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Nachdem wir Atalantura nach Wochen der Belagerung aufgeben mussten, flüchteten wir mit nur knapp zweihundert Männern und Frauen durch einen geheimen Tunnel. Dieser endete in einer kleinen Bucht, wo vier Zerstörer vor Anker lagen. Diese Schiffe waren unsere letzte Möglichkeit von der Insel weg zu kommen. Solche Buchten gab es überall an den Küstenstreifen der Insel. Ich hatte auch angeordnet, dass in vielen Buchten Schiffe versteckt werden sollen; eben wegen solcher Notfälle. Auf jedem Schiff habe ich Karten versteckt, auf denen ich Fluchtwege eingezeichnet hatte. Und somit flüchteten über zweitausend Rogo aus ihrer Heimat. Es war eine Niederlage auf allen Ebenen und viele, nein die meisten weinten nur noch. Wir hatten nicht mehr die Kraft für einen Gegenangriff.

Als wir die Schiffe erreicht hatten, brachten wir zuerst die Schwachen und Alten an Bord und zum Schluss kamen wir Soldaten. Die Karten hatte ich schnell gefunden. Auf den Karten war auch ein Treffpunkt für alle versteckten Schiffe eingezeichnet. Der König ist mit Tullamove untergegangen und somit war ich der noch höchste lebende Adlige unseres Volkes. Daher entschied ich, dass wir zu dem Treffpunkt fahren und auf weitere Schiffe warten würden.

Wir erreichten den Treffpunkt um die Mittagsstunde rum. An dem Treffpunkt waren schon einige unserer Schiffe. Ich konnte sehen, dass dort viele Soldaten waren. Und zum Glück waren es Magieritter. Wir ruderten zu den anderen Schiffen hin und ich zählte während der Fahrt die Anzahl der dieser. Es waren mit unseren vierzehn Schiffe. Also bisher über eintausend Überlebende. Davon waren knapp die Hälfte Magieritter und reguläre Soldaten.
Auf meinem Schiff versammelten sich die übrig gebliebenen Adligen. Wir mussten entscheiden, ob wir noch warten sollten, oder neues Land suchen sollten. Bekannte waren unter ihnen nicht.
„Ich sage, dass wir noch warten sollten. Gerade sind wir einfach zu wenige", sagte ein stämmiger Mann mittleren Alters. Er hatte eine Lanze auf dem Rücken und seine Oberarme waren mit Narben übersät. Er musste also schon vieles durchgemacht haben. Er hieß Granduri Hadrada.
„Derselben Meinung bin ich auch. Ihr Orden hat ja überall Schiffe versteckt, daher kann es doch gut sein, dass noch ein oder zwei Grafen überlebt haben könnten", meinte ein anderer Adliger, durch dessen Gesicht eine lange Narbe fuhr. Er war bekannt für seine Reitkunst und hieß Jinghard Cid.
Viele andere wollten ebenfalls warten, denn sie hatten die Hoffnung noch nicht aufgegeben so wie ich. Und hätte ich damals nicht nachgegeben, hätten wir viele weitere der Rogo verloren. Also warteten wir. Am nächsten Morgen näherte sich uns ein Verband aus einundzwanzig Schiffen. Es waren allesamt unsere Leute. Ich traf Graf Vandred und Graf Gurfva wieder. Sie hatten also überlebt!
„Wie habt ihr es geschafft von der Insel zu fliehen?", fragte ich die beiden Grafen, die an Bord meines Schiffes gekommen sind.
„Es war nicht gerade leicht die Schiffe zu finden und aus der Hölle dort zu entfliehen. Auf der Suche nach den Booten hier, haben wir über die Hälfte unserer Krieger verloren. Diese Bastarde machen Jagd auf alle von uns. Es bleibt niemand verschont. Nicht einmal die Alten oder Kinder. Als wir lossegelten, konnten wir uns mit weit mehr Schiffen zusammentun, doch wir blieben nicht lange unentdeckt. Sechzehn Schiffe haben wir auf dem Weg hierher verloren", erklärte uns Graf Vandred.
„Das heiß also, dass alle Schiffe, die jetzt hier sind es geschafft haben. Wir sind eindeutig zu wenige, um unsere Heimat zurück zu erobern. Wir sollten also weitersegeln und nach neuem Land Ausschau halten", ,meinte Hadrada.
„Wenn wir grob durchzählen heißt das, dass wir nur noch knapp zweitausend Rogo sind. Und ich denke, dass die Übrigen auf der Insel sich nicht so leicht ergeben werden", sagte ich in die Runde, die nur aus den zwei niederen Adligen, den beiden Grafen und mir bestand.

„Das stimmt Bronos. Unsere Leute werden nicht aufgeben. Sie werden kämpfen, auch wenn es für sie den endgültigen Untergang bedeutet. So sind wir halt", sagte Jinghard Cid mit einem Grinsen. Als er dies sagte, konnten wir anderen auch nur Grinsen, denn es entspricht ja der Wahrheit, was er damals sagte. Heute kenne ich ja nur noch seine Nachfahren und pflege zu Ihnen ein gutes Verhältnis.
„Wie sieht es eigentlich mit den Vorräten auf euren Schiffen aus?", fragte ich die Runde.
„Also bei uns allen sieht es gleich aus. Wir konnten nicht viel mitnehmen. Es reicht vielleicht für eine Woche. Vielleicht auch ein wenig länger, wenn wir es uns gut einteilen. Aber Sorgen machen uns die Alten und Kranken. Wenn wir nicht in einer Woche neues Land finden, werden sie sterben", sagte Gurfva.
„Wir sollten langsam mal von hier weg, sonst werden wir noch entdeckt. So eine Flotte wird schnell entdeckt werden. Ich will unser Wiedersehen ja nicht unterbrechen, doch ich habe ein schlechtes Gefühl und fühle mich auch ein wenig beobachtet", sagte Graf Vandred frei heraus und wir übrigen nickten nur. Ich fühlte mich ebenfalls beobachtet. Und tatsächlich kamen ein Dutzend feindliche Schiffe auf uns zu, als sich unsere Runde aufgelöst und sich jeder zu seinen Schiffen begeben hatte. Diese Zwölf waren aber nicht voll besetzt, da sie uns für keine große Bedrohung angesehen haben - das war ein fataler Fehler, denn Wölfe, die in die Enge getrieben wurden, sind umso gefährlicher. Da sich meine magischen Reserven wieder erholt hatten, beschwor ich riesige Feuerbälle und ließ diese auf die feindlichen Schiffe krachen. Man kann sich das so vorstellen, als wenn man beim Bowlen die Pins mit einer Kugel umwirft. Genauso sind die Feinde von ihren Schiffen geflogen. Im ersten Moment waren unsere Leute verängstigt, doch nach diesem Schauspiel mussten alle nur lachen. Die Gefahr war ausgerottet, aber nur für den Moment. Und ich hatte viel Kraft verwendet. Von den anderen Schiffen drang Jubel zu uns herüber.

Jetzt ging auch endlich die Fahrt weiter. Wir segelten in Richtung Südosten. Die Tage vergingen schnell. Unsere Vorräte wurden knapper und wir hatten auch schon die ersten Toten zu beklagen. Wir fuhren in einem Verband aus dreißig Schiffen. Um unsere Vorräte aufzufüllen, mussten wir öfters anhalten und nach Fischen angeln. In den nächsten Tagen gab es kaum noch Fleisch. Wir ernährten uns hauptsächlich von Fisch. Das ist auch der Grund, warum ich auch heute noch kein Fisch mehr essen kann. Ich hatte damals einfach genug davon. Morgens, Mittags und Abends gab es nur Fisch!

Vom Ausguck schrie jemand herunter: "Land in Sicht! Meldet es auch den anderen Schiffen! Wir haben endlich neues Land gefunden!"
Das war ein Segen für uns. Wir waren eine knappe Woche auf See und haben endlich Land gefunden. Wir wussten nicht, was uns erwarten wird, doch die Hoffnung bald wieder festen Boden unter unseren Füßen zu haben, war atemberaubend. Unser Volk war einfach nicht für die Seefahrt geschaffen.

Die MagieritterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt