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Die letzte die mich unten empfing war meine Schwester. Eher stand sie genervt und gelangweilt mit der Seite zu mir und feilte sich die Nägel. Eine weiße Hose, war neben dem rosa Pullover und den gleichfarbigen Accessoires das einzig schöne an ihrem Outfit. In ihren blonden Haaren hatte sie ein rosa Haarband eingeflochten. Unterschiedlicher konnten wir nicht sein. Während die Drei aussahen, als würden wir zu einem Geschäftsessen aufbrechen, hatte ich mich für meine blaue Lieblingsjeans und einen Kapuzenpullover meiner Lieblingsband entschieden.
,,Bist du fertig mitpacken Saphire, Schatz? Die Leute von dem Umzugsunternehmen kommen gleich und wollen nicht unnötig Zeit damit verschwenden, deine restlichen Gegenstände einzupacken."
,,Ja Mama. Ich habe alles in den Kartons verstaut und muss wohl oder übel nach Australien. Ich hoffe ihr könnt das mit eurem Gewissen ausmachen."
,,Jetzt hör aber damit auf. Du weißt, dass dein Vater versetzt wurde und er die Chance hat etwas neues Großes aufzubauen. Diese einmalige Chance kann er sich nicht entgehen lassen. Australien ist wunderschön und das ganze Jahr ist schönes Wetter dort. Gerade du, die den Winter nicht leiden kann, sollte doch froh darüber sein, das es in Australien nicht kälter als 20° Grad wird. Also reiß dich endlich zusammen, dieses Gespräch führen wir nun schon seit Wochen." Meine Mutter stand mir nun mit verschränkten Armen direkt gegenüber. Hinter ihr konnte ich erkennen, wie mein Vater nervös von einer Seite zur anderen Seite wippte. Jetzt meldete sich mein schlechtes Gewissen, was allerdings verflog als meine Mutter näher an mich herantrat und vor sich hin schnaubte. Sie wartete darauf, das ich ihr antworte. Wo eben noch schlechtes Gewissen sich breitmachen wollte, spürte ich nun wieder das brodeln in mir. Ich versuchte tief einzuatmen und das Gefühl hinunterzuschlucken, was mir anscheinend auch gelang. Trotzdem konnte ich nicht anders und antwortete meine Mutter:
,,Du verstehst es einfach nicht oder willst es einfach nicht. Kannst du dir nicht denken wie ich mich fühle. Die letzten Jahre hast du doch immer wieder mitbekommen, wie ich darunter gelitten habe, das außer Vivienne und Michelle, alle das Weite suchen, wenn ich ihnen zu nahekomme. In Australien muss ich komplett neuanfangen, meinst du da wird sich auch nur irgendjemand die Mühe machen sich für mich zu interessieren und meine Nähe suchen? Nein bestimmt nicht. Ich werde alleine sein. In einer neuen Stadt, wo ich keinen kenne, da ist es mir auch egal wie warm es ist. Lieber möchte ich in Frankreich, das ganze Jahr über Winter haben, als umzuziehen."
,,Ich diskutiere hier nicht mehr weiter. Es reicht langsam wirklich. Setz dich ins Auto unser Flugzeug hebt in ein paar Stunden ab und den wollen wir alle nicht verpassen. Du wirst dich dort schon einleben. Du musst das Leben wie es kommt, nicht immer so schwarzsehen. Für uns ist das alles bestimmt auch nicht leicht, aber selbst Maxime stellt sich nicht so an und denkt nur an sich, wie du in diesem Moment. Glaub mir alles wird besser. Es ist für uns alle gut einen Tapetenwechsel zu vollziehen und Vivienne und Michelle sind nicht aus der Welt. In den Ferien können sie uns besuchen kommen und wenn wir ihnen den Flug bezahlen."
Ohne auch nur ein weiteres Wort miteinander zu wechseln, stiegen wir in den schwarzen Van ein, der vor unserem Haus wartete. Maxime und mein Vater warteten bereits davor. Ich habe gar nicht mitbekommen, wie sie das Haus verließen. Ich war so wütend über meine Mutter. Mit Tränen in den Augen, blickte ich das Haus an, in dem ich bis eben noch gewohnt hatte. Den Blick nicht vom Haus abgewendet, stieg ich in das Auto. Im Vorgarten war ein riesiges Zu Verkaufen-Schild aufgestellt.
Endgültig. Lebwohl, flüsterte ich. Mein Vater startete den Wagen und ich hielt die Hand an die Autoscheibe um nach meinem Haus zugreifen, was mir buchstäblich aus den Händen gerissen wurde. Endgültig. Für immer.

,,So meine drei Frauen. Wir haben genug gestritten. Auf geht es in ein neues Leben. Sonne, Strand und Meer. Australien wir kommen", sagte mein Vater freudig. Vermutlich wollte er damit die Stimmung aufheitern, die sich hier in elender Stille wie zum Anfassen anfühlte. Zunächst schaute er seine Frau an und drehte sich dann um, um Maxime und mir einen hoffnungsvollen Blick zuzuwerfen. Ich konnte spüren, wie leid es ihm tat. Meine Schwester, wie auch meine Mutter strahlten und um meinem Vater ein wenig aufzuheitern, setze ich ein kleines Lächeln auf. Auch wenn ich immer noch nicht verstehen konnte, wie man sich darauf so freuen konnte, wollte ich nicht weiter die Stimmung runterziehen. Es war nun mal so und alles weitere würde nur weiter an meinen schon überstrapazierten Nerven zehren. Mein Vater erwiderte meinen Blick und ich konnte förmlich spüren, wie ihm ein Stein vom Herzen fiel. In Australien muss ich unbedingt wieder häufiger mit ihm joggen gehen.
Aus meiner Tasche holte ich mein Handy raus und suchte nach Port Candling. Port Candling war eine 5000 Einwohner große Stadt im Westen von Australien. Direkt am Ozean war sie gelegen. Die Stadt gehörte zur Candling Region und der Stamm der sie entdeckte hieß Candyiaa, sodass Port Candling früher Candlingyara hieß. Zu den schönsten Orten gehörten die Schluchten im National Park. Sie waren laut Google dafür berühmt, das das Wasser angenehm warm war und nachts bei sternenklarem Himmel die Oberfläche des Wassers funkelte. Ein schöner Ort für Paare, wenn man auf große Romantik steht.
Ich konnte nicht viel gegen die Stadt sagen, laut den Fotos war die Gegend wirklich schön. Eine andere Wahl habe ich auch nicht mehr, also musste ich nach vorne schauen und das Beste aus der Situation machen. Außerdem möchte ich nicht für den Rest meines Lebens unglücklich sein. Vielleicht ist Australien gar nicht übel und es wird alles besser als ich mir es bisher vorstelle. Haben Eltern nicht normalerweise Recht? Vielleicht finden die Menschen mich in Australien nicht so bedrohlich und stehen mir offener entgegen. Ich kenne Australien bisher nur aus Serien wie McLeods Töchter oder Dance Academy. Vor allem erste war lange Zeit einer meiner Lieblingsserien, weil die Schauspieler unfassbar gut aussahen. Dustin Clare fand ich immer heiß. Er spielte in der Serie einen Vorarbeiter namens Riley. Wenn es auf der neuen Schule auch so jemanden geben würde, wäre ich der Sache positiver gestimmt. Im Notfall muss ich mich wohl von einer der zahlreichen Schluchten stürzen oder einen Weg suchen irgendwie zurück nach LaHopeness zu kommen. Oneway versteht sich. Wer nicht kämpft, hat schon verloren und darin kenne ich mich nur zu gut aus. Ich konnte mir ein kleines zaghaftes Lächeln nicht verkneifen, was natürlich nicht unbemerkt blieb.
,,Kneift mich mal. Ich glaube meine Schwester hat gerade gelächelt. Es geschehen noch Zeiten von Wunder." Meine Schwester konnte nicht anders, als dieses direkt durch den ganzen Van zu schreien. Als könnte sie Gedanken lesen fing Maximé an mich provokativ anzulachen. Ich ließ mich allerdings nicht darauf ein und rümpfte nur die Nase und drehte mich mit dem Körper ihr weg.
,,Endlich siehst du es ein, das es überhaupt nicht schlimm ist, von vorne anzufangen. Es hat zwar gedauert aber besser spät als nie. Am besten hörst du gleich auf deine Mutter, dann sparst du dir in Zukunft Diskussionen und Tränen jeglicher Art. Wir wollten nie jemanden etwas Böses. Australien wird dir gefallen. Alleine die Mentalität der Menschen ist kein Vergleich zu Frankreich." Meine Mutter hatte gut lachen. Für sie war es kein Problem sich mit anderen zu verstehen. Auch wenn sie eine recht kühle Person ist und Gefühle in ihrem Leben oft nur selten zulässt, mochten sie alle. Vielleicht lag es auch nur daran, das die Menschen vor ihr Respekt hatten. Ihr Selbstbewusstsein spiegelte sich an ihrer ganzen äußerlichen Art wieder. Es zeigte einem, das man sich am liebsten nicht mit ihr anlegen sollte. Sie wartete dieses Mal nicht darauf, dass ich ihr antworten soll. Sie drehte sich wieder nach vorne und fing wie Maxime vorhin an sich die Nägel zu feilen. Die restliche Fahrt schwiegen wir, aber man konnte spüren, das die dicke Luft die uns vorhin so schwer umgab, nachgelassen hatte. Ich versank in meinem Gedanken und bekam nicht mit, das wir unser Ziel erreicht hatten.

Blut einer Elfe - Erwacht Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt