ELLE
Die Verabschiedung von meinen Eltern verlief kurz. Viel zu kurz, für meinen Geschmack. Ich fiel Mom in die Arme und verdrückte ein paar Tränen, während Dad mir einstig ein distanziertes »pass auf dich auf«, sagte. Er konnte mir nicht in die Augen sehen. Vermutlich, weil er sich schuldig fühlte. Das stimmte mich noch trauriger als ohnehin schon. Ich blieb einige Sekunden im strömenden Regen in der Einfahrt stehen, verschränkte die Arme vor der Brust und reckte den Kopf gen Himmel. Während der kalte Regen auf mich hineinbrach, ergriff eine Eiseskälte Besitz von meinem Körper. »Elle, komm schon«, forderte mich Leano monoton auf. Ich sank neben ihn auf die warme Rückbank und sah wie das Haus meiner Eltern in der Heckscheibe kleiner wurde, bis es schließlich endgültig verschwand. Während der Fahrt hörte man den Regen auf die Karosserie des Autos trommeln. Der Sturm wütete inzwischen so kräftig, dass man nur gut drei Meter weit blicken konnte, was das fahren zu einer heiklen Angelegenheit machte. Wir kamen nur schleppend voran.
»Paul, ist Giorgio bei uns?« wollte Leano wissen. Ich hörte ihm nur mit einem halben Ohr zu, während ich in Gedanken versunken war. Ich sah den Fahrer dennoch kurz in den Rückspiegel blicken, bevor er seine Augen zurück auf die Straße richtete. »Nein, er ist zuhause. Ihr Vater hat ihn vor ein paar Stunden weggeschickt.« antwortete er ihm. Mein Verlobter seufzte erneut und sah aus dem Fenster. Auch ich wandte meinen Blick ab und beobachtete die Regentropfen, die schnell über die Scheibe rannten, als veranstalteten sie einen Wettlauf.
Leano stieß einen undeutbaren Ton aus, bevor er mit einem klicken einen Knopf drückte und eine schwarze Wand zwischen uns und dem Fahrer hinauffuhr, und den hinteren Teil des Autos verschlossen.»Ich bin nicht wie mein Vater«, begann der Italiener rechts neben mir plötzlich. Ich machte mir nicht die Mühe, auf seine Worte zu antworten. Er hörte sich ohnehin so an, als wäre er noch nicht fertig mit sprechen. »...und ich will nicht, das du denkst, dass ich es bin. Mein Vater tut schreckliche Dinge mit Frauen wie dir, was ich immer verachtet habe. Ich sollte nicht dein Feind sein, Elle.«
Ich wusste nicht, was ich auf seine Worte hin antworten sollte. Wollte er überhaupt etwas dazu aus meinem Mund hören? Sicher nicht. Trotzdem schaffte ich es nicht, die Klappe zu halten. »Wieso denkst du darüber so lang nach?«, murmelte ich fragend und war mir im ersten Moment nicht sicher, ob er meine Worte auch vernommen hatte. Leano schwieg. Es ist, als hätte er nicht die richtigen Worte gefunden, um mir eine Antwort darauf zu geben. Stattdessen legte er die Hand an die Klinke der Tür, als der Wagen vor der Villa parkte und blickte ein letztes mal zu mir, bevor er Ausstieg. »Vergiss heute Abend nicht«, erinnerte er mich, und stieg aus dem Wagen in den schüttenden Regen. Ich sah ihn zur Haustür sprinten, bevor er im Haus verschwand und sich ein schwargekleideter Mann mit Regenschirm vor meine Tür stellte und mir den Weg versperrte. Ich stieß ein seufzen aus, wartete bis der Mann mir die Tür öffnete und trat unter den schützenden Regenschirm. »Danke«, bedankte ich mich bei ihm, nachdem er mich bis zur Tür begleitet hatte. Pitschnass war ich bereits geworden, als ich in der Einfahrt meines Zuhauses gestanden hatte.Ein bedrückendes Gefühl überkam mich, als ich den ersten Schritt über die Schwelle trat und das kleine piepen der Fußfessel vernahm, die Rosa mir in diesem Moment um den Fuß schnappte. »Entschuldige, aber sonst schöpft Carlo Verdacht«, erklärte sie mir wehleidig und richtete sich vor mir auf. Die Haushälterin mit den schwarzen Locken, schenkte mir einen mitleidigen Blick. »Schon okay«, versicherte ich ihr, auch wenn es das ganz und garnicht war. Rosa schloss die Haustür hinter mir. »Wenigstens seit ihr rechtzeitig zurückgekommen. Bald soll der Hurricane auf den Strand treffen«, begann sie mir zu erzählen und schob mich ein Stück voran. »Aber du bist ja völlig durchnässt Kind«, stellte sie fest. Nickend streifte ich mir die durchnässte Jacke von den Schultern, die bereits den geputzten Marmorboden tränkte. »Gib mir die Jacke und nimm ein Bad, kleines. Ich mache das schon«, versicherte sie mir und schenkte mir ein aufmunterndes Lächeln. Sie schien wohl zu bemerken, dass mir nicht nach sprechen zumute war. Ich brauchte einfach meine Ruhe, zumindest für eine Weile. Ich musste das alles erstmal verdauen.
»Danke«, murmelte ich dennoch und zwang mir ein halbherziges Lächeln auf, bevor ich die Treppe nach oben stieg und in mein Zimmer abbog.Zu meiner Überraschung fand ich mein Gepäck bereits neben der Tür vor. Verwundert schloss ich die Tür und rollte die Koffer neben das Bett. Sie waren die in der kurzen Zeit hier her gekommen? Ich wusste es nicht, und es war mir eigentlich auch egal. Ich kramte mir ein paar frische Kleidungsstücke hervor und machte mich auf den Weg ins Badezimmer. Während der Sturm vor den Fenstern tobte, lies ich mir ein Bad ein und verriegelte die Tür zur Sicherheit hinter mir. So fühlte ich mich sicherer.
Kleine Blätter wehten gegen die Scheiben, als ich ins warme Wasser sank. Mein eines Bein, stets außerhalb der Wanne, um mich nicht selbst zu Elektroschocken. Darauf konnte ich verzichten.
Ich drückte mein Gesicht Unterwasser, wischte mir die Reste der Schminke fort, unter der bestimmt meine Male hervorkamen, die ich so gerne für immer verstecken würde. Mein rechter Kiefer leuchtete vermutlich blau, und an meinem Hals sah man sicher wie fest Carlo zugepackt hatte. Als ich ausversehen drankam, verzog ich das Gesicht vor Schmerzen. Traurig wandte ich meinen Blick aus dem Fenster hinaus. Obwohl der Hurricane bald hier sein würde, schloss ich die Augen seelenruhig für ein paar Sekunden. Mein Körper entspannte sich und ich seufzte auf, ließ ich meine Finger durch das warme Wasser gleiten, während draußen die Welt unterging.
DU LIEST GERADE
she's only mine ✓
RomanceAls Elles Dad einen großen Fehler begeht, muss sie dafür geradestehen und seine Schulden bei seinem Chef, dem Mafiosi Carlo abarbeiten, der allerdings schon feste Pläne hat, Elle mit seinem ältesten Sohn Leano zu verheiraten. In den Fängen von den M...