Perfektion

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Bianca hatte schon immer alles bekommen. Von Geburt an hatten ihre Eltern an nichts gespart was sie betraf. Ja sie fürchte ein traumhaftes Leben. Bianca war hübsch, wohlhabend und beliebt. Sie hatte einen großen doch wohlgewählten Freundeskreis, ein tadelloses Benehmen und viel Talent. Nicht selten wurde sie beneidet, doch sie sah im Neid der anderen kein Hass, sondern Bewunderung.
Bianca liebte ihr kleines perfektes leben. Liebte das Perfekte. Alles was Sie tat wurde perfekt, als würde sie etwas von ihrer eigenen Perfektion auf die Dinge übertragen können.

Der 10.07. war ein besonderer Tag. Es war der Tag an dem der Abschlussball stattfinden sollte. Bianca hatte alles perfekt geplant. Ihr schlichtes blass blaues Kleid sahs wie angegossen, ihre hüftlangen blonden Haare flossen glattgebürstet in stampfen Wellen über ihre Schultern, das schlicht und natürlich gehaltene Make up brachte ihre kristallblauen Augen zum strahlen und ihre mit winzigen durchsichtigen Klitzersteinen besetzten, filigran geschnittenen hohen Schuhe rundeten ihr Outfit ab. Sie hatte sich sogar mit ihren besten Freundinnen abgestimmt damit sich ihre Outfit zusammen passten. Alles war wie immer perfekt. Die Aula der schule war mit winzigen Lichtern geschmückt und am späteren Abend als die Musik ruhiger wurde saßen sie auf dem Pausenhof, beobachteten die Sterne und sprachen über die Zukunft, die Gegenwart und die Vergangenheit. Es war schon lange nach Mitternacht als Bianca zum WC ging um sich noch einmal frisch zu machen. Während sie den längst verblassten Lippenstift Auftrag und sich so im Spiegel betrachtete konnte sie wahrlich nur daran denken wie sehr sie das Leben liebte. An die Wand neben dem Spiegel hatte jemand mit edding "Fuck life" geschmiert. Bianca hatte diese Menschen nie verstanden. Wie konnte man so etwas schönes wie das Leben hassen?
Dann macht bianca sich wieder auf den Weg nach unten wo alle auf sie warteten, doch auf der Treppe knickte sie plötzlich um.

Bianca fiel. Sie fiel die gesamte Treppe nach unten und schlug hart mit dem Kopf auf den Boden. Von irgendwo hörte sie eine Stimme, oder waren es viele? Sie konnte es nicht zuordnen sie sah nur schwarz, hatte immer noch das Gefühl zu fallen, obwohl sie den festen Boden unter sich spürte. Ihr Kopf pochte und ihr Herz raste. Etwas tat ihr höllisch weh, doch sie wusste nicht was.

"Bitte bleib wach, halt durch"

Irgendwer sagte das. Die Stimme war ganz leise, doch ganz nah an ihrem Ohr. So stampft, so beruhigend. Dann spürte sie ihren Körper wieder, ihr Kopf tat weh und etwas Stimmte mit ihrem Bein nicht, ihr Herz begann sich wieder zu beruhigen und langsam klärte sich ihr Sichtfeld. Sie spürte dass jemand sie hoch hob. Immer noch spürte sie ihr Bein nicht. Sie wurde getragen, dann wurde es plötzlich kühl. Bianca offnete die Augen und sah in den strahlend klaren Sternenhimmel. Jemand trug sie über den Pausenhof zu den Parkplätze.

"Du bist wieder wach. Das ist gut. Nein du musst nicht antworten. Ich fahre dich ins Krankenhaus, ich glaub dein Bein ist gebrochen. Immerhin hast du wieder etwas Farbe im Gesicht."

Zum ersten Mal sah Bianca dieses Gesicht, nein sie sah es nicht zum ersten mal aber sie nahm es zum ersten mal wirklich wahr. Es war das eines Jungen, mit Narben übersät und etwas schief. Normalerweise hätte es sie angewiedert. Es war alles andere als perfekt. Selbst als sich die Mundwinkel zu einem schiefen Lächeln versorgen war es abstoßend. Doch Bianca hätte keine Wahl. Dieses schiefe, abstoßend Gesicht war das einzigste das ihr half.
Aber wie hätte sie ihren perfekten Freunden böse sein können? Der Alkohol gab ihnen die Möglichkeit weiter ihre perfekte Welt zu leben. Nur Biancas Welt war zerbrochen, als hätte sie ausversehen die Wände ihres sicheren kleinen glashauses zu Fall gebracht.

Wenn sie später daran zurück dachte wie klein das Glashaus gewesen war, dann war sie fast dankbar dafür. Auch wenn andere sie jetzt mitleidig ansahen und dachten sie sei an ihren Rollstuhl gefesselt, so fühlte sie sich freier als je zuvor wenn sie den Besitzer des schiefen Lächelns sah, das sie seid fünf Jahren täglich besuchen kam.

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