Mittlerweile hatte Madison viele Bilder von Aiko gezeichnet, war bereits unzählige Male neben ihr eingeschlafen und wieder aufgewacht.
Am nächsten Morgen nach ihrer ersten Begegnung, geisterte in ihrem Kopf die Frage herum, ob ihre neue Bekanntschaft wohl einfach gehen würde und nie wieder käme. Doch sie blieb.
Gerade eben zischte der Wasserkocher, erhitzte das Wasser für den Tee am Morgen. Währenddessen holte die Blauhaarige still und leise ihre alte Kamera aus Kindertagen hervor und schlich sich langsam an das Bettende heran. Sanft rüttelte sie an dem herausschauenden großem Zeh und erntete dafür ein Murren.
„Mdi laf dff." Ihre Hand schob sich unter die warme Decke und kitzelte die Fußsohle, woraufhin Aiko förmlich aufsprang und versuchte nach ihr zu greifen. Dies war der Moment, wo Madison den Auslöser betätigte und ihr Lachen das Zimmer erfüllte. „Guten Morgen." Sie schaltete den Fotoapparat wieder aus und holte aus einem kleinen Schrank über der Spüle zwei Tassen hervor. Schließlich goss sie das kochend heiße Wasser über die zwei Teebeutel und die Kräuter begannen sich zu entfalten. Als sie sich umdrehte, hockte eine verschlafene Aiko vor einer Leinwand und versuchte sich in ihren künstlerischen Fähigkeiten. Madison schmunzelte über ihre Haare, die so aussahen, als hätte die Japanerin in eine Steckdose gefasst.
Sie war die Antwort auf alles. Durch sie bekamen Madisons Bilder Leben. Die Kreativität kehrte zurück. Und der Erfolg. Die letzten 4 Monate waren Aufträge eingetroffen, keine Absagen. Aiko war ihre Muse. Und ihre Liebe. Sie füllte einen Teil in ihrem Leben den sie zuvor versucht hatte zu stopfen, doch an dem sie kläglich gescheitert war.
Madison wusste nicht viel über das Mädchen aus dem Cafe Exescrea, woher sie kam oder was vorher in ihrem Leben passiert war. Doch sie verlangte es auch nicht. Es schien wie ein stummer Pakt zwischen den Beiden, der verhinderte, über das vorige Sein zu sprechen. Die Künstlerin liebte die stille Seite an Aiko, manchmal fand sie es auch etwas beängstigend, wenn das Mädchen zu sehr in ihrer eigenen Welt, in ihren Gedanken, förmlich gefangen war und fokussiert auf etwas schien, was nicht in der Realität lag.
Sie trat näher zu der Zeichnenden, welche kritisch ihr Werk begutachtete. Expressionismus könnte ein Stichwort sein.
„Sieht komisch aus, oder? Wie machst du das nur?" Madison schob die rosa Haare beiseite und hauchte kleine Küsse auf die Kurve zwischen Hals und Schulter. „Sagen wir es so: wenn du es scheiße findest, dann ist es Kunst."
„YEAH! Ich bin eine Künstlerin!" jubelte Aiko, stand auf damit sich die andere setzen konnte, nur um sich dann auf ihren Schoß zu begeben. Die 26jährige fuhr mit ihren Händen über die nackten Oberschenkel des Mädchens und küsste sie sanft.
„Gestern war schön." Ihr Gegenüber spielte mit den blauen Haarspitzen, murmelte zustimmend. Sie waren auf den Zuggleisen gewesen, hatten Münzen auf die Schienen geklebt und diese nach dem vorbeifahrenden Zug wieder eingesammelt. Danach hatte man auf dem nahe gelegenen Fußweg, 2 Meter über den oft befahrenen Gleisen eine Decke ausgebreitet und Gimbap gegessen. Es war nichts Besonderes gewesen, nichts Teures oder ausgefallenes. So was konnte Madison ihrer 4 Jahre jüngeren Freundin nicht bieten, dazu fehlte das Geld. Aber gerade weil es so einfach und spontan gewesen war, schien es mit der untergehenden Sonne perfekt.
„Du meinst bis darauf, dass dich die Nachbarskatze gekratzt hat. Mal wieder." Ein Stöhnen ertönte als Antwort.
„Sie scheint mich einfach nicht leiden zu können, dieses Mistvieh." Aiko zog eine Augenbraue hoch. „Sie hasst dich. Ein Unterschied."
Und das Meer zog sich zurück, bereitete sich vor.
Die Ruhe vor dem Sturm.
-DK
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PAINT ME.
Short Story"Ich bin noch am Leben, oder? Scheiße." Madison war eine Künstlerin. Sie spielte mit den Farben. Dann spielte die Liebe mit ihr. Und daran zerbrach sie. ° 299 in Kurzgeschichten, 26072017