Magie - Wolf's Eyes

Kapitel 24: Runenmagie

Es klingelte zum Stundenende und sofort erfüllte das Geräusch von raschelndem Papier und knarrendem Holz die Arena, als wir alle hastig aufstanden. Professor Morgan, die in ihren Ausführungen über magische Angriffe unterbrochen worden war, seufzte und entließ uns mit den Worten: „Vergesst den Test nicht, den wir nächste Woche schreiben wollen. Und ich bekomme noch einen Aufsatz von dir, Mr. Spencer. Wenn er demnächst nicht da ist, dann gibt es Nachsitzen." Ich sah kopfschüttelnd zu Vincent, der bei Morgans Worten nur knapp nickte und seine Tasche schulterte. Ich beobachtete, wie er zusammen mit seinem besten Freund Finn aus der Arena ging. Er war bekannt dafür, seine Hausaufgaben des Öfteren nicht zu erledigen, auch wenn er ein verdammt talentierter Schüler war und die Lehrer ihm das deswegen nicht allzu streng anrechneten.

Ich packte meine Aufzeichnungen in meine prall gefüllte Tasche und verließ zusammen mit Rose die Arena, der ständige Platz für unseren Verteidigungsunterricht. Es war ein kalter und windiger Freitagmorgen, die warme Sommerzeit war jetzt in Alenta eindeutig vorbei.

„Puh, ich hätte nie gedacht, dass es so viele verschiedene Arten von Angriffen gibt.", meinte Rose. Sie hatte sich das dunkelblonde Haar zu einem Zopf hinter dem Kopf gebunden und gähnte, bevor sie sich als Schutz gegen den kalten Wind tiefer in ihre Jacke kuschelte. Ich nickte abwesend, um ihr stumm recht zu geben.

Ich war mittlerweile gut sechs Wochen auf der Academy – und in dieser kurzen Zeit hatte sich so einiges in meinem Leben geändert. Abgesehen davon, dass die Lehrer jetzt langsam ernst machten und Tests und Leistungskontrollen anstanden.

Wir gingen kurz auf unser Zimmer und zogen unsere normalen Schuluniformen an. Als nächstes stand Profilunterricht auf dem Plan und ich fragte mich, was Mr. Campbell heute mit mir vorhatte – bisher war jede einzelne Stunde eine Überraschung gewesen. Er hatte gesagt, wir würden heute in die Arena gehen, aber wie er das anstellen wollte ohne gesehen zu werden, wusste ich nicht so recht. Er hatte es bislang stets vermieden, woanders als im sechsten Stock zu unterrichten. Wie immer ließ ich den Großteil meiner Sachen im Zimmer, denn bisher hatte ich nie viel mehr als ein Runenbuch und Schreibzeug gebraucht. Ich konnte nicht gerade sagen, dass Henry einen genauen Plan zu haben schien, wie genau mein Unterricht ablaufen sollte. Meistens kam es mir vor, als würde er während des Unterrichts entscheiden, was wir als nächstes machen würden.

Ich verabschiedete mich von Rose und ging die Treppen des Schülergebäudes hinunter. Abwesend strich ich über den Anhänger, den Jessie mir geschenkt hatte, und den ich seitdem jeden Tag getragen hatte.  Ich vermisste bereits sein Gewicht um meinen Hals, wenn ich ihn nicht tragen konnte. Gewissermaßen war er ein Teil von mir geworden, der mich stets an Jessie erinnerte.

In der Eingangshalle stand Clarissa mit ihrem üblichen Anhang an Freundinnen. Möglichst unauffällig schob ich mich an ihnen vorbei, aber Clarissa hatte mich gesehen und warf mir einen bösen Blick hinterher. Zum Glück hatte sie keine Gelegenheit, irgendetwas zu sagen. Seit sie herausgefunden hatte, dass Callahan mein Mentor sein sollte, war sie unerträglich mir gegenüber und nutzte jede Gelegenheit, um mir verletzende Worte an den Kopf zu werfen. Rose war der Meinung, dass sie nur eifersüchtig war und dass ich sie ignorieren sollte, aber das war manchmal gar nicht so einfach. Besonders meine ernüchternden Schwertkampffähigkeiten gaben ihr immer wieder Anlass, über mich herzuziehen, und offenbar fanden ihre Freundinnen das äußerst komisch.

Als ich die Arena betrat, wartete nur Callahan, und er begrüßte mich mit einem leichten Lächeln. Wahrhaftig, er lächelte. Das passierte nicht oft. Ich lächelte zurück und ließ meinen Blick durch die Arena schweifen.

„Wo ist Mr. Campbell?", fragte ich ihn unsicher, da ich Henry nirgends sehen konnte.

„Sieh dich um und stelle deine Vermutung an", antwortete er nur.