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Für @SeeMeOnTheStage

Pünktliche Updates, da diese Geschichte schon lange abgeschlossen ist.

Sie ist kurz - wie das Leben.


Als sie die Augen aufschlug, blickte sie in ein strahlendes weiß. Es wirkte grell, als hätte man zu viele Schichten dieser Farbe übereinander gelegt. Neben sich hörte die junge Frau einen schrillen Ton, ein Piepsen, im stetigen, gleichmäßigen Rhythmus. Ein schmaler, kleiner Schlauch verschwand in ihrem Arm, sein Ursprung lag in einem kleinen und durchsichtigen Beutel.

Sie drehte den Kopf ein wenig nach rechts, so dass sie durch die Glasscheiben des einzigen Fensters im Raum blickte. Vor ihr ragte ein riesiger Wolkenkratzer aus dem Boden empor, ein Mehrfamilienhaus, mit grauer Verkleidung und brüchiger Fassade.

Die gebürtige Amerikanerin versuchte sich in eine bequemere Lage zu setzen und betrachtete stur die weiß gestrichene Wand vor sich, während sie mit ihrer Hand über die Nadel strich, welche sich in ihre Haut schob. Das war nicht wirklich das, was sie sich erhofft hatte. Die Tür öffnete sich und eine Krankenschwester betrat den Raum. Sie war um die 30, hübsch, aber an ihrem Aussehen war nichts außergewöhnliches, was es zu bemerken galt.

„Ich bin am Leben, oder?" Ihre Stimme war kratzig, ein wenig tief durch das Rauchen und den ständigen Alkoholkonsum. Die Angestellte zog eine Augenbraue nach oben und antwortete ungläubig: „Ja, natürlich."

Mit einem Seufzen ließ sich die 26jährige nach hinten fallen.

„Scheiße."



Madisons Füße trugen sie durch die Stadt in Richtung ihrer Wohnung. Es war ein regnerischer Tag in Tokyo. Die Neonlichter flackerten in der aufkommenden Dunkelheit, so dass die nassen Straßen in ein Meer aus Farben getaucht wurden. Die junge Frau entfernte sich von dem regen Treiben auf den befahrenen Straßen, den gut besuchten Läden und Cafes, lief an einem Markt mit kleinen Ständen, welche Früchte und Gemüse verkauften, vorbei. Ihr stieg der Geruch von gebratenem Fisch, vermischt mit den Abgasen der Autos, in die Nase. Sie griff in die tiefen Taschen ihrer Jacke und holte einen Mundschutz hervor, welchen sie sich schnell über das halbe Gesicht zog. An einem Music Store mit pink flirrender Reklame bog sie links ab.

Die hohen Gebäude in ihrem Umfeld ließen das Sonnenlicht nicht bis zum Boden vordringen. Alles wurde durch künstlichen Schein erleuchtet. Der Müll quoll aus den Containern heraus, entsprechend war auch der Gestank.

Madison lief noch an einigen Häusern vorbei, durch Gassen hindurch, bis sie schließlich vor einer unscheinbaren Tür zum Stehen kam. Der Schlüssel drehte sich im Schloss, mit einem knacken öffnete sich das verrostete Metall nach innen und man hörte die Schritte der 26jährigen im Treppenhaus wiederhallen. Es roch nach Fritteuse. Die Wände, die untere Hälfte mit gelben Fließen verkleidet, waren mit sinnlosem Gekritzel beschmiert, in denen nicht mal eine freischaffende Künstlerin wie Madison einen Sinn fand. Kurz vor dem Betreten ihrer kleinen Wohnung, deren Tür mit grüner Farbe besprüht war, ertönte hinter ihr ein quietschen. Eine alte Dame mit hoher Stirn, runzligem Gesicht und schmalen Lippen stand in der Diele der gegenüber liegenden Unterkunft. Hätte die junge Frau die letzte Zeit nicht so viel in Bars verbracht und immer ein Glas in den Händen gehalten, würde sie sich vielleicht noch an den Namen ihrer langjährigen Nachbarin erinnern. Doch ihr Gehirn war noch zu sehr benebelt, ob von den Medikamenten wusste sie nicht, aber alles schien ein wenig in Watte gehüllt.

„Schön, dass du wieder da bist."

Die Amerikanerin hatte noch zwei Tage im Krankenhaus ausharren müssen, bevor sie nach Hause gehen durfte. Nach Hause. Ihr Mundwinkel zuckte. Witzig.

„Mh." Mehr als ein Murmeln brachte sie nicht zu Stande. Die Alte stützte sich am Türrahmen ab. „Chizu war ganz unruhig gewesen und hat an der Wand geschart. Ich hatte ewig nichts mehr von dir gehört und am Ende habe ich den Notarzt gerufen. So gesehen hast du dein Leben meiner Katze zu verdanken. Das nennt man wohl Intuition bei ihr." Wie aufs Stichwort streunerte ein Vierbeiner um sie herum, setzte sich auf seine Hinterbeine und durchbohrte Madison von der Diele aus mit seinen gelben Augen. Oh ja, an dieses keifende, kratzende, bissige Drecksvieh konnte sie sich erinnern. Wütend blickte sie das Geschöpf an und sagte:

„Ich wollte ruhig und allein in meinem Drecksloch sterben. Das nennt man Privatsphäre."

Die Tür knallte hinter ihr zu und die ältere Dame raunte zu ihrer Katze: „Ich frage mich, wie lange sie ihr noch hinter her trauern will. Vielleicht solltest du etwas netter zu ihr sein... oder nein, lieber nicht. Das würde sie nur verwirren." Ein Miauen. Die Frau seufzte und schloss langsam die Tür.

Madison atmete tief ein, schloss die Augen und lehnte den Kopf gegen die Wand. Sie wollte nicht hier bleiben. Nicht in dieser Wohnung, welche gefüllt war mit Erinnerungen, Gedanken und Atemzügen von ihnen beiden. Von ihr...  






Die nächsten Chapter werden länger.

Versprochen.

-DK

PAINT ME.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt