„Kann ich dir mit dem Koffer helfen?" Ich hatte mir das Trauerspiel nun lange genug mit angesehen. Der Junge war höchstens zehn und versuchte verzweifelt seinen Koffer aus der oberen Ablage des Zuges zu hiefen. Ich griff nach dem Koffer und ließ ihn auf den Boden gleiten. Der Junge bedankte sich bei mir und errötete einwenig, es war ihm wohl unangenehm das er Hilfe gebraucht hätte oder vielleicht lag es auch einfach daran das ich eine Frau war. "Wo sind denn deine Eltern?" fragte ich den Jungen. "Sie stehen am Bahngleis und holen mich ab" antwortete er mir, worauf hin ich nur "na dann" entgegnete bevor ich mir meine Handtasche schnappte und den Zug verließ, ich war bestimmt nicht die Frau die es sich zur Aufgabe machte fremde Kinder zu beaufsichtigen, bis sie zu ihren Eltern zurück finden. Am Bahngleis drehte ich mich trotzdem noch mal um, nur um sicher zu gehen aber es schien wohl alles in Ordnung der Junge wurde gerade von einer rundlichen Blondine gedrückt. Also stapfte ich jetzt zum Hauptausgang des Bahnhofes wo einige Taxis schon auf mögliche Kundschaft warteten. Ich stieg in das erstbeste und bat den Fahrer mich zur Seemannsstraße zu fahren. Es fühlte sich merkwürdig vertraut an durch meine alte Heimatstadt zu fahren und doch machte es mich traurig. Die Häuser hatten sich verändert was mir nur vor Augen hielt das alles und jeder in dieser Stadt gealtert ist.
Nachdem ich den Fahrer bezahlt hatte, betrachtete ich das Haus von außen, ich hatte die Wohnung bisher nur auf Fotos gesehen, da ich meine Freundin und Immobilienmaklerin Luisa gebeten hatte sich um eine Wohnung für mich zu kümmern. Ich wollte nicht extra für die Wohnungssuche anreisen sondern mich so lange es ging vor der Konfrontation mit dieser Stadt und allem was ich zurück gelassen hatte drücken. Ich drehte den Schlüssel im Schloss und ging die Treppe hoch in den dritten Stock. Als ich in die Wohnung eintrat war ich begeistert es war eine helle große Altbauwohnung und meine Möbel waren offensichtlich auch schon angekommen, na gut sie standen noch nicht am richtigen Platz und ausgepackt waren sie auch nicht aber das wäre auch zu schön um wahr zu sein. Ich bestellte mir noch zwei Nudelgerichte beim Italiener und bezog mein Bett frisch. Strom und Wasser liefen zwar aber um den Kabelanschluss und die WLAN-Verbindung musste ich mich morgen nach der Arbeit kümmern also las ich noch ein Buch und legte mich dann schlafen es war schon zehn Uhr und ich wollte morgen top fit sein wenn ich mich meinen neuen Kollegen vorstelle.
Ich war noch nie ein großer Morgenmuffel, von Selbstmitleid hielt ich nicht viel, ich stand auf, sprang auf mein Fahrrad und radelte an einem Bäcker vorbei, bei dem ich mir ein belegtes Brötchen holte. Ich war keine gute Fahrradfahrerin deshalb kam ich ziemlich ins straucheln als ich mein klingelndes Telefon raus kramte und den Anruf annahm: Margrit Weidel, guten Tag." „Guten Tag Frau Weidel, Hauptkommissar Kram hier, ich weiß es war verabredet, dass wir uns im Büro treffen, aber es gibt einen Toten. Sie sollten am besten gleich her kommen! Tiroler Straße 1-7." Sagte die Stimme am anderen Ende des Telefon, er war eindeutig langjähriger Raucher. Ich willigte ein und wir legten auf. Ich wusste was sich in der Tiroler Straße befand, der Pharmakonzern der Stadt Alpha Inc.
Als ich den Gebäudekomplex erreichte folgte ich einfach den Stimmen und kam ich in einer riesigen Lagerhalle an, ein rundlicher, etwa 1,85m großer Mann, um die 50, mit Oberlippenbart kam auf mich zu und streckte mir seine Hand aus „Peter Kram es freut mich sie endlich kennen zu lernen, ich habe von ihrem Chef aus Berlin nur Gutes gehört. Kommen sie ich stelle sie ihren Kollegen und ihrem neuen Partner vor." Einwenig überfordert stammelt ich etwas unverständliches was wohl „Vielen Dank" oder „Freut mich auch" bedeuten sollte, und folgte ihm. Eine rothaarige Frau Ende 40 stand neben einen Mann von der Spurensicherung und einem jungen Mann in Lederjacke. „Frau Weidel das sind Annika Thomas sie ist meine Stellvertretung, Adrian Fisch von der Spurensicherung, eine Koryphäe auf dem Gebiet der Spurenanalyse und Florian Springer ihr neuer Partner. Nun Kollegen es freut mich Ihnen Margrit Weidel vorzustellen, frisch aus der Berliner Vermisstenstelle zur Mordkommission unseres beschaulichen Örtchens." Ich gab allen nacheinander einen Händedruck und begutachtete dann, wovor sich meine neuen Kollegen versammelt hatten. Hinter ihnen lag ein schlaksiger junger Mann Anfang 20, blondes Haar und weit aufgerissene blaue Augen hinter einer braunen Brille. Links am hinteren Teil seines Schädels war eine klaffende Wunde sichtbar aus der Blut ausgetreten war. „Tim Hofreit, 20 Jahre alt, er arbeitete hier nebenbei als Praktikant und studierte Pharmazie.." Adrian Fisch hatte sich nun zu mir gesellt und versuchte sich ungeschickt die Kapuze des Schutzanzuges vom Kopf zu nehmen. „Wer hat ihn gefunden?" ich bückte mich zur Leiche runter und begutachtete seinen zerrissenen Kittel. Florian Springer steckte die Hände in die Jackentasche und wippte vor und zurück:"Das war die Putze, ihr Deutsch hat gerade mal für den Notruf gereicht ansonsten spricht sie scheinbar nur Rumänisch, aus der ist nicht viel rauszubekommen." „Mit ‚Putze' meinen sie wohl die Reinigungskraft!" entgegnete ich etwas schnippisch, obwohl mich Zeugen, die mich nicht weiter bringen genauso frustrierten. Springer seufzte und reichte mir die Hand: „Sorry, ich neige zu politischer Unkorrektheit wenn ich mich ärgere. Sind ihnen die weißen Pulverrückstände an den Händen aufgefallen? Wir sind noch nicht sicher was es ist aber Forelle hat das bis morgen spätestens analysiert." „Forelle?" „Ja das bin wohl ich, Florian hat sich diesen super lustigen Spitznamen für mich ausgedacht, ignorieren sie es am besten." Adrian Fisch hatte sich uns wieder zugewendet und schob seine Brille mit dem Zeigefinger wieder hoch. Etwas verwirrt lächelt ich: "Ah ja ok, ihr braucht mich übrigens nicht Siezen, wenn ihr das hier sonst auch nicht macht! Wenden wir uns am besten wieder dem Opfer zu, ich trage mal kurz zusammen was wir bis jetzt haben: Der Student und Praktikant Tim Hofreit kam mit einer Unbekannten Substanz in Berührung, hatte seiner zerrissen Kleidung zu folge kurz vor seinem Tod einen Kampf und auf Grund seiner Körpertemperatur schlussfolgere ich das er etwa zwischen null und zwei Uhr in folge einer Prellung und starkem Blutverlust am Hinterkopf gestorben ist. Meiner Meinung nach ist das übrigens eine äußerst ungewöhnliche Zeit um sich hier aufzuhalten." Ich setzte eine ausdruckslose Miene auf um meinen neuen Kollegen nicht zu zeigen dass ich mich freute, denn sie schienen eindeutig beeindruckt. Herr Kram und Frau Thomas wandten sich uns wieder zu und Herr Kram verkündete: „ Also die Leiche wird jetzt abtransportiert, von mir aus können sie Mittag machen. Frau Thomas und ich werden nun die Eltern des Opfern benachrichtigen. Herr Springer, Frau Weidel sie können nach ihrer Pause zu der Adresse auf dem Personalausweis fahren und die Nachbarn befragen." Ich war etwas schockiert darüber, dass wir schon Pause machten obwohl wir vor höchsten zwei Stunden den Dienst antraten aber für Florian schien das wohl normal zu sein, denn er salutierte vor unserem Chef. Ich musste mich wohl damit abfinden das ich nicht mehr bei der Vermisstenstelle war und es nicht mehr um Leben und Tod ging sondern nur noch um Tod, schließlich war das einer der Gründe warum ich jetzt hier war, um diesem Druck zu entgehen. Florian grinste mich an: „ Wollen wir was essen gehen, ich könnte dir auf dem Weg ins Restaurant eine Stadtführung im Schnelldurchlauf geben. „ ich schüttelte den Kopf lache aber: „Ich bin hier aufgewachsen also nur zurück gezogen statt zugezogen, aber wir können gerne essen gehen ich muss schließlich den Kerl kennenlernen dem ich mein Leben in die Hände lege."
Wir packten mein Fahrrad hinten in seinen Wagen und fuhren zum total überteuerten und überbewerteten Italiener in das super chice Neubaugebiet.
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Plan B - Alternativen gibt es immer
Mystery / ThrillerNach der Versetzung in ihre Heimatstadt,wird die junge Kommissarin direkt mit ihrem ersten Fall konfrontiert. Auf der Suche nach dem Mörder des Pharmalaborant stößt sie auf einen weiteren Toten und um den Fall aufzuklären muss sie sich mit ihrer Ver...