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LEANO

Ich verabscheute dieses Wetter. Es regnete in Strömen und stürmte so heftig, dass der Wagen fast von der Straße geweht worden war. Mir passte es überhaupt nicht, das Haus bei so einem Wetter zu verlassen, aber mir blieb keine andere Wahl. Mein Vater bestand unbedingt darauf, dass ich mich mit Elle anfreundete. Als wären wir zwölf Jahre alt. Aber da ich wenig Lust auf eine heftige Diskussion mit Carlo hatte, hatte ich beschlossen einfach mit ihr zu ihren Eltern zu fahren. Mein Vater wusste nichts davon, und genau so sollte es auch bleiben. Er wollte doch, dass wir uns anfreunden, also tat ich genau das. Außerdem gefiel es mir wenig, dass sie in meiner Jacke rumrannte, die ich selbst brauchte.

Der Verkehr bis zu dem bescheidenen Haus war nicht zu übel gewesen, was vermutlich am Wetter liegen könnte. Der Fahrer parkte den Wagen in der Einfahrt, dahinter hielt der zweite.
Elle rutschte neben mir bereits nervös über die Ledersitze. Ich stoppte sie mit der Hand als sie aussteigen wollte. »Warte bis die Haustür offen steht«, raunte ich ihr zu und schaute an ihr vorbei. Zwei schwarz gekleidete große Männer klingelten in diesem Moment. Eine Frau mit braunen Haaren und schmalem Gesicht öffnete sie ihnen. Das musste ihre Mutter sein. Mein Arm verschwand, Elle öffnete die Tür und huschte hinaus in den strömenden Regen. Ich hörte noch, wie sie etwas rief und dann auf die Haustür zustürmte und ihrer Mutter in die Arme fiel.
Auch ich schnallte mich ab, stieg aus und lief in großen Schritten auf die Tür zu. Einer der Männer hielt sie mir offen, ich trat die zwei Stufen hinauf und huschte ins Trockene. Im Haus war es warm und ein lieblicher Geruch lag in der Luft. Der Flur voller Bilder. Ich hörte Stimmen aus dem Zimmer gegenüber des Einganges und folgte diesen, während ich hinter mir hörte, wie die Haustür ins Schloss fiel und die Männer meines Vaters mir wie Schatten folgten. »Ich hab dich so vermisst«, schluchzte die Frau im gleichen Augenblick, in dem ich durch den Türrahmen ins Wohnzimmer trat. Sie stand mit Elle unweit entfernt und hielt ihr Gesicht in den Händen. »Ich dich auch Mom. Ich dich-«
Räuspernd unterbrach ich das kurze Gespräch und verschränkte die Hände vor dem Körper. »Wir haben nicht viel Zeit«, wiederholte ich meine Worte von vorhin. Elle seufzte, ließ den Kopf hängen und nickte schwerfällig. »Was meint er?«
»Ich wollte nur ein paar Kleidungsstücke abholen«, erklärte sie ihrer Mom. Ich musste zugeben, die beiden sahen sich in gewisser Weise ähnlich. Aber leider hatte sie auch etwas von Frank. Dieser saß auf dem Sofa und schenkte seiner Tochter nicht einen einzigen Blick. Er konnte sie nicht anschauen, weil er sich dafür hasste. Ich kannte ihn nicht gut, aber mein Vater hatte ihm vertraut und er verlor eine gewisse Summe an Geld. Leider konnte man sich dies in unserem Geschäft nicht erlauben.

»Ich kann dir beim Packen helfen und-«
»Nein«, schnitt ich dazwischen, »Elle wird ihre Sachen allein packen. Ihr bleibt hier unten.« Meine Worte waren deutlich. Ich wäre dumm, wenn ich sie nicht beaufsichtigen würde. »Schon okay Mom«, versicherte sie ihrer Mutter glaubhaft, »wartet hier. Ich bin gleich zurück.«
»Ok Schätzchen«, murmelte diese traurig und sank neben ihren Ehemann aufs Sofa. Ich ließ Elle passieren, drehte mich anschließend zu den Männern. »Habt ein Auge auf die Eltern«, raunte ich ihnen zu bevor ich ihr die Treppe hinauf in den ersten Stock folgte.

In ihrem Zimmer war es dunkel. Die Vorhänge geschlossen, die Heizung aus. Als würde sie bereits seit Monaten nicht mehr hier wohnen. Sie schaltete die Deckenlampe an und schloss die Tür hinter mir. »Kannst du mir den Koffer vom Schrank geben?« bat sie mich und ich nickte, streckte ich die Arme aus und hob ihn hinunter. »Danke«, murmelte sie und legte ihn auf ihr gemachtes Bett. Während sie ein paar Kleidungsstücke zusammenpackte, nahm ich mir Zeit um mich umzusehen. Mehr als das konnte ich sowieso im Moment nicht tun.

Ihr Schreibtisch war voll mit Heftern und Skizzenblöcken. An der Wand dahinter hingen Zeichnungen. Auf dem Fenstersims standen kleine Pflanzen und auf ihrem Nachttisch, lag ein Buch. Ich blieb vor dem Fenster sehen und sah in die Einfahrt, wo unsere Autos standen und auf uns warteten. Ich erkannte den schmächtigen Fahrer auf dem Fahrersitz des zweiten Wagens, er telefonierte. Vermutlich mit Carlo. »Wie viel soll ich denn mitnehmen?« fragte Elle hinter mir. Ich drehte mich zu ihr und lehnte mich gegen die Fensterscheibe die ganz kalt vom Regen war. »Alles. Wir kommen nicht noch mal wieder«, erklärte ich ihr. Den Ausdruck der in ihren Augen mitschwang, konnte ich nicht deuten.
Ich beobachtete sie eine Weile und stand völlig überflüssig in dem düsteren Zimmer herum. Mit schwarzen Lackschuhen auf einem flauschigen Teppich unter meinen Sohlen. Skeptisch hob ich den Fuß und betrachtete das Ding, bevor ich einen Schritt zurück auf den Holzboden trat und die Hände vor dem Körper faltete.
»Alles in Ordnung?« fragte sie leise nach und brachte mich dazu meine Stirn zu runzeln. »Wieso fragst du?« wollte ich wissen. Elle schluckte und deutete dann auf meine Hand. Ich folgte ihrem Blick und sah auf meine aufgeplatzten Fingerknöchel. Sie waren gerötet und gerissen. Sofort schob ich die Hand in meine Hosentasche und sah wieder auf. »Ja, alles gut.« antwortete ich. »Darf ich dich etwas fragen?« Sie sah mich noch immer an.
»Ja«, genehmigte ich ihr.
»Wieso bist du gegen die Hochzeit?«
In ihrer Stimme schwang Unsicherheit mit. So als hätte sie Angst, wie ich darauf reagieren würde. »Ich möchte dir einen Vorschlag unterbreiten, so muss das für keinen von uns gezwungener werden, als es ohnehin schon ist«, begann ich.

Elle ließ sich auf ihr Bett sinken und strich sich ihre Haare hinter das rechte Ohr. »Und der wäre?«, hakte sie nach.
»Mein Vater sorgt sich gewissermaßen um sein Erbe«, begann ich und berührte die kleine Statue auf dem Wandregal neben mir, »besser gesagt, wer nach mir folgen wird.«
»Und wie passe ich dort hinein?«
»Du bist eine Frau, ich bin ein Mann. Dir fallen sicher ein paar Dinge ein, Elle.«
»Wieso ausgerechnet ich?«, fragte sie mich und runzelte ihre Stirn. Die kleinen Fältchen die sich auf ihrer sonst so glatten Stirn bildeten, entgingen mir nicht.
»Wir müssen ihm nur geben was er will. Dann kannst du frei sein und ich mein Ding durchziehen.«
»Das kannst du auch mit jeder anderen haben.«
Ich schnaubte ehrlich.
»Mit jeder billigen Hure, Ja. Doch dort wo ich herkomme, geht es um stolz und Ehre. Ein illegitimes Kind ist nichts wert, Elle. Es ist nur Ballast. Mein Vater will einen Enkel und wenn wir ihm den schenken, wird ihm alles andere egal sein«, versuchte ich ihr klarzumachen. Der Blick, der in ihren Augen lag, konnte ich nicht deuten.
»Das ist es?«, wollte sie wissen und hob ihren Kopf, um mich anzusehen. Nickend bestätigte ich ihre Worte.
»Sieh es als Begleichung aller Schulden, die deine Familie bei meiner hat«, bot ich ihr an. Es war eine Einmalige Chance, um früh aus der Sache rauszukommen. Ich wusste von Anfang an, dass die Hochzeit meinen Vater nicht ruhigstellen würde. Es war nur der Anfang. Als ich hier ankam, weihte er mich in seinem Arbeitszimmer darin ein. Ich wusste, dass es nur eine Frage der Zeit war. Nicht nur Elles Schulden, sondern auch um mein Erbe ging es. Ohne Enkel keinen Thron. So einfach war es. So tat es sein Vater, und der Vater seines Vaters.

Elle schwieg als sie sich erhob und die letzten Kleidungstsücke in ihren Koffer steckte. »Sag was«, forderte ich sie auf. Wieso sie schwieg, war mir nicht ganz klar.
»Elle!«, ich stemte meine Hand gegen die Tür, als sie diese öffnen wollte. Sie fiel krachend zurück ins Schloss und brachte die Brünette zum Zucken. »Antworte mir«, knurrte ich ihr zu. Das Gesicht zu ihr hinabgebeugt sah ich sie von der Seite durch zusammengekniffene Augen an. Ich konnte den Zorn in meiner Stimme nicht verbergen. Ihre Hände zitterten, als sie erneut nach dem Türknauf griffen. »Du bist genau wie dein Vater«, flüsterte sie mit kalter Stimme. Ich konnte nicht fassen, dass sie mich mit ihm verglich.

Elle zuckte beim Knall meiner Faust zusammen, die neben ihr gegen die Türzarge knallte. Ihr Brustkorb hob und senkte sich schnell. Das hielt mich nicht davon ab, ihr bedrohlich näherzukommen und mein Gesicht zu ihr hinab zu neigen. Ich hob meine rechte Hand zu ihren Haaren, auch jetzt zuckte sie vor mir weg, als meine Finger ihre Strähnen streiften und sie sanft hinter ihr Ohr schoben. »Wäre ich wie mein Vater, wäre dein Gesicht bereits grün und blau, Bella. Egal wie sehr du dir einreden magst, dass ich der böse bin, bin ich doch das kleinere Übel«, flüsterte ich ihr zu. Ein schluchzen löste sich aus ihrer Kehle, was mich kurz innehalten lies. Sie rieb sich schnell über ihre Wange, atmete tief durch, ohne mir einen Blick zuzuwerfen.
»Wie stellst du dir das vor?«, schniefte sie mit dünner Stimme mit hängendem Kopf.
»Eine Vereinbarung, nur zwischen uns. Wir zeugen ein Kind und heiraten, noch bevor es jemand weiß. Sobald es da ist, sind all deine Schulden beglichen und du frei«, versicherte ich ihr. »Du hast mein Wort.«
»Was ist dein Wort wert? Ich weiß nicht, ob du lügst«, wisperte sie und wischte sich erneut über die Wangen. Ihre Handrücken glitzerten vor Nässe im schummrigen Licht.
»Mein Wort ist mehr wert als alles andere, Bella. Ich breche es nie. Sieh es wie ein gefallen an, den ich dir schulde.«
Sie atmete hörbar aus und ihre Schultern sanken gen Boden. »Darf ich ... darüber nachdenken?«
»Natürlich«, versicherte ich ihr, »du hast bis nach dem Abendessen Zeit. Triff mich in meinem Zimmer um mir deine Entscheidung mitzuteilen«, erklärte ich ihr und nahm meine Hand vom Türblatt. Ein letztes Mal fuhr ich mit meinen Fingern durch ihr weiches Haar, um freie Sicht auf ihr Gesicht zu haben. »Jetzt hör auf zu heulen und Reiß dich zusammen. Das Make-Up verwischt sonst«, brummte ich und öffnete ihr die Tür. Bevor ich mich an ihr vorbei aus dem Zimmer schob, dabei ihren Koffer in den Händen hielt, langte sie mit ihrer Hand an meinen Unterarm und hielt mich auf. »Danke«, wisperte sie, aber ich konnte mir nicht erschließen, wieso sie dies sagte.

she's only mine ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt