Ich war gerade dabei die gefühlt millionste Kirschtomate zu würfeln als es an der Tür klingelte. Ich zögerte, da mein Bruder und mein Vater angerufen hätten wenn sie vorbei gekommen wären und es war bereit nach zehn also konnte es auch kein Postbeamter mehr sein. Als jemand heftig an meine Tür hämmerte, gingen bei mir die Alarmglocken an. Durch den Türspion erkannte ich das Karl-Wilhelm vor meiner Wohnungstür stand, er sah wütend aus. Ich öffnete die Türe „Sie sind meine Mutter!" Der Reiz den seine Worte im meinen Ohr auslösten, drang zwar bis zu meinem Gehirn durch bräuchte aber eine Weile um verarbeitet zu werden. Es war keine Frage gewesen sondern eine Feststellung und er schien sich sehr sicher zu sein. Ich hätte zwar lieber die Türe zugeschlagen und seinen Vater angerufen um ihn zu fragen was das jetzt soll, sagte aber stattdessen: „Komm rein." und trat zur Seite. Karl-Wilhelm hatte wohl eher damit gerechnet das ich es bestätigte oder leugnete und nicht das ich ihn rein bat. Er zögerte einen Moment bevor er eintrat und in meinem winzigen Flur gleich wieder stehen blieb. „Du kannst die Schuhe ruhig an lassen wenn du willst! Einfach nach links ins Wohnzimmer oder nach rechts in die Küche." Der Junge ging zielstrebig auf mein Sofa zu und setzte sich. Zu meiner Verwunderung verkroch sich Hera nicht, sondern kam ins Wohnzimmer, blieb dann aber einige Meter vor Karl-Wilhelm entfernt stehen und beobachtete ihn misstrauisch. „Sie brauchen es nicht gar nicht erst leugnen ich weiß es." Er war so wütend dass es klang als sei er außer Atem. „Hat dein Vater dir das erzählt?" ich versuchte ruhig zu bleiben obwohl ich mindestens genauso wütend war, was fiel Maximilian ein seinem Sohn zu erzählen ich sei seine Mutter ohne mich vorzuwarnen. „Ich hab es in meiner Geburtsurkunde gelesen und als ich mich an ihren Nachnamen erinnert habe hab ich auf der Visitenkarte die uns ihr Partner gegeben hat den Vornamen gelesen." Er hatte es auf der Geburtsurkunde gelesen lügen war also auch keine Lösung. „In Ordnung, da du es jetzt weißt kannst du mich auch duzen." Er zuckte mit den Schultern. „Weiß dein Vater das du hier bist?" „Nein." Es wäre verantwortungsbewusst gewesen, ihm sofort zu schreiben wo dein Sohn ist aber ich tat es nicht. „Du hast bestimmt einige Fragen" ich war mir nicht sicher ob ich ihm alle Fragen ehrlich beantworten konnte beziehungsweise wollte aber ich würde mein bestes geben. „Papa sagt, du wolltest kein Kind und hättest mich zur Adoption freigegeben weil du dich nicht bereit gefühlt hast?" Mir wurde jetzt erst richtig bewusst in was für einer Situation ich mich hier gerade befand und wer hier auf meinem Sofa saß. „Ich war 16 und hatte keinen Schulabschluss, abgesehen davon haben Kinder bis dato grundsätzlich nicht in meinen Lebensplan gehört." Ich wusste nicht wie ich ihm am schonendsten beibringen sollte das ich mein Leben keinen Kind hatte aufopfern wollen und er deshalb ohne Mutter aufgewachsen war. Seine Stirn lag in Falten doch er klang nicht sauer als er weiter sprach „Hab ich Geschwister?" „Nein! Mein Verlobter wollte vor fünf Jahren Kinder und es war ganz klar das wir ohne, keine Zukunft haben. Ich hab damals ihm zu liebe darüber nach gedacht aber es kam mir falsch vor zu wissen, hier sitzt schon ein Kind und ich setze einfach ein neues in die Welt." Ich fummelte Nervös an meinen Fingern rum, ich bräuchte etwas um mich zu beschäftigen. „Hast du Hunger, ich war gerade dabei ein Risotto zu machen aber ich könnte auch etwas bestellen wenn du willst, Pizza vielleicht?" „Margherita vielleicht." Ich willigte ein und bestellte via Internet zwei Margherita Pizzen. „Warum hast du dich nicht mal gemeldet zum Geburtstag oder so? Du hättest ja nicht bleiben müssen nur ab und zu mal vorbei schauen?" Karl-Wilhelm klang vorwurfsvoll und tat recht damit „Anfangs hab ich euch Postkarten und Spielzeug geschickt, aber es kam nie eine Antwort und dann hab ich beschlossen mich wieder auf mich zu fokussieren und hab mich nicht mehr gemeldet. Es wäre mit der Zeit so oder so schwierig geworden einem fremden Kind etwas zu schenken, aber ich hab Unterhalt gezahlt sobald ich gearbeitet hatte. Karl-Wilhelm, ich bin keine Mutter, ich hätte dir nicht das geben können was du brauchst."versuchte ich mich zu verteidigen. Die unangenehme Stille die entstand wurde erst durchbrochen als Hera sich in Bewegung setzte und auf den Jungen zu ging. Fasziniert sah ich zu wie sie ihre Schnauze auf seinem Bein bettete. Ich wusste nicht ob sie mich in dieser Situation entlasten wollte oder ob Karl-Wilhelm einfach das einzige männliche Wesen war das von ihr gemocht wurde. Manchmal war ich wirklich neidisch weil sogar dieser Hund emphatischer war als ich. Der Junge hob seine Hand um sie zu streicheln, zögerte dann aber und schaute mich an. „Wenn sie sich so anbietet brauchst du mich auch nicht fragen." Er schenkte mir ein halbes Lächeln „Ok. Ach ja und es reicht völlig wenn du mich Willi nennst, Karl-Wilhelm ist einfach zu lang." Ich verzog das Gesicht, denn der Name Willi gefiel mir überhaupt nicht. Karl-Wilhelm hatte ich damals den Stoffwal genannt den mir Maximilian geschenkt hatte, allerdings erzählte ich seinem Sohn besser nicht das er höchstwahrscheinlich nach einem blauen Riesen benannt wurde. „Wie wäre es wenn ich dich einfach Karl nenne?" „Von mir aus." Er zuckte mit den Schultern. Karl setzte gerade an mir noch Frage zu stellen als es an der Tür klingelte. Da ich mit dem Lieferdienst rechnete, zögerte ich nicht und ging gleich zu Türe. Es war tatsächlich ein Pizzabote. Ich gab ihm ein ordentliches Trinkgeld und ging mit zwei Tellern und den Kartons zurück ins Wohnzimmer „Brauchst du Besteck?" Erleichtert darüber das er verneinte, setzte ich mich. Ich hatte durchaus gelernt wie man laut Knigge anständig aß, aber ich war der Meinung das wenn man schon Dinge wie Pizza oder Burger aß, man sie auch mit den Händen essen konnte. Ich hatte überhaupt keinen Hunger und knabberte immer noch am meinem ersten Stück während Karl-Wilhelm schon sein viertes verschlang. „Wieso bist du du nicht in der Stadt geblieben? Wir wären und bestimmt nicht oft über den Weg gelaufen und erkannt hätte ich dich auch nicht." Er hatte recht, wir sahen uns überhaupt nicht ähnlich. Ich konnte äußerlich keine Gemeinsamkeit erkennen, er hatte dunkelblondes Haar, ich hatte braunes, er hatte blaue Augen wie Max, ich hatte braune, er war größer als ich und war genauso schlank wie Max. Wir hatten absolut nicht gemeinsam und ich war mir nicht sicher um mich das traurig machte oder erleichterte. „Es war mir peinlich, dass ausgerechnet ich dumm genug war so jung schwanger zu werden, ich hab immer gedacht sowas passiert nur Jugendlichen aus sozial schwächeren Schichten. Ich hab meine Freunde zwar weitgehend gemieden aber es wäre natürlich aufgefallen wenn auf einmal wieder aufgetaucht wäre und Maximilian mit einem Baby da gesessen hätte. Außerdem hielt ich es für besser einen klaren Schnitt zu machen." Karl war jetzt auch satt und hatte zwei Stücke übrig gelassen. „Wie lange bist du nach meiner Geburt noch bei mir geblieben?" ich zögerte denn ich hatte mir vorgenommen ehrlich zu sein und meine Antwort würde ihm bestimmt weh tun. „Gar nicht, nachdem ich entlassen wurde, bin ich zu meiner Tante gezogen. Karl du darfst das nicht persönlich nehmen das hat absolut nichts mit dir zutun es ist nur so wenn ich da geblieben wäre, hätte ich mich noch schuldiger gefühlt und wäre vielleicht geblieben und das ist definitiv nicht das gewesen was ich mir vom Leben erhofft hatte. Es tut mir leid." „Brauch es nicht, ich hatte sowieso nicht erwartet das du super viel Liebe versprühst." Ich lachte kurz auf „Ja für die Sympathiepunkte hab ich den Hund. Du kannst dich übrigens glücklich schätzen, Hera mag eigentlich keine Männer." Hera hatte sich sehr lange von ihn streicheln lassen bevor sie es sich unter seinen Beinen gemütlich gemacht hatte. Bei unseren letzten Begegnungen hatte ich mir eher ein negatives Bild von Karl-Wilhelm gemacht, doch ich vertraute Hera und ihrer Menschenkenntnis. Abgesehen davon schafften wir es ja gerade auch ein gesittetes Gespräch zu führen. „Naja also entweder ich fühl mich jetzt geehrt oder ich bin beleidigt weil sie mich für nicht männlich genug hält." Wir unterhielten uns weiter, ich erzählte ihm von meinen Bruder und meinen Eltern, wie ich anfing Wirtschaftspolitik zu studieren , dann aber merkte das ich nicht länger zur Schule wollte und schließlich zur Polizei bin, und wie ich Hera als Welpen zu mir nahm. Karl war sportlich sehr aktiv er spielte nicht nur Tennis sondern schwamm auch, er hatte eine sehr enge Beziehung zu seinen Großeltern weil sie sich um ihn gekümmert haben wenn Max lernte. Ganz beiläufig schaute ich auf die Uhr und erschrak „Um Himmels Willen, es ist schon zwei Uhr ich muss dich nach Hause fahren." Ich sprang auf doch Karl blieb sitzen „Kann ich nicht hier bleiben, ich kann auch auf dem Sofa schlafen. Mein Vater denkt eh das ich feiern bin." Ich zögerte kurz nicht weil ich jetzt ein Problem damit hatte sondern weil es morgen früh möglicherweise merkwürdig werden würde. „In Ordnung, ich bezieh dir das Bett im Gästezimmer schnell und ich sag deinem Vater Bescheid." Letzteres gefiel ihm zwar nicht aber er akzeptierte meine Bedingung. Ich gab ihm ein Handtuch und ließ ihn alleine im Bad, während ich das Bett frisch bezog. Nachdem ich mich bettfertig gemacht hatte schaute ich nochmal im Gästezimmer vorbei um ihm eine gute Nacht zu wünschen. Ich war kurz vom gehen als Karl mich noch einmal aufhielt „Bist du eigentlich enttäuscht, weil du was anderes erwartet hast?" „Naja unser erstes aufeinandertreffen hat mich wirklich schockiert aber ich glaube wir werden ganz gut miteinander auskommen. Und du ?" Er sah viel jünger aus als 16, so wie er da in diesem kleinem Bett halb zu gedeckt saß und die Hände über der Decke gefaltet hatte. „Enttäuscht nicht, du bist nur ganz anders als ich es mir vorgestellt habe. Papa hat immer gesagt du wärst extrem spießig aber du hast deine Pizza mit der Hand gegessen das gibt Pluspunkte." Ich lachte, denn Maximilian hatte mich immer schon als Spießerin bezeichnet, weil ich mich in der Regel immer gesetzmäßig verhielt „Gute Nacht Karl." Und diesmal ging ich wirklich in mein Zimmer. Hera lag heute nicht mit mir im Bett sondern vor der Tür meines Gästezimmers, ganz rein hatte sie sich dann doch nicht getraut. „Karl-Wilhelm ist bei mir und weiß jetzt alles. Ich bring ihn Morgen zu dir. Gruß Margrit" danach stellte ich mein Telefon auf stumm, weil ich schlafen wollte und keine Lust auf eine weitere Auseinandersetzung mit Maximilian hatte.
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Plan B - Alternativen gibt es immer
Mystery / ThrillerNach der Versetzung in ihre Heimatstadt,wird die junge Kommissarin direkt mit ihrem ersten Fall konfrontiert. Auf der Suche nach dem Mörder des Pharmalaborant stößt sie auf einen weiteren Toten und um den Fall aufzuklären muss sie sich mit ihrer Ver...