I.

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"Du musst versuchen, nicht so oft nachzudenken; mehr aus Reflex heraus zu handeln." Er sah sie an und probierte ihren Blick aufzufangen, doch all ihr Interesse galt den Nagellackresten auf dem Boden, die sie die letzte halbe Stunde von ihren Nägeln gepult hatte.
"Wie mach ich das?" fragte sie nach einiger Zeit und sah hoch, durch ihn hindurch auf das Bild hinter ihm.
Er schüttelte leicht den Kopf und erwiderte:"Das wirst du wissen, wenn es soweit ist."
Sie nickte stumm; nahm die Information auf wie ein Ozean einen Regentropfen.

Dunkelbraune Augen und ein selbstgefälliges Lächeln; Savannah wusste, dass er jetzt dachte, er hätte irgendeinen psychologischen Durchbruch erreicht. Die Art, wie seine Augen zu leuchten begannen verriet ihr das.
Selbstgefälligkeit muss man Einhalt gebieten, Savannah, merk dir das, hatte einst ihre Mutter gesagt.
"Können Sie mir sagen, warum ich es überhaupt versuchen sollte?" Er sah sie verdutzt an und das Leuchten verschwand.
"Wie bitte?" Nun wich auch das Lächeln aus seinem Gesicht, beinahe schneller als es gekommen war.
"Sie haben mich schon richtig verstanden", erklärte sie mit Genugtuung. "Warum sollte ich versuchen, jemand anderes zu sein? Bisher kam ich auch gut klar." Er lehnte sich nach vorne und stützte sich mit den Ellbogen auf seinen Oberschenkeln ab. Es dauerte einen Moment, bis er antwortete:"Aber deswegen bist du doch h..."
"Ich bin hier, weil Amanda denkt, ich hätte ein Problem."
"Und du denkst das nicht?" Er griff nach seinem Notizblock, Savannah hasste wenn er das tat. Sie kam sich dann immer vor als wäre sie ein Tier, das man studieren wollte.
"Nein, ich denke, ich komme gut klar mit meinem Leben." Verhältnismäßig, beinahe hätte das Wort sich in ihren Satz geschlichen. Savannah lächelte bei dem Gedanken daran, dass Zwei kleine Männchen, gekleidet in gelbe Warnwesten mit dem Aufdruck 'Wörterpolizei' es noch rechtzeitig hatten zurückhalten können. Und hätte sich im nächsten Moment für dieses Lächeln schlagen können.
Er lehnte sich mit verschränkten Armen in seinem Sessel zurück und seufzte schwer.
"Savannah, du weißt, dass wir nicht richtig arbeiten können wenn du dich gegen das hier weigerst."
"Gegen was weigere ich mich denn?", fragte sie unschuldig und lehnte sich ebenfalls zurück. "Sie sagten dutzende Male, ich solle sagen was ich denke, aber wenn ich es tue ist es falsch. Zur Hölle nochmal aus Ihnen soll einer schlau werden." Sie griff nach ihrer Tasche und stand auf. "Vielleicht sollten Sie darüber nachdenken was Sie sagen und wie Sie es meinen. Sie können ja anrufen, wenn Sie es herausgefunden haben, okay?"
"Savannah, wir sind noch nicht fertig hier!" Sie drehte sich nicht mehr um, setzte die Kapuze ihres Hoodies auf und murmelte, mehr zu sich selbst:"Oh ich denke schon, Mr Greenslee."

Rebecca, die Sekretärin stand auf und hielt sich beide Hände vor den Mund, als Savannah die Tür des Behandlungszimmers hinter sich zuknallte und aufgebracht und -zugegebenermaßen- mit etwas stolz über ihren Abgang Richtung Ausgang marschierte. "Savannah Liebes, was ist denn passiert?" fragte sie mit ihrem engelsgleichen Stimmchen und blickte entsetzt drein. Savannah lachte auf. "Och nichts. Alles ist toll! Mach doch einen neuen Termin für mich in..." Sie schaute auf die Armbanduhr, die sie nicht besaß und endete mit:" Ach weißt du was? Mach einen Termin für nie wieder! Ich hab nämlich echt genug von all dem Scheiß hier! Jedes Mal wenn ich hier rausgehe denke ich, dass es effektiver wäre mich selbst zu therapieren." Rebecca kam mit mütterlichem Blick hinter ihrem Schreibtisch hervor und schob den Jungen mit den dunklen Locken zu Seite. "Lass dich doch umarmen Kind. Alles wird g..."
Schnell machte Savannah einen Schritt zurück, zeigte mit dem Finger auf den Lockenkopf und meinte kalt:"Umarm doch den da, wenn dir so nach Umarmungen ist, aber verschon mich bitte damit!"
Die kleine Frau mit dem roten Haar brachte nichts mehr heraus und sah das Mädchen nur noch mit geschocktem Gesichtsausdruck an. Die Lippen hatte sie zu einem schmalen Strich zusammengepresst.

Sie wartete einen Moment, wahrscheinlich auf eine Entschuldigung. Auf etwas, dass nie über Savannah's Lippen kommen würde. Dann wandte Rebecca sich abrupt ab und lächelte dem Jungen mit den dunklen locken zu. Es war kein richtiges Lächeln, mehr der erbärmliche Versuch davon. Aber er erwiderte ihr Lächeln nicht, sah nicht einmal zu ihr und dachte stattdessen darüber nach, was dieses kleine, aufgebrachte Mädchen gesagt hatte. Sich selbst therapieren, überlegte er und starrte ihr hinterher.

A/N:
So, das erste Kapitel ist da! Wie gefällt es euch?
Wenn ihr Verbesserungsvorschläge habt oder sonst irgendwelche Anmerkungen, bitte immer raus damit.
Wir waren eure Ferien? Seid ihr alle schon wieder in der Schule zurück?

Teach Me How To BeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt