Uno

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 solitary [adjective]
"done or existing alone"

Einen letzten Blick warf die junge Frau auf den Körper, der vor ihr auf dem Tisch lag. Sie blickte auf die geschlossenen Augen des Leichnams, dann auf die spitzen Ohren und schließlich auf die Hände, die auf der Brust gefaltet waren. Mit einem Nicken gab sie dem Vulkanier auf der anderen Seite des Tisches Bescheid, dass er die Leiche zudecken sollte. Der Stoff verdeckte den Mann, sodass man ihn nur noch durch die Wölbungen unter dem Laken erkennen konnte.

Verwitwet, war das einzige Wort, das ihr durch den Kopf ging. Immer wieder spielte es sich in einer Dauerschleife ab. Sie drehte die vulkanische Wüstenblume in ihren Händen, während sie durch die Straßen von Neu-Shi'Kahr zog. Die Sonne brannte auf der Kapuze ihres Umhangs, doch sie lief einfach weiter. Das Geschehen um sie herum war ausgeblendet, die Einwohner, die an ihr vorbei liefen, waren bloß Schatten in ihrem Augenwinkel. Der Fokus lag noch immer auf der Blume, die sie an ihre Hochzeit erinnerte. Selbst zu Hause nahm sie den Umhang nicht ab, sondern stand einfach im Wohnzimmer und lehnte sich auf den Esstisch. Die Stacheln, die sich in das Fleisch ihrer Hand bohrten, ignorierte sie wie den Botschafter, der vor ihr stand. 

"Das nächste Föderationsschiff wird Sie zur nächsten Sternenbasis bringen", teilte er mit. Sein Name war Turak, das wusste sie. Er war beim hundertzwanzigsten Geburtstag ihres Mannes gewesen. "Es sei denn, Sie ziehen es vor, hier zu bleiben."

"Hier hält mich nichts mehr", gab sie zu. "Können Sie eine direkte Rückkehr zur Erde arrangieren?"

"Sicher, Mrs. Sovik."

"Mein Name ist McCormack", korrigierte sie, begleitet von einem tiefen Seufzer. "Geben Sie mir Bescheid, wenn das Schiff eingetroffen ist."

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"Captain auf der Brücke!", hallte die Stimme des jungen Navigators durch den Raum.

"Mr. Chekov, setzen Sie Kurs auf Neu-Vulkan", befahl James Kirk und ließ sich in seinen Sessel fallen. "Warp 3, Mr. Sulu."

"Warp 3, Sir. Ankunft in 14 Stunden, 41 Minuten", bestätigte Sulu.

"Neu-Vulkan, Sir?", fragte sein Erster Offizier.

"Wir haben eine Mission", seufzte der Captain. "Die Witwe des verstorbenen Botschafters Sovik soll zur Erde zurückgebracht werden."

"Sie ist menschlich?", fragte McCoy, der die Brücke gerade betreten hatte.

"Offensichtlich", antwortete Kirk. 

"Besonders menschlich kann sie nicht sein, wenn sie einen Vulkanier heiratet." Der Arzt erntete einen durchdringenden Blick gefolgt von einer hochgezogenen Augenbraue von Spock.

"Tatsächlich scheint sie sehr vulkanisch zu leben", erwiderte der Vulkanier.

"Vielleicht hält sie die Hitze auf Neu-Vulkan einfach nicht aus", sagte Uhura, die sich bisher nicht am Gespräch beteiligt hat. "Verständlich wäre es." Ihr Blick wanderte zu Spock, auf den sie nach dem Ausflug auf den Wüstenplaneten noch immer nicht besonders gut zu sprechen war. Mit vielem hatte die Kommunikationsoffizierin gerechnet, aber nicht mit einer durchschnittlichen Temperatur von 60 Grad Celsius im Schatten.

McCoy verdrehte die Augen und verließ die Brücke ohne ein weiteres Wort. Das Liebesdrama der Beiden hatte seine Nerven in den letzten vier Jahren der Mission schon genug beansprucht und momentan war er mehr als froh, in wenigen Monaten wieder festen Boden auf den Füßen zu haben.

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Mit zusammengezogenen Augenbrauen beobachtete sie den Scotch in ihrem Glas. Eine Erinnerung an alte Zeiten, dachte sie. An Zeiten, als sie noch Gefühle hatte. An Freunden, bei denen sie sich nicht mehr gemeldet hatte. Sechs Jahre waren vergangen. Sie hatte kein einziges Mal zurückgeschaut - bis jetzt. Eigentlich sollte sie weinen, doch sie konnte nicht, obwohl sie trauerte. Sechs Jahre verheiratet und sie hatte eine aufgegebene Karriere und keine Perspektive mehr. Vielleicht konnte sie bei Freunden auf der Erde unterkommen und sich wieder zum Dienst aufstellen lassen. Die Ausbildung hat sie abgeschlossen, aber nie gearbeitet. Sie begann, ihre Sachen zusammenzupacken. Viel hatte sie allerdings nicht - das Meiste gehörte ihrem Mann. Alles, was ihr blieb, war die Kleidung, die sie damals mitgebracht hatte, ihr Schmuck und die Flöte, die in ihrem Regal verstaubte. 

"Turak an McCormack", riss sie aus den Gedanken. "Ein Schiff der Sternenflotte wird Sie morgen früh abholen."

"Verstanden", antwortete sie knapp, ehe sie sich auf die Matratze des gemeinsamen Bettes legte, mit der Hand über die leere Stelle neben sich strich und den vertrauten Geruch der Laken einatmete.

An Schlaf war nicht zu denken, so lag sie die ganze Nacht dort, meditierte ein paar Stunden lang und saß schließlich vor ihrem Haus auf ihrem Koffer, bereit auf das Schiff gebeamt zu werden. Schließlich war es soweit. Sie spürte das Beamen nur leicht und schon im nächsten Moment stand sie auf der Transporterplattform eines Raumschiffes. 

"Lassie?", war das erste, das sie hörte. "Lassie!" Der schottische Akzent hallte laut durch den Transporterraum und das breite Grinsen Scotty's ließ sie für einen Augenblick ihre Sorgen vergessen, bis sie realisierte, auf welchem Schiff sie gelandet war. Ihre Mundwinkel senkten sich wieder und nahmen ihre gewohnte Haltung an, als sich die Tür öffnete und sie voller Panik in die strahlend blauen Augen blickte.

"Elizabeth", stellte die schrecklich vertraute Stimme fest.

Reunification - James T. KirkWo Geschichten leben. Entdecke jetzt