Seis

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apology [noun]
"a regretful acknowledgement of an offence or failure"

"Aufgeregt?", fragte Uhura, die neben Elizabeth über den Gang lief. In der letzten Woche hatten sie, Christine und Janice viel Zeit miteinander verbracht, doch mit Uhura verstand sie sich besonders gut. Die Kommunikationsoffizierin war mehr als bewundernswert. Ihre Eleganz, ihr Talent für Sprachen, ihre verständnisvolle und selbstbewusste Art und ihre Offenheit - sie war eine Art Vorbild für sie geworden.

Die beiden Frauen konnten  zusammen mit Spock ein kleines Konzert im Aufenthaltsraum arrangieren. Zusammen würden sie ein paar Lieder spielen, mehr Zeit konnten die beiden leitenden Offiziere nicht opfern. Die Jamsessions der vergangenen Woche hatten bereits genug Zeit in Anspruch genommen und obwohl Captain Kirk Regeln für gewöhnlich nicht allzu eng sah, störte es ihn, wenn sein Erster Offizier ihn nicht rechtzeitig auf der Brücke ablöste.

"Ein wenig", gab Elizabeth zu. "Es ist eine ganze Zeit vergangen, seit ich das letzte Mal vor Publikum gespielt habe." In Wahrheit hatte sie Angst davor, sich zu verspielen und damit die Vorstellung zu ruinieren, aber sie musste sich für Uhura, die die Erste Stimme sang, zusammenreißen. Zwar lag der Hauptfokus normalerweise nicht auf dem Pianisten oder die Zweitstimme, aber eine schlechte Begleitung wollte gewiss niemand hören.

"Keine Sorge, es ist ja kein Auftritt vor der gesamten Akademie der Sternenflotte", beruhigte Uhura sie. "Vor 20 Leuten zu singen ist wesentlich entspannter als vor 2.500 Kadetten und 200 Admiralen, glaub mir." Sie betrat den Aufenthaltsraum und zog die Augenbrauen erstaunt hoch. "Okay, es sind wesentlich mehr als 20 Leute da."

"Oh nein", seufzte Elizabeth und blickte auf die Menschenmenge, die sich im Aufenthaltsraum befand. Grob geschätzt 90 Offiziere, wenn man die Gruppe, die Poker spielte, das knutschende Pärchen und die drei Männer, die an irgendetwas arbeiteten, einbezog. "Damit habe ich nicht gerechnet."

"Ich auch nicht, aber umso besser", sagte Uhura und zog sie in die Richtung der kleinen Bühne, auf der Spock und zwei ihr unbekannte Männer auf sie warteten. Das Geräusch ihrer Pumps auf den flachen Stufen vor der Bühne hallte durch den Raum, bis sie oben angekommen die anderen Musiker grüßte und sich vor das Mikrofon stellte, während sich Elizabeth vor das Klavier setzte und das Mikrofon mit ihren nervös schwitzenden Händen richtete. Als sie ihre Hände an ihrem Kleid abwischte, fiel ihr Seitenblick auf Spock, der gerade seine Harfe stimmte und seinen Bogen, mit dem das Instrument einer Geige sehr ähnlich klang, in Griffweite neben sich legte und die beiden Unbekannten, die mit ihren Flöten in der Hand durch ihre Noten blätterten. 

Du wirst nicht im Fokus sein, redete sich Elizabeth ununterbrochen ein und sah auf die Klaviertasten vor ihr. 

Uhura räusperte sich, bis Ruhe im Raum eingekehrte. "Sehr geehrte Damen, Herren, Androgyne und Geschlechtsneutrale, danke, dass Sie so zahlreich erschienen sind. Unser erstes Stück hat einen schottischen Ursprung--" Sie wurde durch vereinzelte Jubelrufe im Publikum unterbrochen. "--ja, ich weiß, Freiheit und Unabhängigkeit. Wie dem auch sei - The Water is Wide."

Elizabeth schlug die ersten Töne auf dem Klavier an und atmete dabei tief durch, um ruhig zu bleiben und sich zu konzentrieren. Als Uhura mit ihrem Gesang und Spock mit der Harfe rechtzeitig einstiegen, lächelte Elizabeth und fing an, die Begleitstimme zu singen.

Völlig in die Musik vertieft sang sie, als hätte sie nie etwas Anderes getan. Erst, als die Flötenspieler einstiegen, merkte Elizabeth, dass Uhura gar nicht mehr mitsang. Als sie sich zu ihr umdrehte, sah sie direkt in die erstaunten Augen der leitenden Offizierin, ehe ihr Blick auf das Publikum fiel, das ihr beinahe ausnahmslos zuschaute und zuhörte. Bedacht darauf, nicht nervös zu werden, sang Elizabeth weiter, merkte aber, wie sie immer weiter die Farbe im Gesicht verlor. Nach der letzten Note applaudierten die Zuschauer begeistert, doch sie konnte Uhura nur mit großen Augen anschauen. "Es tut mir leid, ich hab mich einfach mitreißen lassen" war das Einzige, das sie sagte, dann stand sie auf und hastete am Publikum vorbei aus dem Raum.

Sie lehnte sich an die Wand hinter ihr und atmete von der vielen Aufmerksamkeit überwältigt tief durch. Ihre Augen schlossen sich für einen Moment, im nächsten hörte sie schon die sich öffnenden Türen und Schritte.

"Geht es dir gut?", fragte eine tiefe Männerstimme.

"Den Umständen entsprechend", antwortete Elizabeth knapp und öffnete ihre Augen seufzend. "Was willst du, Jim?"

"Ich habe mir Sorgen gemacht", erklärte er. "Das habe ich die ganze Zeit."

Elizabeth machte ein spottendes Geräusch. "Sicher hast du das."

"Wieso kannst du mir nicht einfach glauben?", fragte Jim.

"Warum sollte es dich überhaupt noch interessieren, wie es mir geht, wenn du wahrscheinlich schon mit der halben Schiffsbesatzung eine Affäre hattest?" Ihre Blicke trafen sich und sie spürte wieder dieses seltsame Gefühl in ihrem Bauch.

"Okay", seufzte er, packte sie an den Schultern und zog sie in den gegenüberliegenden Raum, den momentan nicht besetzten Ersatz-Kontrollraum. "Ich weiß nicht, warum du solche Sachen zu mir sagst oder warum du glaubst, ich würde mit einem Mitglied meiner Crew schlafen. Warum denkst du so von mir? Was habe ich dir getan?"

Ohne jegliche Vorwarnung brach Elizabeth in Tränen aus und drehte sich von ihm weg. "Ich kann das nicht", schluchzte sie. 

"Was kannst du nicht?", fragte Jim verwirrt. "Liz..." Er legte eine Hand an seinen Oberarm und machte einen Schritt näher an sie heran. "Bitte erkläre es mir."

"Was ist aus dir und Marla Jenkins geworden?", fragte Elizabeth und drehte sich zu Jim. Als sie praktisch sehen konnte, wie sein Hirn arbeitete, seufzte sie enttäuscht. "Du hast keine Ahnung, von wem ich rede, oder?"

"Nicht wirklich", gab er ehrlich zu. 

"Der Akademieball Winter '57, kurz vor meinen Prüfungen. Sie war eine Kriosianerin, schulterlange dunkelbraune Locken, blaue Augen, sie hat Ingenieurswesen studiert." Noch immer regte sich nichts in meinem Gesicht. "Genau das meine ich, Jim. Du erinnerst dich gar nicht mehr an sie, obwohl du mich ihretwegen auf dem Ball sitzenlassen hast! Du hast mich einfach weggeschmissen und so getan, als würdest du mich nicht kennen, und dann denkst du ernsthaft, ich würde dir deine Besorgtheit abkaufen?" Elizabeth wischte sich die Tränen von den Wangen und schüttelte den Kopf. "Bei so vielen Frauen, mit denen du schon was hattest, war es ein Wunder, dass du meinen Namen noch kanntest, als ich auf das Schiff kam. 

Nach einer kurzen Pause schluckte Jim schwer. "Ich war früher ein Vollidiot. Ein Arschloch. Ich habe alles auf die leichte Schulter genommen, Regeln gebrochen und immer darauf gezählt, dass mich die Menschen in meinem Umfeld vor den Konsequenzen bewahren. Als ich fast das Kommando über mein Schiff verloren hätte, der Mann, der für mich wie ein Vater war, starb und ich selbst fast gestorben wäre, habe ich endlich begriffen, dass ich nicht der berühmte James Kirk bin, für den Regeln nicht gelten und dass ich mehr zu verlieren habe, als ich damals geglaubt habe. Ich musste mich seit Beginn der Fünf-Jahres-Mission immer wieder bei Frauen entschuldigen, denen ich in den Jahren davor das Herz gebrochen habe, ein paar von ihnen waren oder sind unter meinem Kommando." Er zog die Augenbrauen zusammen und sah die kleinere Frau an. Sie konnte in seinem Blick die Aufrichtigkeit und die innere Verletzlichkeit deutlich erkennen. "Kaufst du mir wenigstens meine Ehrlichkeit ab?"

"Ich wünschte, ich könnte die Vergangenheit einfach so vergessen", sagte Elizabeth leise. "Du würdest nicht verstehen, warum es so unfassbar wehtut, an damals zu denken und dir in die Augen zu sehen."

"Vielleicht kannst du es mir irgendwann erklären", antwortete Jim und strich mit seiner Hand über ihre Wange.

"Vielleicht", flüsterte sie und berührte seine Hand, dann verließ sie den Raum mit gesenktem Blick.

Reunification - James T. KirkWo Geschichten leben. Entdecke jetzt