Kapitel 25: Der Krieger und seine Schülerin

3.7K 360 55
                                    

Für den Rest der Stunde verließ Henry uns, da er keine Zeit mehr hatte. Das passierte durchaus häufiger, und jedes Mal war blieb ich mit Professor Callahan allein zurück. Ich hatte schon ein paar Mal versucht, aus Henry herauszukriegen, wohin er denn immer ging, aber er sagte mir nichts dazu. Mein Unterricht war deswegen sehr von Professor Callahan geprägt, und dieser scheuchte mich auch heute wieder durch eine Reihe von Übungen. Meditation, Energieschilde, das Beherrschen der zweiten Ebene, alles, was sein Mentorenherz begehrte. All das fiel mir immer leichter, auch wenn er aus irgendeinem Grund nie erlaubt hatte, dass ich an einen anderen Ort sprang. Dabei war gerade das etwas, was ich unbedingt lernen wollte.

Dann sollte ich unsichtbare Energieschläge unterschiedlicher Stärke auf einen von Callahan heraufbeschworenen Schild schleudern. Er hatte mir letzte Woche beigebracht, wie es ging, und eigentlich hatte ich es recht schnell verstanden. Aber er musste immer wieder meine mangelnde Zielsicherheit ansprechen, bis ich reichlich genervt war und am liebsten aufgehört hätte, aber natürlich spürte er das und schien das als Aufforderung zu nehmen, die Übung bis zum Schluss auszudehnen. Als ich erneut nicht den Punkt traf, den er haben wollte, riss bei mir langsam der Geduldsfaden. Ich hatte mich schon deutlich verbessert, immerhin sprang mein Angriff nicht mehr ziellos in der Arena herum und drohte ihn zu treffen, wie es zu Anfang etliche Male passiert war. Es war nämlich verdammt schwer, diese Magie, die sich mit solcher Geschwindigkeit bewegte, zu kontrollieren und zu lenken. Bei meinem nächsten Versuch war ich so genervt, dass der Kraftschlag völlig danebenging, die Energie stattdessen in der Arena umherzischte und mich zu Boden warf, bevor sie gegen den Schutzschild knallte. Ich spuckte Sand aus, den ich in den Mund bekommen hatte, und rappelte mich mürrisch auf.

„Du konzentrierst dich nicht", war Callahans einziger Kommentar, aber ich merkte, dass auch er langsam die Geduld verlor. Callahan war immer ruhig und beherrscht. Er hatte mich noch nie angefahren oder hatte seine Stimmte erhoben, aber manchmal wünschte ich mir, dass er es tat.

„Können wir das nicht ein anderes Mal weiterüben?", fragte ich mit zusammengebissenen Zähnen. Ich war es leid. Und meine Wut auf diese in meinen Augen sinnlose Übung machte es mir schwerer, meine Magie so zu kontrollieren, wie er es haben wollte.

„Du kannst es aber", sagte Callahan und klang jetzt ungehalten.

„Woher willst du das wissen?", zischte ich und konnte meinen Ärger nicht mehr verbergen. Ständig schien er wissen zu wollen, was in mir vorging. „Ich bin müde und habe die Nase voll."

„Was dir fehlt, ist Selbstvertrauen. Du könntest diesen Kraftzauber kontrollieren, wenn du nur daran glauben würdest und endlich deine Gefühle kontrollierst, wie wir es schon seit Wochen mit dir üben. Wie gesagt, du hast keine Ahnung, wozu du eigentlich in der Lage wärst. Das versuchen wir dir klarzumachen."

Immer musste ich mir dasselbe anhören. Dann war es eben so! Na und? Kein anderer musste sich solche Kommentare in seine Profilstunden gefallen lassen! Und ich hatte immer mehr das Gefühl, dass es mir nicht an Selbstvertrauen mangelte, sondern dass Callahan und vor allem Henry mich einfach nur überschätzten.

„Wir hören nicht eher auf", sagte Callahan bestimmt.

„Echt jetzt?", rief ich und glaubte an einen Scherz. Aber Callahan scherzte nicht, das sollte mir so langsam klar sein. Seine Miene veränderte sich nicht, außer dass sie sich ein wenig verfinsterte. Er hatte es nicht gern, dass man ihm widersprach, wenn er dachte, dass er genau das Richtige tat. Blöderweise hatte er in sämtlichen Fällen bisher richtiggelegen. Vielleicht hätte ich es mir auch zweimal überlegt, ehe ich mich mit einem Hundertneunzigjährigen angelegt hätte, wäre ich nicht am Ende meiner Nerven gewesen.

„Das ist kein Scherz, junge Dame", knurrte er. „Wenn ich sage, dass du diesen Punkt treffen kannst, dann ist es auch so."

„Ich habe aber genug!", rief ich. „Es kümmert mich nicht, was Sie denken zu wissen. Ich bin für heute fertig." Wütend funkelte ich ihn an und ging dann zu meiner Tasche. „Vielleicht sollten Sie auch einmal daran denken, was ich will, und sich nicht immer nur darum kümmern, dass wir Ihre Ziele erreichen!" Entschlossen schulterte ich meine Tasche und ging zum Ausgang. Wie erwartet stellte er sich mir in den Weg. „Das reicht jetzt", sagte er ruhig, aber seine Augen blitzten gefährlich. Unwillkürlich trat ich ein paar Schritte zurück. Verdammt, wenn er so dastand, bekam ich es mit der Angst zu tun, aber ich erlaubte mir nicht, jetzt nachzugeben. Wir starrten uns mehrere Sekunden an, und dann ertönte ein schrilles Geräusch. Noch nie in meinem Leben war ich so erleichtert gewesen, eine Schulklingel zu hören. Ich nahm meinen Mut zusammen und schob mich an ihm vorbei. Halb erwartete ich, dass er etwas dagegen tat, aber ich hörte nichts, und mir folgte niemand, als ich den Hügel zur Turnhalle hochstapfte.

Magie - Wolf's EyesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt