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„Hey, Fettina! Willst'e auch ma'?"
Erschrocken drehe ich mich um und weiche kurz darauf zurück. John- zwei Klassenstufen über mir- kommt fies grinsend auf mich zu, flankiert von Robert und Luis, seinen Handlangern. Alle drei rauchen.
„Kriegst se auch gratis", sagt John und hält mir eine Zigarettenpackung entgegen. Während er spricht, trifft er mich mit seiner Atemwolke mitten ins Gesicht. Ich beginne zu husten.
„Ach komm schon, zeig' uns, was du kannst, Fettina". Er wedelt energisch mit der Zigarettenpackung vor meinen Augen. Zurückweichen kann ich nicht mehr, hinter mir befindet sich die Backsteinmauer, die das Schulgelände umrahmt. Ich versuche, rechts zur Seite hin auszuweichen, werde aber von Robert aufgehalten, der sich drohend mit der Zigarette zwischen den Zähnen vor mir aufbaut. Links von mir tut Luis dasselbe. Ich sitze in der Falle. In mir baut sich Panik auf, da ich schon jetzt weiß, wie es enden wird. Ich, zusammengesackt auf dem Boden, presse meine Hände gegen die blutende Nase. Oder den Mund. Oder gegen eine andere Stelle meines Körpers. Höchstwahrscheinlich auch gegen mehrere.
Dabei sind meine blauen Flecken vom letzten Mal noch gar nicht verheilt.
Meine Beine zittern. Als John es bemerkt, grinst er gehässig.
„Angst, Kleene?", sagt er, obwohl ich genauso groß bin wie John, „das solltest du auch ham' ". Lässig wirft er die Zigarettenpackung über die Schulter. Der hohle Aufschlag bestätigt, was ich von Anfang an geahnt hatte. In der Packung sind keine Zigaretten mehr. Doch er sagt mir auch etwas viel Erschreckenderes.
John will die Hände freihaben.
Im nächsten Moment nickt er Robert und Luis zu. Ehe ich reagieren kann, haben sie mich schon an den Oberarmen gepackt. Ich wehre mich instinktiv, versuche mich aus den Griffen zu entwinden. Aber mir ist klar, dass ich keine Chance habe. Drei muskelbepackte Elftklässler gegen ein fettes Mädchen aus der neunten.
Als hätte er meine Gedanken gelesen, sagt John: „Zappel' ruhig, bringt dir eh nichts.". Gleich darauf spüre ich den ersten harten Schlag gegen mein Kinn. Fast im selben Moment knallt mein Kopf durch die Wucht von Johns Faust gegen die Mauer hinter mir. Mein Hinterkopf explodiert vor Schmerz und ich spüre etwas Warmes mein Kinn heruntertropfen, während meine Augen zu tränen beginnen. Ich hätte mich wahrscheinlich gar nicht mehr auf den Beinen halten können, wenn Robert und Luis sich nicht wie zwei eiserne Schraubstöcke um meine Arme geklammert hätten. Ein dicker Tränenschleier behindert meine Sicht und durch den Aufprall mit dem Hinterkopf dreht sich mein Kopf. Doch ich weiß, dass ich mich damit noch glücklich schätzen kann.
Noch. Im nächsten Augenblick trifft mich Johns Faust zum zweiten Mal. Diesmal knapp unter dem Auge. Das Lachen der drei kriege ich nur am Rande mit. Der Schmerz lässt mich alles andere vergessen.
„Okay Leute, ich denk', das reicht für heute.", sagt John schließlich nach drei weiteren Faustschlägen ins Gesicht. Wie auf Kommando lassen Johns Kumpel mich los und ich stürze sofort zu Boden. Wie ein Sack schwerer Kartoffeln.
Die drei wenden sich zum Gehen, können es sich aber nicht verkneifen, mich davor noch ein paar Mal zu treten.
„Hat geschrien wie 'ne Sau, was?", höre ich John in einiger Entfernung noch einmal zu seinen Handlangern sagen. „Aber mich wundert's nich', die sieht ja auch aus wie eine!" Dröhnendes Gelächter.

Bann des Tagebuchs (Pausiert)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt