschichte, von der ich meinem Chef einen Ausschnitt zu lesen gegeben habe, soll ihn umgehauen haben.«
»Nein!«, keuchte Juliana und ich sah, wie ihr vor Glück Tränen in die Augen stiegen. »Das ist ja wunderbar!«
Sie sprang auf und umarmte mich stürmisch. Wir lagen uns einige Minuten lang glücklich in den Armen, bevor ich ihr ins Ohr flüsterte: »Ich liebe dich.«
»Ich liebe dich auch«, hauchte sie zurück. Dann gingen wir nach drinnen und kuschelten uns auf unserem roten, gemütlichen Sofa eng aneinander.
Und ich hatte nach neunzehn Jahren endlich das Gefühl, zu Hause zu sein.

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An meine Leser: Vielen, vielen Dank, dass ihr meine Geschichte bis zum Ende gelesen habt! Ich hoffe, ihr hattet ein wenig Freude beim Lesen und freut euch über das Happy End. So würde es im realen Leben natürlich niemals ablaufen - aber hey, dafür sind Geschichten doch da, oder? Es den ans Herz gewachsenen Charakteren am Ende gut gehen zu lassen.
Mir hat das Schreiben sehr viel Freude bereitet und ich hoffe, euch das Lesen ebenso!

- Eure Rala


Rot wie die LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt