Wahrheit: Teil 1

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Am nächsten Tag kam Rune wieder ins Dorf. Er trug seine Rüstung, hatte aber seinen Helm aber nicht auf, sondern ließ ihn an der Rüstung hängen. Er wollte, dass die Leute seine Emotionen sahen. Und es wirkte. Er hatte einen bitteren Gesichtsausdruck und jeder, der ihn sah, ging ihm aus dem Weg.
Er setzte sich in meditierender Haltung auf den Dorfplatz. Andere Dorfbewohner sahen neugierig zu. Dann legte er seine Hände vor sich auf de Boden und wandelte Magicka in Frost um, sodass sich ein dünner Eisfilm auf dem Boden bildete in dem er sich spiegelte. "Paarthurnax." flüsterte er. Seine Augen leuchteten grün auf und der alte Drache erschien dort, wo eben noch sein Spiegelbild war.
Für einige Dorfbewohner tat er nicht anderes, als die Lippen zu bewegen, aber eigentlich hielten der Drache und das Drachenblut eine Konversation auf Dovahzul, die für außenstehende nicht zu hören war. Selbst wenn, hätten sie kein Wort verstanden.
Einige Minuten später richtete er sich wieder auf und sprühte in Feuer umgewandelte Magicka auf die Eisfläche, die daraufhin schmolz. Die Dorfbewohner sahen dies mit Unglauben. Wie war Magie überhaupt möglich?
Hicks ging vom Dorfplatz in Richtung der Arena, wo er Astrid erwarten würde. Sie kam auch wenig später, genau dann, als die Sonnenuhr Mittag anzeigte.
"Du bist spät." meinte er.
"Wieso? Ich bin doch pünktlich." antwortete sie verwirrt.
Er lächelte. "Nur, wofür bist du pünktlich? Für den Kampf oder für ein Fest?" fragte er probeweise.
Sie blickte ihn nur noch irritierter an. "Zu einem Kampf natürlich, aber was hat das mit-"
"Dann bist du unpünktlich." unterbrach er sie. "Der Feind hält sich nicht an deinen Terminkalender. Du musst früher da sein, um zu sehen, ob dir der Feind vielleicht Fallen stellt und damit du generell erst einmal auskundschaften und planen kannst. Taktik und Köpfchen" sagte er und tippte sich an die Schläfe. "sind manchmal alles was du brauchst. Muskelkraft und Kampftechnik kann ebenfalls helfen. Fehlt dir etwas, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass du den Kampf verlierst.
Ich weiß, das hat wenig mit unserem Training zu tun, aber falls ein Kampf kommen sollte und ich bin nicht da, müsst ihr für alles bereit sein."
Sie rollte mit den Augen. "Wir sind Wikinger. Wir bekommen das schon hin, egal was man uns entgegen wirft." erwiderte sie trotzig.
"Aha. Nun, was tust du, wenn dir ein Gegner in beinahe unzerstörbarer Panzerung gegenübersteht? So wie ich." fragte er. Er wusste bereits, wie das Gespräch verlaufen würde, denn er konnte vorausahnen, was sie als nächstes sagen würde. Sie selbst war vorhersehbar.
"Nun, dann schneide ich dem Gegner durch einen Schwachpunkt, bei deinem Fall durch die Kehle." meinte sie zuversichtlich.
"Was ist aber, wenn" Er setzte sich seinen Helm auf. "die Schwachpunkte geschützt werden? Wenn die Panzerung ausnahmslos undurchdringlich ist?"
"Dann kämpfe ich bis zum Tod." sagte sie und rannte mit erhobener Axt auf ihn zu. Er drehte sich lediglich aus der Bahn, nahm ihr die Axt aus den Händen, zog ihr die Füße unter den Beinen weg und pinnte sie auf den Boden, ohne Fluchtchancen.
"Falsch, Astrid. Du rennst und nichts anderes." sagte er mit scharfem Ton.
"Aber darin liegt keine Ehre!" protestierte sie und versuchte sich zu befreien. Es gelang ihr nicht.
Er ließ sie frei, gab ihr die Axt und nahm den Helm wieder ab. "Im Tod liegt sie aber auch nicht. Der Tod ist der Tod. Nichts anderes. Er bringt keine Ehre und bewahrt sie auch nicht. Also lebe weiter, denn das ist die einzige Möglichkeit, in der du profitieren kannst."
Sie stand auf und blickte ihn verständnislos an. "Aber was ist, wenn ich Menschen beschützen muss?" fragte sie entsetzt.
"Nun, dann musst du abwägen. Sind es teure Freunde? Sind es Familienmitglieder, die dir wichtig sind? Sind es Menschen, die andere retten können? Menschen von Rang spielen dabei allerdings keine Rolle wieder. Die meisten mit einem Titel werden in ihn hineingeboren und haben es in den meisten Fällen auch nicht verdient, beschützt zu werden. Nicht alle von Anführern geborenen Menschen sind auch selbst bestimmt, Anführer zu werden. Anführer können auch Menschen wie du sein, auch wenn sie kein 'adeliges Blut' besitzen. Dieses Blutgehabe ist sowieso totaler Quatsch.
Der Wert im Menschen liegt in seinem Nutzen für die anderen und an nichts anderem. Solche Leute beschützt man. Aber auch andere mit emotionalem Wert für dich kannst du beschützen, so wie Freunde und Familie, wie gesagt.
Aber ansonsten kümmerst du dich vor allem um dich selbst. In dieser Welt passt niemand für dich auf. Du musst es selbst tun." sagte er. Dann legte er eine Hand auf ihre Schulter. "Ich weiß, das ist hart, aber du willst doch nicht etwa zu früh in dein- wie nennt ihr es? Walhalla?" Sie nickte. Er fuhr fort. "Wenn dir deine Ehre so wichtig ist, dann erzähle ich dir mal noch etwas.
Manchmal muss man erst investieren und Verluste machen, bevor man Gewinne einfahren kann. Fliehst du vor einem übermächtigen Feind, kannst du dir starke Verbündete suchen und mit deren Hilfe deinen Feind vielleicht sogar endgültig vernichten. Dann hast du deinen Feind besiegt, statt bei dem Versuch zu sterben, ihn zu besiegen. Wenn das nicht ehrenvoll ist, weiß ich auch nicht." Er lächelte sanft.
"So habe ich noch nie darüber nachgedacht." sagte sie am Boden zerstört.
"Hey" sagte er leise und hob ihr Kinn sanft an, sodass sie gezwungen war, ihn anzublicken. Ihre Gesichter waren nur zwei Handlängen voneinander entfernt. "Dafür bin ich ja da. Ich bin hier um dich zu unterrichten, oder nicht?"
Sie antwortete nicht. Seine Augen beanspruchten ihre gesamte Aufmerksamkeit. Dieses freundliche Funkeln in ihnen verzauberte sie förmlich. Ohne dass sie es merkten, näherten sich ihre Gesichter und sie schlossen unterbewusst die Augen.
"FINGER WEG VON MEINER ZUKÜNFTIGEN BRAUT!" brüllte auf einmal eine empörte Stimme. Beide schreckten auf und erröteten, als sie sich ansahen.
Doch Rotzbacke, der wohl eben geschrien hatte, stieg hinunter in die Arena, das Schwert gezogen. "Keine Sorge, Süße. Rotz wird das schon regeln. Also, Fremder, nimm deine Pfoten von ihr oder ich hack sie dir ab."
Astrids Kopf rauchte nur so vor Wut auf ihn. Er hatte einen einzigartigen Moment zerstört, so plötzlich er auch war. Und NIEMAND nannte sie 'Süße' und VOR ALLEM nicht Rotzbacke.
Sie wollte ihn gerade anschreien, er solle verschwinden und sich selbst die Kehle durchschneiden, doch Hicks schnitt ihr das Wort ab, bevor sie es aussprach. "Immer die Ruhe bewahren, Astrid. Sie es als deine erste Lektion. Entwaffne ihn oder brich ihm den Arm und mach ihn somit kampfunfähig. Was immer dir lieber ist." sagte er scheinbar eindruckslos, aber als Astrid sich umdrehte und ihm zunickte, erkannte sie auch bei ihm die Wut in den Gesichtszügen.
Sie drehte sich wieder um und nahm ihre Axt zur Hand. Rotzbacke erbleichte, als sie an ihn herantrat. "Astrid, Baby, du wirst doch nicht etwa diesem Hexer gehorchen?"
Astrid zwang sich ein zuckersüßes Lächeln auf und trat noch näher an ihn heran.
Sie nahm seinen Arm, als wolle sie ihm Gesellschaft leisten. Rotzbacke war davon überzeugt und grinste. Hicks grinste ebenfalls, aber boshaft. Er wusste, was Astrid vorhatte.
Im nächsten Moment drehte sie seinen Arm schmerzhaft auf den Rücken, sodass er aufschrie. Dann vollführte sie eine ruckartige Bewegung und Arm brach krachend und laut vernehmbar.
Schließlich warf sie ihn zu Boden und schrie ihn an. "ICH WERDE NIEMALS DEINE FRAU SEIN, DU SCHLEIMBROCKEN. UND NENNE MEINEN NEUEN KAMPFLEHRER NIE WIEDER EINEN HEXER!" Dann trat sie ihm noch einmal in die Seite und richtete ihn wieder auf, um ihn unsanft aus der Arena zu schubsen. Sobald er sich gefasst hatte, rannte er zurück ins Dorf.
Astrid schaute ihm lange wütend nach. Dann hörte sie Beifall hinter sich. Als sie sich umdrehte, sah sie Rune. "Bravo, Astrid, sehr schön. Sehr gut gemacht."
Sie sah nicht überzeugt aus. "Von wegen. Ich habe ihm den Arm nicht ehrenhaft gebrochen. Ich habe gemogelt. Aus Wut. Also wenn ihr mich nicht mehr unterrichten wollt, dann-"
"Bist du wahnsinnig?" Er lachte. "Das war großartig. Hör endlich mit deiner Ehre auf. Sag mir, was ist deiner Meinung nach ein ehrenhafter Kampf?"
"Den Gegner zu entwaffnen und ihn dann zu töten." antwortete sie skeptisch.
"Das sind die groben Züge." stimmte Hicks zu. "Aber WIE erreicht man das, ist die Frage. Bei euch Wikingern geht es dabei um pure Muskelkraft, nicht wahr?" Sie nickte unsicher. "Das habe ich mir schon gedacht. Euer Volk hat eine Lebensweise, die einen besonders muskulösen Körper hervorruft. Daher verlasst ihr euch zu sehr darauf, dem Gegner mit einem wuchtigen Schlag einfach die Waffe aus der Hand zu reißen."
"Was soll daran falsch sein?" fragte sie verwirrt.
Er seufzte. "Ich habe deine Anfrage nicht ohne Grund angenommen, Astrid. Du bist flink wie ein Wiesel, biegsam wie ein Zweig und doch kraftvoll wie eine Raubkatze. Aber der Hauptgrund ist: Du kannst über deinen nächsten Schritt nachdenken. Jemand anderes hätte diesen Idioten" Er deutete in Richtung Dorf. "ganz anders zugrunde gerichtet. Sie hätten ihn einfach nur zusammengeschlagen Soll ich dir sagen, was du anders gemacht hast?" Sie nickte zögerlich."Du hast nachgedacht. Du hast deine Vorteile überdacht und sie genutzt. Der wahre Schwertkampf und die Schlachtentaktik bestehen aus nichts anderem. Vorteile überdenken und nutzen, mehr ist es nicht. Der Kampf besteht nicht aus purer Kraft und Gewalt. Du musst abwarten, bis sich eine Lücke in der Deckung deines Gegners zeigt und dann zuschlagen. Nicht früher und nicht eher. " erklärte er geduldig.
"Aber ist es nicht irgendwie feige, solche Vorteile auszunutzen?" fragte sie.
"Im Gegenteil. Ihr benutzt doch ebenfalls Kraft zu eurem Vorteil oder nicht? Das ist eure Stärke. Wieso solltest du Rotzbackes Körpereigenschaften übernehmen, nur damit ihr gleichauf seid? Widerlich, ich weiß, aber denk darüber nach. Egal welche Kampftechnik, sei es die meines rothwardonischen Meisters oder die der Wikinger, alle nutzen irgendwelche Vorteile. Sieh also meinen Kampfstil nicht als unfair, sondern viel mehr als...alternative Kampfart." Er grinste breit.
Sie hingegen schlug sich die Hand vor die Stirn. "Bei den Göttern! Das ergibt so viel Sinn, dass ich nicht weiß, wie ich so dumm sein konnte da nicht selbst drauf zu kommen. Ich muss so eine Enttäuschung für dich sein, Meister."
Er lächelte sanft. "Es ist in Ordnung, du hättest diese ganzen Sturköpfe ohnehin nicht überzeugen können. Außerdem kannst du nur besser werden, indem du aus deinen Fehlern lernst. Und um dir zu helfen diese aufzudecken, bin ich ja hier. Ach ja, und Astrid? Bitte nenn mich nicht Meister. Du magst zwar meine Schülerin sein, aber nicht meine Sklavin. Mein Name ist für dich Rune, nicht Meister."
Sie strahlte vor Freude. Dann jedoch errötete sie wieder. "Sag mal, Rune, was war das eigentlich vorhin?"
"Wie meinst du das?"
"Du weißt schon... kurz bevor Rotzbacke gebrüllt hat... als unsere Gesichter... naja du weißt schon..." stammelte sie nervös und Hicks wurde auch etwas rot.
Er kratzte sich am Kopf und schaute weg. "Ich... ich weiß es nicht... Können wir nicht einfach mit dem Training anfangen?" meinte er.
"Ist vielleicht besser so." fügte sie peinlich berührt hinzu.

Das Drachenblut naht (Skyrim und DZLG)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt