Astrids Sicht:
Es fällt kein Wort während dem Flug, doch vermutlich hätte ich es sowieso nicht gehört. Zu sehr bin ich darauf konzentriert, mich an Sturmpfeils Sattel festzuklammern. Noch immer hat der Nachtschatten meinen Drachen fest im Griff und so liege ich beinahe im Sattel. Wenn ich jetzt loslasse, würde ich rücklings hinunterfallen.
Doch nach etwa einer halben Stunde sind meine Finger so verkrampft, dass ich mich frage, ob loslassen nicht doch die bessere Option wäre. Glückerweise taucht in diesem Moment eine weitere Insel am Horizont auf, welche schnell näherkommt. Bitte lass uns landen. Bitte lass uns landen.
Stumm schicke ich ein Stossgebet nach dem anderen in den Himmel hinauf, bis ich merke, dass wir tatsächlich auf die Insel zusteuern. Als wir sie erreichen, gleitet Ohnezahn tiefer und setzt Sturmpfeil vorsichtig ab. Der Nachtschatten selbst fliegt einige Meter weiter, bis er ebenfalls auf dem Boden aufsetzt. Eine Gestalt -ohne Frage Hicks- gleitet elegant aus dem Sattel und kommt auf mich zu. Während dem Gehen streift er sich seinen Helm ab und schüttelt sein kastanienbraunes Haar.
Ohne mir Beachtung zu schenken, geht er an mir vorbei und lässt sich neben Sturmpfeil in die Knie sinken. Die Betäubung scheint bereits nachzulassen, den die Nadder-Dame wirft unruhig ihren Kopf in die Luft. "Shhh, ruhig meine Süsse. Das haben wir gleich." Beruhigend redet Hicks auf den Drachen ein, bevor er nach dem Pfeil greift. In einer fliessenden Bewegung dreht er ihn heraus. Die Nadder-Dame krächzt zwar kurz, bleibt jedoch ansonst still. "Das hast du toll gemacht." Lobend klopft der braunhaarige Wikinger Sturmpfeil auf die Flanke und holt einen kleinen Gegenstand hervor.
Der Tiegel, wie ich auf den zweiten Blick erkennen kann, ist gefüllt mit einer grünlichen Salbe, welche er vorsichtig auf das Bein des verletzten Nadders aufträgt. Die ganze Zeit über liegt Sturmpfeil still da und beobachtet ihn, ich mache es ihr gleich. Fasziniert beobachte ich, wie Hicks die Salbe sanft in die schuppige Haut von Sturmpfeil einreibt. In meinem Gehirn rattern Sätze, die ich sagen könnte, bis ich wirklich den Mund öffne: "Was ist das?" Ich schliesse ihn sofort wieder.
Super Astrid, diese Frage ist das cleverste, dass du jetzt sagen konntest.
Ich verpasse mir innerlich einen Arschtritt, doch Hicks verzieht die Lippen zu einem leichten Lächeln. "Ein Gemisch aus Heilpflanzen und Nachtschattenspuke." Auch wenn er mich immer noch nicht ansieht, spricht er wenigstens mit mir. Also entscheide ich, etwas mehr zu wagen. "Danke, dass du uns geholfen hast."
Sein Lachen erstirbt und er dreht sich zu mir um. Düster gleiten seine Augen über mich. "Was wolltest du hier? Ist etwas weit für eine Patrouille." Von seiner ruppigen Art überrascht, blinzle ich. Automatisch steigt in mir die bissige Antwort hoch, dass ich mich nicht vor ihm rechtfertigen muss, doch stattdessen sage ich mit belegter Stimme: "Na was wohl? Ich habe nach dir gesucht. Du bist seit drei Monaten spurlos verschwunden und hast dich kein einziges Mal gemeldet."
Die Miene völlig emotionslos tritt Hicks einen Schritt zurück. "Hätte ich etwa auf Berk aufkreuzen sollen?" Durch seine Gleichgültigkeit, werde ich sofort wütend. "Natürlich nicht, aber du hättest mich bei einem Rundflug treffen können!" Fahre ich ihn zornig an.
"Ich wusste doch nicht, wann, wo und ob du alleine bist!" Jetzt wird auch Hicks Stimme lauter und er ballt die Hände zu Fäusten. Ich will nicht mit ihm streiten, nicht nachdem ich ihn so lange nicht gesehen habe, also zwinge ich mich dazu tief durchzuatmen. Die Ruhe bewahren gehörte noch nie zu meinen Stärken, doch in diesem Moment könnte meine Hitzigkeit nach hinten los gehen. "Ich habe dich vermisst."
Kaum ist mir dieser Satz über die Lippen gekommen, verraucht meine Wut so plötzlich wie sie aufgetaucht ist. Es stimmt. Nichts ist mehr so, wie es vorher war. Alles ist so fremd und kalt ohne ihn.
Hicks sieht mich lange an. "Ich habe dich auch vermisst." Dann senkt er den Blick und murmelt: "Aber ich habe zu grosse Angst um Ohnezahn." In seinen Augen spiegelt sich Trauer und ohne dass er es ausspricht, weiss ich, woran er denkt. Der schicksalhafte Tag vor drei Monaten und sechs Tagen.
Um die plötzlich düstere Stimmung zu vertreiben, wechsle ich schnell das Thema. Gespielt fröhlich stemme ich die Arme in die Hüfte und sehe mich um. "Übrigens, schöne Insel. Gefällt mir. Hat Sie einen Namen?"
Auf meine Ablenkung eingehend, verzieht Hicks die Lippen zu einem breiten Lächeln. "Ohnezahn und ich haben sie 'Secret Island' getauft." Wie auf Stichwort, stupst eine warme Schnauze meine Hand an. Hinter mir steht Ohnezahn, den Kopf leicht seitlich geneigt.
Seine grossen, grünen Augen mustern mich neugierig und er lässt ein fröhliches Brummen hören. Grinsend streichle ich ihm über den Kopf. "Ich freu mich auch dich zu sehen, Ohnezahn."
Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie Hicks auf die verletzte Nadder-Dame zu geht und sie aufmerksam mustert. "Wir müssen Sturmpfeil von hier wegbringen. In der Nacht ist es am Strand zu gefährlich." Noch während Hicks spricht, zieht er Sturmpfeil auf die Beine.
Stutzig ziehe ich die Augenbrauen hoch, verzichte jedoch darauf, nachzufragen. Stattdessen eile ich zu ihm hinüber um zu helfen. "Und wohin geht's? Ich glaube nicht, dass Sturmpfeil schon in der Lage ist zu Fliegen."
"Das ist auch nicht nötig." Ohne eine weitere Erklärung abzugeben, setzt sich Hicks in Bewegung. Sturmpfeil und ich beeilen uns, ihm nachzukommen, dicht gefolgt von Ohnezahn. Als wir den angrenzenden Wald betreten, strömen unzählige Gerüche auf uns ein. In der Ferne zirpen nachtaktive Grillen, irgendwo über unseren Köpfen gurrt ein Uhu. Nicht zu vergessen das sanfte Rascheln der Blätter im Wind. Leise seufzend versuche ich alles in mich aufzunehmen. Es fühlt sich so unbeschwert – gar friedlich an.
"Hier entlang." Sanft greift Hicks nach meiner Hand und zieht mich weg vom Weg. Wir kämpfen uns durch mehrere Gebüsche und umgestürzte Baumstämme, bis sich der Wald vor uns langsam zu lichten beginnt. Wortlos treten wir hinaus auf eine kleine Lichtung.
Unweit von uns entfernt, steht ein Zelt und dicht davor eine provisorisch errichtete Feuerstelle. "Hast du dich hier niedergelassen?" Neugierig lasse ich meinen Blick umherschweifen. Es sieht alles ziemlich schnell errichtet aus, was mich leicht die Stirn runzeln lässt. Im Vergleich zu Hicks sonstigem Einfallsreichtum, ist dies schon ziemlich...minimalistisch.
"Nur vorübergehend." Sanft lässt Hicks meine Hand los und geht gerade Wegs auf das Zelt zu. Zögerlich folge ich ihm. Auf halben Weg schnippt er mit den Fingern, worauf sich Ohnezahn einige Meter entfernt und gemütlich ins Gras fallen lässt. So wie es aussieht, werden wir wohl hierbleiben.
Nachdem ich mich versichert habe, dass auch Sturmpfeil sich ausruht, folge ich Hicks ins Zelt. Verwundert stelle ich fest, dass es grösser ist, als gedacht – nun ja, wäre es nicht mit allen möglichen Sachen vollgestopft. Das ganze Innenleben des Zeltes ist gefüllt mit Kisten, Schriftrollen oder seltsamen Konstruktionen. Sogar auf der dünnen Matte am Boden, welche ohne Zweifel Hicks Bett darstellt, liegen Lupen und kleine Zahnräder.
"Schön...hast du es hier." Ich versuche mir die Ironie nicht anmerken zu lassen, doch meine Miene spricht Bände. Zähneknirschend blickt mich Hicks von der Seite her an. "Ich hatte nicht mit Besuch gerechnet." Entschlossen schüttelt er den Kopf und straft die Schultern. "Nimm dir eine Decke aus der Kisten dort drüben.
Überrascht von seiner plötzlichen Ablehnung sehe ich mich nach der gemeinten Kiste um. Wieso benimmt er sich jetzt wieder so kalt? Seufzend greife ich nach der erstbesten Decke und will mich schon wieder umdrehen, da sticht mir eine kleinere Kiste voller Papiere ins Auge. Neugierig greife ich nach einer der Schriftrollen und öffne sie.
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Dragons-wenn alles auseinanderbricht
FanficHicks ganzes Leben ändert sich an einem Tag. Wer ist sein Freund? Wer sein Feind?