Kapitel 49: Krisensitzung

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Das Schulgelände lag völlig verlassen und in eine tiefe Schneedecke gehüllt vor uns, als wir es gegen vier Uhr erreichten. Es sah ruhig und friedlich aus und mir entfuhr unwillkürlich ein erleichterter Seufzer, als wir durch das Eingangstor durch den hohen Schnee auf das vertraute Gelände stapften. Es war fast, als wäre die Academy ein Zufluchtsort, denn die Stimmung in unserer Gruppe entspannte sich sogleich ein wenig. 

Ich war hundemüde und so erschöpft wie noch nie in meinem Leben. Die Ereignisse der vergangenen Stunden verschwammen in meinem schmerzenden Kopf zu einem chaotischen Strudel, und ich wünschte mir nichts sehnlicher, als mir andere Sachen anzuziehen und mich in mein warmes, weiches Bett zu legen und zu schlafen.

Zwölf Stunden lang. Nein, zwölf Stunden waren nicht genug. 

Aber ich verstand, dass wir einige Dinge zu bereden hatten, und in mir selbst kamen immer mehr drängende Fragen auf. Wie genau hatten die Mitglieder der Schwarzen Hand mich gefunden? Hatte es etwas mit Blake zu tun? Und was zum Teufel war das für eine Anmerkung von Reynolds gewesen, mit der er angedeutet hatte, meine Mutter zu kennen? Was im übrigen vollkommener Schwachsinn war. Emily Watson war eine Nichtmagierin. Sicherlich hatte er mich nur ablenken wollen.

„Ich habe Thomas und Nathan Bescheid gegeben. Sie sind auf dem Weg in mein Büro, dort sollten wir uns alle treffen." Felicie warf einen Blick zu mir. „Jessica ist auch dort", sagte sie mit einem kleinen Lächeln. Die Aussicht, Jessie wiederzusehen, unbeschadet und ohne dass sie von diesem grässlichen Aufenthalt im Hauptquartier der Krieger etwas mitbekommen hatte, munterte mich auf. 

Selbst im Hauptgebäude begegnete uns keine Menschenseele. Möglichst leise gingen wir die Treppen des Hauptgebäudes hinauf, bis wir in Felicies gemütlichen Büro landeten. Dort saß Jessie, hellwach und aufgeregt auf eine ziemlich müde wirkende Kate einredend. Als wir eintraten, sprang sie sofort auf. Jessie hatte sich gewaschen und sich andere Sachen angezogen, und wirkte so aufgedreht wie immer, auch wenn es tief in der Nacht war. Ihre braunen Augen funkelten lebhaft.

„Jane!", rief sie und fiel mir stürmisch um den Hals, ehe sie mich kritisch musterte. „Du siehst ja grauenvoll aus. Was ist passiert?"

Sie wurde von Felicie unterbrochen, die alle mit ihrer ruhigen Stimme bat, sich zu setzen. Adam ließ sich mit finsterem Gesicht neben Henry fallen, der immer noch dessen Flasche bewachte, und ich setzte mich neben Jessie. Auch James, Frank und Ash nahmen Platz und für einen kurzen Moment schwiegen wir, während Felicie mit einer Handbewegung das Wasser in einem Krug zum Kochen brachte und uns allen eine Tasse Tee machte.

„Also, wo sollen wir anfangen?", brach Frank schließlich das Schweigen und strich sich über das müde Gesicht. James fixierte mich mit seinem undurchdringlichen Blick. „Ich würde ja zu gerne wissen, wie sie dich gefunden haben."

„Das ist eine sehr gute Frage", stimmte Henry ihm zu und musterte mich. „Hast du Magie gewirkt, Mädchen?"

„Keinen Funken", entgegnete ich leise.

„Und da bist du dir ganz sicher?", harkte Henry nach und ein wenig genervt sah ich ihn an. „Wenn ich es getan hätte, dann hätte ich mein Missgeschick sofort bemerkt", entgegnete ich. Ganz ehrlich, er hatte mich doch unterrichtet, und er wusste, dass mir so ein Anfängerfehler nicht mehr passieren würde. Zu Anfang war eine ganze Menge schief gelaufen und manchmal hatte ich die Kontrolle über meine Magie auch verloren, aber diese Zeit lag schon längst hinter mir.  

„Nein, sie hat keine Magie benutzt", stimmte James mir zu. „Ich habe nichts gespürt, und ich war die ganze Zeit bei ihr." Verblüfft sah ich auf. Hieß das - „Ihr habt mich bewacht", sprach ich meine Erkenntnis aus und leichter Unwillen kam in mir auf. Ich brauchte keine Wachhunde. Oder doch, wie der gestrige Abend gezeigt hatte. Wäre James nicht gewesen...

Magie - Wolf's EyesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt