Kapitel 2 - Mika

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*Flashback*

„Als wir klein waren..." Zittrig kommen die Worte über deine vollen, zum Küssen einladenden Lippen.
„Diese Albträume..." Ich erinnere mich. Damals, als du neu in unserer Familie warst... Nächtelang hattest du furchtbare Träume, du hast geschrien und um dich getreten... Daraufhin habe ich dir vorgeschlagen mit bei mir im Bett zu schlafen, damit du keine Angst mehr hast. Abends als es dunkel wurde, verkrochen wir uns mit einer Taschenlampe unter der Bettdecke und erzählten uns Geschichten. Meist waren wir so lange wach, dass wir am nächsten Morgen kein Auge mehr offenhalten konnten. Aber deine Angst legte sich, du konntest wieder ruhig schlafen, bliebst allerdings bei mir. Nacht für Nacht, Woche für Woche und Jahr für Jahr. Mich störte es nie und es wurde zur Gewohnheit dich neben mir liegen zu haben. Mit fünfzehn fing ich an Gefühle für dich zu entwickeln. Anfangs war es zwar seltsam, denn ich verstand nicht was mit mir geschah, doch eins war sicher: Ich fühlte und wollte mehr, als das du mein Bruder sein konntest. Irgendwann hast du, wegen des Willens unserer Eltern, beschlossen wieder in deinem Zimmer und in deinem Bett zu schlafen. Diese Zeit war die Hölle für mich. Ich konnte nicht schlafen, wälzte mich hin und her ... Deine Seite in meinem – nein, in unserem Bett – war nun leer und ab diesem Zeitpunkt war ich es, der sich in dein Zimmer schlich, um mich neben dich zu legen. Unsere Eltern erwischten uns noch am selben Morgen und schrien uns an. Wir seien Geschwister, fast erwachsen und sollten uns auch so verhalten. Ich versuchte ihnen zu erklären, dass ich ohne dich nicht einschlafen könnte, doch sie hörten mir nicht zu. Sie befahlen mir, mich zusammenzureißen und fingen an jeden Abend zu kontrollieren, ob jeder in seinem Bett schlief. Ich glaube, sie haben meine Gefühle für dich vor mir selbst erkannt. Doch von Schlaf konnte ich nicht einmal träumen, denn immer, wenn ich die Augen schloss und ich normalerweise immer dem Rhythmus deiner Atemzüge gelauscht habe, konnte ich nun jede Nacht nur noch die Stille und die Kälte spüren, welche mich umgab. Wir wurden getrennt und ohne dich kann ich nicht schlafen, nicht fühlen und nicht leben. Jeden Morgen lag ich wach und hatte Augenringe, die mich wie eine Leiche haben aussehen lassen. Irgendwann kamst du Frühs zu mir, weil wir für die Schule sowieso schon zu spät dran waren. Mit der Zeit hatte ich mir angewöhnt, in eine Art Taubheit zu verfallen, wenn es hieß schlafen zu gehen. So wurden die Augenringe und die Erschöpfung am Tag zwar auch nicht geringer, aber wenigstens verging die Zeit schneller auch wenn ich durchgängig nur an dich und deine Nähe dachte.

An diesem Morgen, an dem du das erste Mal seit langem wieder in mein Zimmer kamst, sahst du mich so traurig und ängstlich an. Ich fragte dich sofort was los sei und befürchtete schon, dass diese furchtbaren Träume zurückgekehrt wären. Doch du antwortetest nicht.
Nein, du setztest dich neben mich auf mein Bett und fuhrst behutsam mit deinem Daumen über die Ringe unter meinen Augen. In diesem Moment wurde mir klar, was ich für dich empfinde und dass du mehr bist, als nur mein Adoptivbruder. Ich weiß, es klingt egoistisch, aber kannst du nicht dasselbe empfinden wie ich? Du sollst mir gehören, ganz allein nur mir ich will dich nicht teilen!

*Flashback ende*

„Noah..." Ich wollte dir gerade vorschlagen, dass du wieder bei mir im Bett schlafen könntest, nur wie soll ich das sagen ohne das meine Begierde zum Vorschein kommt?
„Nein, Mika... Es... Ich möchte jetzt nicht darüber reden. Das einzige was ich will,ist, einfach hier zu liegen und zu wissen, dass mein Bruder für mich da ist."
„Oh." Mehr brachte ich nicht raus. Auf der einen Seite freute es mich, zuwissen, dass du hier sein möchtest, neben mir – im Bett. Aber dann kam diesesWort: Bruder. Es tat höllisch weh,dieses Wort zu hören. Zu wissen, dass du mich nur als deinen Adoptivbrudersiehst, ist nicht so schlimm, wie es aus deinem Mund und über deine wunderschönen Lippen kommen zu hören. Warum sagst du das auch? Du hast keineAhnung, schon klar, aber denkst du nicht auch, dass wir mehr als Brüder sind?
„Hey, ähm... Noah...? Kann ich dich mal etwas fragen?" Daraufhin öffnen sich deine Augen langsam und dein Blick galt ganz allein mir. Ich nehme das mal als Ja. „Was siehst du in uns? Also... Ich...Ich meine sind wir Freunde oder einfach nur Brüder? " Die letzten Worte wollten mir einfach nicht vernünftig gelingen. Du scheinst überrascht über die Frage, die Art wie du mich ansiehst verrät alles.
„Keine Ahnung, Mika." Ich zog fragend die Augenbrauen hoch. „Was meinst du damit?" Ich verstand dich einfach nicht. Ich ließ für einen kurzen Moment die Decke los, um mich auf den Rücken zu legen.
„Noah, du kannst auf so eine Frage nicht einfach mit ' keine Ahnung ' antworten." Mein Kopf dreht sich wie automatisch zu dir rum und ich erblickte, wie du leise atmend und mit geschlossenen Augen vor dich hindöhnst. „Noah ...?"
„Mh-mh..."
Wie du so daliegst und schläfst, siehst du so unglaublich süß aus... Hach, solcheAugenblicke fehlen mir. Aber endlich findest du schlaf und ich vergesse dadurch schon fast, was ich dich eigentlich habe fragen wollen. Siehst du, was du mit mir anstellst?!
Ich kann nicht anders, ich muss dich einfach ansehen. So schön. Deine Lippen sind einen Spalt weit geöffnet und das leise Schnarchen lässt auch mich langsam eindösen. So friedlich habe ich mich schon lange nicht mehr gefühlt. Es scheint, als wäre es eine Ewigkeit her, dass ich das letzte Mal so richtig träumen konnte. Ohne Widerstände gebe ich mich der Ruhe hin und diesmal ist es nicht bloß dieser taube Zustand. Ich schließe meine Augen, nehme jeden Zentimeter von dir neben mir wahr, lasse mich von dem Nebel ganz einschließen.

Desire for Love  [ boyxboy ]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt