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Ein heller weißer Blitz durchzuckt den schwarzen Himmel und schlägt im schwarzen Wasser ein, in welchem ich treibe und der Blitz zieht auch durch meinen Körper, sodass ich kurz erzitter. Ein zweiter und auch ein dritter Schlag folgen. Dann... nichts mehr. Stille. Ich sehe nichts anderes mehr als schwarz, so wie vorher, rieche und höre nichts. Ich dümpel nur im Wasser hin und her und kann nichts tun außer nachzudenken. Über Wincent und meine Eltern. Nach dem Tod meiner kleinen Familie hatte ich nie mehr Wincents Musik gehört. Immer wenn sie im Radio lief, habe ich umgeschaltet. Einfach wegen meiner Eltern - und wegen Eddie. Er war erst verdammte zwölf Jahre alt. Er hätte noch so viel erreichen können, noch so viel erleben. Er hatte den Tod nicht verdient. Ebenso wenig die Schmerzen, die er nach dem Unfall noch erlitten hatte. Ob es ihm im Koma auch so ergangen ist wie mir? Was würde ich dafür tun, um ihn oder unsere Eltern noch einmal in den Arm nehmen zu dürfen. Ich bin doch an allem Schuld. Wäre ich mitgekommen, wäre das alles vielleicht nicht passiert. Wellen brechen über mir zusammen. Wellen der Verzweiflung. Ich will hier weg. Ich will Farben sehen. Thea und Lisanne in den Arm nehmen können und ihre beruhigenden Worte hören. Endlich wieder sprechen können. Essen, Trinken, mich ordentlich erholen und das Wetter auf meiner Haut spüren können. Ich will einfach aufwachen. Während ich so stumm vor mir herschimpfe, treibe ich hoch. Plötzlich ertönt Wincents Stimme über mir und ich sehe einen kleinen Lichtschein, der wie die warme Sonne auf meine Haut fällt. ,,Ich bin so mega erleichtert. Gwen hat mir erzählt, was passiert ist." Wer ist denn bitte Gwen? ,,Gwendolyn ist übrigens die nette Krankenschwester von der ich dir erzählt habe. Sie hat mir jedenfalls erzählt, dass sich an deinem linken Arm, der eh schon gequetscht ist, was entzündet hat und die Ärzte da irgendwas operieren mussten. Jetzt ist der Arm in tausend Schichten Verband gewickelt. Dann hat plötzlich dein Herz unregelmäßig geschlagen, der Herzschlag ist weniger geworden und dann... dann ist... es ist stehen geblieben. Du warst also tot, aber die Ärzte konnten dich wiederbeleben und haben vor, dich bald aufzuwecken. Deine Freundin ist bei dem ganzen Durcheinander auch noch in Ohnmacht gefallen, aber ihr geht es gut. Ich habe nur gehört, dass eine andere Freundin jetzt auf dem Weg ist. Also - ähm - ich habe die Chance genutzt, um mich bei dir zu verabschieden. Nochmal werden deine Freundinnen mich nicht zu dir lassen. Die Eine kann mich nämlich ganz und gar nicht leiden. Außerdem... Ach ist egal." Er schweigt. Ich würd gerne die Ruhe brechen und ihn am davonlaufen hindern. Er tut mir doch irgendwie gut. ,,Auf Wiedersehen", sagt er und als nächstes höre ich eine Tür ins Schloss fallen. Ich will zu ihm, aber ich kann mich nicht bewegen. Kein Körperteil lässt sich rühren und ich gehe unter. Langsam aber sicher schwindet das Licht immer mehr, bis es irgendwann nicht mehr zu sehen ist.
Nachdem ich mich ewig nicht rühren konnte, wird auf einmal, wie eine Wolke, der Geruch von Farbe angetragen. Sanft hüllt er sich um mich und versucht mich hochzuziehen. Ich schaffe es tatsächlich meinen Arm zu rühren und versuche nach der Wolke, nach der Farbe, zu greifen. Als ich glaube sie in meinen Händen zu halten, rieselt sie durch meine Finger wie Sand und verweht. Plötzlich höre ich eine Stimme. Allerdings klingt sie hohl und so als wäre ich wirklich unter Wasser. ,,Hey Juni, es tut mir so Leid, dass ich nicht früher kommen konnte, aber ich hatte eine wichtige Prüfungsphase und das Arschloch von Direktor hat mich nicht gehen lassen. Jetzt bin ich ja hier. Übermorgen sollst du ja schon aus dem künstlichen Koma geholt werden. Thea und ich warten schon gespannt.", erzählt Lisanne. ,,Übermorgen wird dem Fahrer übrigens auch der Prozess gemacht. Er wurde angeklagt wegen mutwilliger Körperverletzung, Sachschaden und ich glaube die Geschwindigkeitsüberschreitung ist sein kleinstes Problem. Er muss eine Menge Kohle zahlen. Alleine schon Schmerzensgeld für dich. Ich tippe auf 1-2 Jahre Knast, kommt auf seine Führung an, aber noch habe ich keine Ahnung. Ich geh mal zu Thea. Bis später" und auch sie ist verschwunden. Ich lasse mich treiben und hoffe, dass diese zwei Tage schnell vorbei gehen. Tatsächlich werde ich in diese Schwerelosigkeit gezogen, in welcher ich völlig entspannen kann. Hoffentlich...

~ 728 Wörter

Koma ~ Wincent Weiss (Abgeschlossen) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt