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Ungläubig lasse ich mein Handy fallen. Ohne irgend einen Plan stehe ich auf und gehe. Ich gehe einfach weg. Dort hin, wo hin mich meine Beine tragen. Ich will hier weg. Weg von dem Handy, weg von dieser Hyopsbotsbotschaft, weg von der Erinnerung an den Mord, weg von dem Ort des versuchten Mordes. Einfach nur weg. Im Moment fühle ich nichts. Gar nicht. Ich habe nur ein riesen Loch in meinem Herzen. Ein Loch an der Stelle, an der früher mein Bruder stand.
Stunden lang gehe ich einfach gerade aus und merke jetzt erst, dass ich nichts weiter als meinen Schlafanzug anhabe. Nicht einmal Schuhe. So langsam spüre ich die eises-Kälte und den Schmerz von meinen blutenden Füßen. Aber das ist besser, als den Schmerz in meinem Herzen zu fühlen. Mit lehrem Blick und keinen Gefühlen wander ich weiter. Keine Ahnung, wo ich gerade bin, aber das ist mir gerade scheiß egal.
Ich laufe immer noch durch die Gegend, als die Sonne am Horizont aufgeht. Wie lange ich wohl schon unterwegs bin? Die Sonne steigt immer weiter und ich kann einfach nicht mehr. Total erschöpft kippe ich vorne über und lande zum Glück im Moos. Ich bin so k.o., dass ich es nur noch schaffe mich auf den Rücken zu drehen. Und passend zu meiner grauen Stimmung, beginnt es auch noch zu regnen. Mir wird immer kälter, aber das ist mir egal. Dann erfriere ich halt, dann werde ich halt zum Eiszapfen, dann kommt halt der Mörder und bringt mich um. Ist mir alles so was von scheiß egal. Wenn ich sterbe, bin ich halt im Himmel bei meinem Bruder.
Total durchnässt und durchgefroren schlafe ich ein.
Keine Ahnung, wie lange ich geschlafen habe, aber die Sonne steht schon an ihrem Zenit. Ich will mich aufrichten, doch es geht nicht. Meine Arme und Beine sind komplett eingefroren und ich bin bis zum Knochenmark durchnässt. Egal, dann bleibe ich einfach liegen. Wohin sollte ich denn auch gehen? Zurück? Wohl kaum. Zu viele Erinnerungen.
Ich vermisse meinen Bruder. Am liebsten würde ich jetzt zu ihm. Aber das geht nicht, denn ich werde ihn nie wieder in meinem gesamten Leben sehen. Nie wieder. Warum haben mich meine Eltern nicht angerufen? Dann wäre ich zu ihnen gekommen und hätte noch die letzten Minuten bei John sein können. Jetzt kommen alle Gefühle in mir auf. Verzweiflung. Angst. Trauer. Wut. Zorn. Doch ich vergieße keine Träne, verschwende keinen einzigen Gedanken an meine unfairen Eltern. Und dann ist mein Kopf wieder total leer. Bis auf einen einzigen Gedanken. Den Tot. Wie gerne wäre ich jetzt tot und bei meinem Bruder. Bei meinem John.
Plötzlich vernehme ich das Trampeln von Hufen. ,,Sarah? Sarah?! Oh Gott Sarah!" Es ist Graham. Er steigt von seinem Pferd und kniet sich neben mich. ,,Sarah, was ist passiert?" fragt er besorgt. Ich reagiere nicht. Ich nehme ihn nicht mal richtig wahr. So verloren bin ich in meinen Gedanken. ,,Gott, deine Lippen sind ja eiskalt und erst deine Arme und Beine. Und du bist kletsch nass!" Geschockt mustert er mich. Sofort zieht er seine Jacke aus, richtet meinen Oberkörper auf und hängt mir seine Jacke um die Schultern. Direkt wird mir etwas wärmer.

Schicksal (Hobbit ff) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt