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Am nächsten Morgen wachte ich gegen neun Uhr auf. Ich fühlte mich ausgeschlafener und erholter an, als ich erwartet hätte. Von unten konnte ich schon Stimmen wahrnehmen, was daraus schließen lässt, das meine Eltern bereits wach sind. Heute ist Freitag, sodass mir noch genau drei Tage blieben, um mich auf die Schule vorzubereiten. Ich streckte mich noch einmal, bevor ich mich aus dem Bett schälte. Die Sonne war schon kräftig am scheinen. Aus meinem Schrank nahm ich mir neue Wäsche und ging ins Bad. Dort machte ich mich frisch und band meine langen Haare zu einem hohen Zopf zusammen. Ein wenig Augen Make Up und ich war zufrieden. Mein Magen meldete sich. Hoffentlich gab es schon Frühstück. Ich schritt die Treppe hinunter in den Wohnbereich. Meine Eltern saßen sich gegenüber am Esstisch und unterhielten sich angeregt. Aber als sie mich sahen, hörten sie abrupt auf. Hatten sie über mich gesprochen? Ich konnte keine Wortfetzen auffangen, als ich oben war. Vielleicht hab ich auch einfach nicht genau hingehört, weil ich es für nichtig hielt. Mein Vater schaute mich verdutzt an. Lag es daran, weil er sich ertappt fühlte oder weil er nicht damit gerechnet hätte, das ich schon wach bin? In mir ring ich darum, ob ich sie darauf ansprechen sollte oder nicht.

,,Guten Morgen. Ich wollte euch nicht stören, bei eurem Gespräch." Mein eigenes Ich gewann und fragte sie.
,,Nein hast du nicht. Wir haben über eure Schule gesprochen. Es kamen Briefe für euch an. Vermutlich sind das eure Stundenpläne und eine Liste mit Utensilien die ihr noch benötigt. Ihr kommt ja mitten im Schuljahr in eure Klassen." Es lagen wirklich zwei Briefe auf dem Tisch, aber gleichzeitig wirkte mein Vater doch etwas hektischer als sonst. Vermutlich hatten sie darüber gesprochen, aber ich ahnte, das das nicht alles war. Allerdings hatte ich keine Beweise und da ich keinen Streit anfangen wollte schob ich den Gedanken beiseite.

Es ich wichtig, das du niemanden von uns verrätst.

,,Ich verrate es schon nicht", sagte ich zu mir selber, ohne darüber nachzudenken.
,,Was verrätst du nicht?" Mein Vater schaute mich besorgt an.
,,Verdammt, ich hab es laut ausgesprochen." Panik machte sich in mir breit. Zeit für eine gute Ausrede, warum du mit dir selber sprichst.
,,Ach nichts. Ich hab gestern Abend noch mit Vivienne gesprochen. Sie brauchte Hilfe. Mir ist grad die Lösung eingefallen." Ich hoffte mein Blick und mein Tonfall verraten mich nicht.
,,Worum ging es denn?"
Warum musste meine Mutter ausgerechnet jetzt nachbohren.
,,Deutsch. Sie lernt doch fleißig deutsch, damit sie die Sprache beherrscht. In ein paar Jahren möchte sie nach Berlin auf die Universität. Ihre Aufgabe war, deutsche Sätze zu übersetzen. Aber bei dem einen konnte sie die Zeitform nicht erkennen. Ich muss ihr das direkt schreiben." Gespielt eilig kramte ich mein Handy aus meiner kurzen Hose und tippte darauf rum.
,,Wie gehts ihr denn?", fragte mein Vater. Er schien meine Geschichte zu glauben, oder tat zumindest so.
,,Gut. Sie kann es kaum erwarten die Schule zu verlassen." Wenigstens etwas, das nicht gelogen war. Vivienne wollte wirklich nach Berlin und sie empfand die Schule genauso wie ich. Scheiße.
,,Ich habe ein gutes Gefühl, das diese Schule dir gefallen wird." Die Hoffnung meines Vaters hätte ich auch gerne. Ich nickte nur zustimmend und hoffte, die Konversation wäre damit abgeschlossen. Neben meinem Vater nahm ich Platz und griff nach dem Brief. Ein großes Logo mit der Aufschrift Candling High zierte die Vorderseite des Umschlages. Eindeutig die Schule.

,,Willkommen an der Candling High. Bla bla bla. Anbei erhalten sie ihren Stundenplan für die Klasse 10K und eine Liste mit Schulmaterialien, die sie benötigen. Wir wünschen ihnen eine erfolgreiche Schulzeit." Ich las den Brief halbherzig durch und übergab die Liste meiner Mutter, die ihre Hand danach ausstreckte.
,,Sobald deine Schwester fertig ist, fahren wir los und besorgen alles." Meine Mutter fing wieder an, den Tag zu verplanen. Ich nickte und verdrehte innerlich die Augen.
Ich frühstückte in Ruhe ohne weitere Gespräche und zog mir anschließend meinen Bikini an. Draußen in unserem Garten befand sich ein ansehnlicher Pool, der bei einigen wahrscheinlich puren Neid auslösen würde. Meine Haut kribbelte bei der Berührung der ersten Sonnenstrahlen. Ich tat es ab, als Zeichen das meine Haut dringend nach Bräune schreit. Auf einer Liege döste ich vor mich hin.

Es verging einige Zeit bis mein Vater mich reinholte. Meine Schwester war nun auch soweit.
,,Ich wollte auch noch an den Pool." Maxime zeigte nach draußen, als sie mich reinkommen sah.
,,Dann hättest du eher aufstehen müssen. Du hast gleich noch Zeit genug." Meine Mutter zeigte auf ihre Uhr. Widerwillig verließ Maxime mit uns das Haus.
,,Wir könnten am Bells vorbeifahren, wovon Kaitlyn und Peter gesprochen hatten", machte mein Vater den Vorschlag.
,,Es reicht, wenn wir zumindest dran vorbeifahren. Ich habe noch einiges zu Hause zu erledigen." Meine Mutter schaute meinen Vater dabei fordernd an. Er nickte nur und gab sich geschlagen.
Wir fuhren wieder in dieselbe Richtung, die auch zum Möbelhaus führte. Nach zehn Minuten erreichten wir ein Schreibwarengeschäft, wo wir alles besorgten. Selbst die Bücher hatten sie noch vorrätig. Anschließend suchte mein Vater die Adresse vom Bells raus und gab sie ins Navi des Audis ein. Es war nicht weit von dem Geschäft entfernt in einer etwas ruhigeren Gegend und gleichzeitig nah an der Innenstadt. Wir fuhren auf dem Parkplatz des Bells. Es war ein großes Gebäude aus Holz. Den Parkplatz erreichte man über eine kleine massive Brücke, da rund um das Gelände ein Fluss führte.

Wieder konnte ich spüren, das sich in mir etwas regte. Etwas zog mich magisch an das Bells. Fast wollte ich aus dem Auto aussteigen und diesem Verlangen folgen. Mein Blick schweifte über das Gelände, bis ich an einem schwarzen Audi TT festhielt. Das war das gleiche Auto, wie auf dem Parkplatz vor dem Supermarkt. Der Junge musste hier sein.
,,Also mich spricht das nicht an. Hier möchte ich nicht essen gehen." Meine Mutter ließ mich meinen Blick vom Auto für einen kurzen Augenblick lösen.
,,Es sieht doch sehr einladend aus." Mein Vater versuchte sie umzustimmen.
,,Ich glaube für unsere Töchter ist das ansehnlicher, als für unsere Generation."
,,Das denke ich auch", klinkte sich nun Maxime ins Gespräch ein. Mein Blick ging zurück zum Audi und anschließend zum Eingang. Die Anziehung war immer noch da. Meine Haut fing wieder leicht an zu kribbeln, wie vorhin am Pool. Die Tür des Bells öffnete sich und ein Junge trat mit dem Rücken zur mir hinaus. Das war er. Ich konnte ihn zwar nicht genau erkennen, da zwischen uns mehr als 50 Meter liegen, aber ich wusste das er es war. So wie es schien war er sich am unterhalten, da er die Tür mit seinem Arm vorm zufallen abhielt. In mir wühlte sich alles auf. Wer war er? Irgendwas in mir wollte dort hin und mit ihm reden. Ich kannte ihn doch nicht mal.
,,Können wir weiter?" Ich wollte am liebsten Nein schreien, rausrennen und zu ihm, aber ich konnte nicht. Als wäre ich gefangen in meinem eigenen Körper rührte ich mich nicht. Ich spürte das starten des Motor. Mein Körper kribbelte, als sich der Wagen in Gang setzte. Mein Blick weiter bei dem fremden Jungen geheftet, verließen wir den Parkplatz des Bells. Kurz bevor er sich umdrehte, waren wir auf die Straße abgebogen. Ich konnte ihn nicht erkennen, aus der Ferne und den Bäumen die an der Straße dicht besiedelt waren. Viele Autos standen nicht auf dem Parkplatz. War er der Junge von dem unsere Nachbarn sprachen?

Die restliche Autofahrt über, dachte ich darüber nach. Zum Glück hatte keiner meiner Familie mitbekommen, wie ich ihn angestarrt hatte. Zu Hause angekommen verbrachten Maxime und ich den restlichen Tag draußen an unserem Pool. Wir unterhielten uns viel, sodass ich meine Gedanken verdrängte. Ich war ihr ehrlich gesagt sogar dankbar. So fühlte ich mich einigermaßen normal. Seit dem ich hier war, ist nichts mehr wie es war. Ich fühle mich fremd, im eigenen Körper.

Blut einer Elfe - Erwacht Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt